Das passiert, wenn du das Smartphone mehr beachtest als die Kinder

Das passiert, wenn du das Smartphone mehr beachtest als die Kinder

Quelle: Dmytro Zinkevych / shutterstock

Ob Strand oder Pool – bei vielen Erwachsenen ist das Smartphone mit dabei. Darunter leiden allerdings meist die Kinder.

Die ganze Familie reist in den Urlaub oder ist am Wochenende gemeinsam unterwegs und meist sind die Smartphones der Eltern mit dabei. Wenn Erwachsene zwar körperlich anwesend sind, sich aber in Gesellschaft der Kinder mit dem Telefon statt dem Nachwuchs beschäftigen, hat das allerdings Auswirkungen: „Aufmerksamkeit ist ein Grundbedürfnis von Kindern. Sie schenkt ihnen Geborgenheit, Sicherheit und Selbstvertrauen“, erklärt Steffen Heil, Vorstandsvorsitzender der Auerbach Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die gesunde digitale Nutzung zu fördern.

Aufmerksamkeit könne über Körperkontakt, über positive Worte und Gesten sowie Augenkontakt geschenkt werden, so Steffen Heil. Sie „erfordert von den Eltern eine gehörige Portion Feingefühl, denn nicht jedes Kind kann seine Bedürfnisse lautstark einfordern“. Beschäftigen sich Eltern, in Anwesenheit ihrer Kinder, ununterbrochen mit dem Smartphone, so senden sie diesen eine klare Botschaft, erklärt der Experte: „Das Smartphone ist für meine Mama oder meinen Papa also sehr wichtig. Und ich?“ Kinder werden „sehr einfallsreich, wenn es um das Ergattern von Aufmerksamkeit ihrer Eltern geht. Wenn Kinder beispielsweise lernen, dass sie nur dann die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern erhalten, wenn sie Fehlverhalten an den Tag legen, dann werden sie dieses Verhalten wiederholen. Man kann das Pferd auch von hinten aufzäumen“.

Zumindest im Urlaub braucht das Smartphone der Eltern überhaupt keine Aufmerksamkeit, so Heil. „Für das Smartphone macht das keinen Unterschied, ob und wie lange man sich damit beschäftigt. Für die gesunde Entwicklung unserer Kinder schon. Und die Kinder gehen mit einer konkreten Erwartung in den Urlaub, sie wollen mehr intensive Zeit mit Mama und Papa verbringen, das heisst die ungeteilte Aufmerksamkeit. Im Alltag ist das für Eltern natürlich nicht immer ganz einfach. Im Urlaub sollte es gelingen.“

Regeln für Eltern und Kinder

„Eltern sollten ihren Kindern das richtige Nutzungsverhalten vorleben – auch schon ihren ganz kleinen Kindern“, rät Heil, der mit der Auerbach Stiftung u.a. durch die „Paula & Max“-Minibücher Hilfe bei der digitalen Medienerziehung anbieten will. Relativ einfache Regeln könnten es den Kindern wesentlich leichter machen, mit den neuen Medien massvoll umzugehen und „helfen zugleich den Eltern, ihr Smartphone bewusster einzusetzen und die kostbare Freizeit zu schützen“:

Das Handy beim gemeinsamen Abendessen (prinzipiell beim Essen) ausschalten; nicht mit dem Tablet oder dem Handy vor den Fernseher setzen; handyfreie Zonen in der Wohnung einrichten; einer gesunden Nachtruhe zuliebe sollte das Schlafzimmer auf jeden Fall tabu bleiben; Hausaufgaben sollten ohne Handy erledigt werden; im Strassenverkehr gilt: kein Blick aufs Handy, auch nicht an der roten Ampel.

Ab wann sollten Kinder ein eigenes Smartphone besitzen?

„Das kommt darauf an, wen sie fragen“, meint Heil auf die Frage nach dem ersten eigenen Smartphone. „Zahlreiche Psychologen würden wohl sagen, kein eigenes Smartphone vor dem 13. Lebensjahr, da erst ab diesem Alter eine ausreichende geistige Reife vorliegt. In der Realität sieht es heute jedoch anders aus. Da bekommen schon wesentlich jüngere Kinder ein eigenes Smartphone. Meiner Ansicht nach brauchen Grundschulkinder auf keinen Fall ein eigenes Smartphone. Mir der weiterführenden Schule wird der Druck von aussen oft grösser, da bereits eine Vielzahl von Kindern ein eigenes Smartphone besitzt. Einige Ratgeber empfehlen ein eigenes Gerät frühestens mit 11 Jahren.“

Wichtig sei es, „dass die Eltern mit dem Kind über die Smartphone-Nutzung sprechen und klare Nutzungsregeln vereinbaren. Darüber hinaus sollte man unbedingt darauf achten, dass das Smartphone mit entsprechenden Jugendschutz-Filtern ausgestattet ist. Wir arbeiten mit zahlreichen Experten, gerade aus den Bereichen Pädagogik und Kinder- und Jugendschutz zusammen. Da hören wir sehr häufig, dass eine analoge Kindheit, das heisst 12 bis 13 Jahre, die beste Vorbereitung auf das digitale Zeitalter ist. Denn zunächst müssen andere Fähigkeiten als die Smartphone-Nutzung gelernt werden.“

Wann ist mein Kind süchtig nach Facebook und WhatsApp?

Steffen Heil: „Von Sucht spricht man in der Regel dann, wenn Verhaltensweisen einer Abhängigkeitserkrankung auftreten. Wenn Eltern bei ihren Kindern den Drang entdecken, sich fast nur noch mit den digitalen Geräten zu beschäftigen. Oder wenn sie sich aus ihrem sozialen Umfeld zurückziehen, um diese Zeit ebenfalls den digitalen Geräten widmen zu können. Erste Anzeichen können auch nachlassende schulische Leistungen oder Lustlosigkeit auf andere Beschäftigungen sein. Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen oder verminderter Bewegungsdrang können Begleiterscheinungen von Suchtverhalten sein. Entdecken Eltern solche Anzeichen, dann sollten sie ihre Kinder zunächst darauf ansprechen und mit ihnen in Ruhe darüber sprechen. Und selbstverständlich sollte auch der Arzt aufgesucht werden. Sucht muss von Profis diagnostiziert und behandelt werden.“

Steffen Heils wichtigster Tipp für Eltern in Bezug auf digitale Medien:

„Da halte ich es mit Karl Valentin“, erklärt Heil: „Der soll einmal gesagt haben: ‚Du kannst deine Kinder nicht erziehen, sie machen dir eh alles nach!‘ Eltern übernehmen einfach die wichtigste Vorbildrolle im Leben der Kinder. Sie eifern diesen in vielen Dingen des Lebens nach. Wenn Eltern ihren Kindern schon von klein auf eine gesunde und massvolle Mediennutzung vorleben, dann wirkt sich das auch positiv auf das Nutzungsverhalten der Kinder aus. Eltern sollten ihre Kinder auf der Reise in die digitale Welt an die Hand nehmen und begleiten. Und wie in anderen Bereichen können die Kinder sich dann auch leichter und sicherer in dieser Welt zurechtfinden.“

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