Schneiderhandwerk hat Zukunft

Schneiderhandwerk hat Zukunft

Quelle: Bernhard Bischoff

Die Manufaktur – das sind Karin Bischoff und Kathrin Baumberger, ein Team von Festangestellten und ein starkes Netzwerk von Freischaffenden. Der Funke zur Firmengründung sprang zusammen mit Bernhard Duss bei einem von der Pro Helvetia ausgeschriebenen Projektwettbewerb: Das Textiltrio entwickelte „Senti“ – ein Modelabel, das junges Design mit der alten Tradition des Ostschweizer Textilhandwerks und der Schneiderei vereint. Die Freude am Handwerk, die Liebe zum Design und das gut funktionierende Zusammenspiel liessen die Vollbluttextiler den Schritt zur Firmengründung wagen. Heute ist die Manufaktur in der ganzen Schweiz tätig und arbeitet von den beiden Schneider-Ateliers in St. Gallen und Zürich aus.

Das trend magazin traf Kathrin Baumberger und Karin Bischoff zum Interview.

Wie ist die Manufaktur entstanden?

Kathrin: Karin und ich kennen uns eigentlich seit der Berufsschule, haben uns aber nach dem Schulabschluss aus den Augen verloren. Im Jahre 2007 trafen wir uns im Rahmen des „Sentis“-Projekts wieder. Bernhard Duss und ich haben die Kollektion im Rahmen eines Kulturförderprojektes der Pro Helvetia entworfen. Zusammen mit Karin konnten wir dazumal das Design umsetzten. Dabei stellten wir fest, dass wir sehr gut zusammen arbeiten.

Karin: Am Anfang waren wir zu viert, jetzt noch zu dritt. Die Geschäftsleitung obligt Kathrin und mir. Zuvor waren wir alle schon selbstständig bis die Idee kam, unsere eigene Selbstständigkeit aufzulösen und alles in die Manufaktur GmbH zu stecken.

Woher kommt eure Faszination für das Schneiderhandwerk?

Kathrin: Ich bin schon in der Schule sehr gerne in die Handarbeit gegangen und auch in der Freizeit viel genäht. Ich denke, wenn man etwas wirklich gerne macht, dann möchte man es auch richtig machen und sich weiterentwickeln.

Karin: Auch ich habe schon immer sehr viel genäht und bin mit Textilien aufgewachsen. Für mich ist das eine Materie, die einfach zu mir gehört. Deshalb war es für mich schnell klar, dass es beruflich in diese Richtung gehen muss.

Schneidert ihr noch selber?

Kathrin: Leider nicht, beziehungsweise nicht so oft, wie wir das gerne würden. Am Nähen sind wir meist nur, wenn es Engpässe im Atelier gibt oder wir Schnitte und Modelle ausprobieren möchten. Mittlerweile sitze ich viel am Computer oder pendle zwischen Zürich und St. Gallen hin und her. Momentan ist es leider nicht anders möglich, aber ich hoffe, dass die Zeit wieder kommt, wo ich wieder öfters im Atelier und im Laden sein kann sein kann.

Karin: Da wir sozusagen das Gesicht der Manufaktur sind, müssen wir gegenüber den Kunden auch präsent sein. Das mit dem Nähen zu verbinden, ist oft schwierig. Denn sobald man eine Näharbeit beginnt, muss man einfach dabei bleiben können. Ich geniesse die Zeit, wenn ich zum Beispiel an einem Sonntag ins Atelier kann, um zu nähen.

Habt ihr beide eine ähnliche Vorstellung von Mode?

Karin: Grundsätzlich schon, doch haben wir ganz unterschiedliche Arbeitsweisen. Kathrin ist diejenige, die eine Kollektion entwirft, nd ich bin diejenige, die einen Kundenwunsch realisiert.

Wollt ihr mit eurer Mode eher Träume kreieren oder etwas Tragbares schaffen?

Kathrin: Ich glaube, ich bin eher die, die Träume kreiert. Gerade auch in meinen Arbeiten für Theaterprojekte. Es gibt auch Kunden, die sich ihre Träume erfüllen, zum Beispiel mit eigenen Stoffdesigns. Sonst ist es aber schon eher so, dass Karin die tragbaren Stücke für die Kunden entwirft und ich die etwas ausgefalleneren Modelle.

Karin: Es ist aber auch wichtig, dass wir diese ausgefallenen „Showpieces“ haben, um den Leuten zu zeigen, was möglich ist.

Manufaktur

Wie kann ich mir die typische Manufaktur-Kundin oder -Kunde vorstellen?

Karin: Das ist so nicht im Allgemeinen definierbar. Wir haben eine sehr breitgefächerte Kundschaft – sei es bei den Männern, wie auch bei den Frauen. Wir haben zum Beispiel Männer, die sich Anzüge für den Job oder die Hochzeit schneidern lassen, oder solche, welche einen gut sitzenden Sakko in einer hervorragenden Qualität zu schätzen wissen. Bei den Frauen ist es meist so, dass sie sich ein neues Lieblingsstück wünschen. Viele unserer Aufträge sind natürlich auch für Bräute und Hochzeitsgäste. Dann gibt es noch die Firmenkunden, wo wir meist ganze Gruppen und Teams einkleiden. Für das Theater gestalten wir das Kostümbild und setzen dieses um. Wir können grundsätzlich alles herstellen, was mit Bekleidung zu tun hat.

Wen möchtet ihr einmal in einer Kreation von euch sehen?

Karin: Wir hatten einmal eine Anfrage für eine indische Hochzeit. Das hätte mir sehr gefallen. Leider hatte es sich damals zeitlich mit unserem Umzug gekreuzt. Ich würde aber sehr gerne einmal etwas für andere Kulturen schaffen.

Kathrin: Ich würde gerne Kylie Minogue einkleiden, denn ich finde, sie hat einfach die beste Bühnenshow.

Ein Meilenstein war euer Umzug im November 2014, sowie die Situation, dass Ihr ein Ladenlokal mit Fremdartikeln habt. Was sind eure nächsten Ziele?

Karin: Momentan am wichtigsten ist, dass wir hier einmal richtig ankommen, etwas Fuss fassen und schauen, dass wir wieder ein finanzielles Polster bekommen.

Kathrin: Und dass wir hier in St. Gallen die erste Adresse werden für exklusive Couture-Anfertigungen, perfekt sitzende Massanzüge für Damen und Herren sowie speziellen Labels als Ergänzung für die Garderobe.

Ihr habt ein breites Sortiment an Kleidungsstücken. Was fehlt euch persönlich noch?

Karin: Für uns ist es genau richtig so. Wir möchten nicht noch mehr, denn unser aktuelles Sortiment ist genau das, was uns stark macht. Wir haben (fast) alles für Mann und Frau von Kopf bis Fuss. Nebst unserer eigenen Manufaktur-Kollektion haben wir für Damen auch ausgewählte Modelle vom Zürcher Label „Paradis des Innocents“. Mit „Scabal“ und „Xacus“ haben wir zuverlässige Partner für Herrenbekleidung auf Mass oder Prêt-à-Porter. Uns ist wichtig, dass unsere Partner gut zu uns passen und eine ähnliche Philosophie verfolgen. Deshalb passen auch Hüte der Firma „Risa“ zu uns.

Kathrin: Ausserdem war uns wichtig, die Stoffe und Stickereien aus den St. Galler Textilhäusern ins Sortiment aufzunehmen. Wir sind der einzige Laden in der Innenstadt, in welchem man die einzigartigen Kreationen als Meterware oder zu Kleidungsstücken und Accessoires verarbeitet kaufen kann.

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Was sind eure Mode-Highlights für den kommen Frühling/Sommer 2015?

Kathrin: Wir arbeiten immer sehr kurzfristig. Wir können nicht an die grossen Modemessen zum Einkaufen gehen, sondern arbeiten eng mit den Lieferanten in unserer Nähe zusammen, die auch immer die aktuellen Stoffe zur Verfügung haben. Ich habe gerade kürzlich schöne Stoffe eingekauft, Karin weiss aber noch gar nichts davon (beide lachen). Ich habe ein paar sehr schöne, farbige Drucke erwerben können. Es hat was von moderner Kunst und ist schwer zu beschreiben – man muss es einfach gesehen haben.

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Wo lasst ihr euch inspirieren?

Karin: Die Hauptinspiration sind die aktuellen Kollektionen der Designer sowie aber auch die Stoffkollektionen.

Kathrin: Ich recherchiere sehr viel im Internet und schaue mir alle wichtigen Modeschauen und Zeitschriften an. Ich lasse mich aber auch sehr oft einfach durch die Stoffe inspirieren.

Was sollte nach eurer Meinung in keinem Kleiderschrank fehlen?

Karin und Kathrin: Das kleine Schwarze aus St. Galler Stickerei von der Manufaktur!

Was sind eure Lieblings-Kleidungsstück?

Kathrin: Mein Hochzeitskleid, das trage ich auch heute noch sehr oft. Es ist ein schlichtes Etuikleid mit einem ganz speziellen Druck und passt einfach zu sehr vielen Anlässen.

Karin: Ich habe verschiedene Lieblingsstücke, die ich eine zeitlang gerne trage.

Was mögt ihr an eurer Arbeit und was nicht?

Kathrin: Ich arbeite sehr gerne von Hand an der Büste – das finde ich enorm schön. Was ich nicht so gerne mache, ist Korrespondenz.

Karin: Ich arbeite gerne mit Kunden aber auch im Atelier. Ich bin mehr der Büromensch und man kann mich an unterschiedlichen Orten einsetzen. Mir gefällt das Unternehmertum, das Selbstständigsein.

Woran arbeiten ihr zurzeit?

Karin: Ich arbeite gerade an ein paar Kundenprojekten und drei Hochzeitskleidern. Dann dürfen wir zusammen mit unserem Partner Scabal das „SwissSkills“-Team und eine grosse Gruppe Austauschschüler einkleiden.

Kathrin: Ich entwerfe momentan die neue Kollektion für Frühling/Sommer 2015. Dann betreue ich ein Projekt an der Universität St. Gallen. Wir statten das Organisations-Komitee von HSG-Talents mit unseren Massanzügen aus.

An welches Stück, das ihr selber gemacht habt, erinnert ihr euch besonders gerne?

Karin: Ganz zu Beginn meiner Selbständigkeit durfte ich ein sehr schönes Hochzeitskleid nähen, das mir sehr gut gefiel und auch sehr viel Spass gemacht hat. Mich freuen die positiven Reaktionen und motivieren mich in meiner täglichen Arbeit.

Kathrin: Die Zusammenarbeit mit Dimitri hat mir persönlich sehr gut gefallen. Er ist ein wunderbarer Mensch und es war eine sehr angenehme Zeit.

Welchen Stellenwert hat Masskonfektion im Zeitalter der Massenware?

Karin: Oh, darüber haben wir gerade erst diskutiert. Viele der Detaillisten gehen mit ihrer Ware jetzt online. Ich kann mich mit der Massenware aus dem Internet nicht identifizieren. Da ich aus dem Couture-Bereich komme, habe ich ganz andere Ansprüche an Kleider.

Kathrin: Ich denke, die Massenware auf dem Internet ist ein Zeit-Phänomen. Für gewisse Labels ist es sehr wichtig, online zu sein. Wir schätzen den persönlichen Kundenkontakt damit wir eine Beziehung zum Kunden aufbauen können.

Karin: Ich bin der Meinung, dass wir mit der Manufaktur eine Oase geschaffen haben für alle, die Qualität und persönlichen Kundenkontakt schätzen. Somit können wir auf jeden individuellen Wunsch eingehen. Das gibt es sonst eigentlich nicht mehr. Wir sind davon überzeugt, dass das Handwerk Zukunft hat und wieder einen ganz anderen Stellenwert erhalten wird.

Info: www.diemanufakturgmbh.ch

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