Warum MySpace heute keine Rolle mehr spielt

Der Urvater moderner Social-Media-Plattformen wie Facebook interessiert heute niemanden mehr. Jetzt hat MySpace einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Es gab eine Zeit, da war MySpace in aller Munde. Die Social-Media-Plattform brachte Freunde zusammen und war der Ideengeber für Portale wie Facebook. Wer in den 2000er Jahren eine Band hatte, der hatte natürlich auch ein MySpace-Profil. Millionen vor allem unbekannter Künstler nutzten MySpace als eine Art Vorgänger von Soundcloud, um ihre Lieder der Öffentlichkeit zu präsentieren. Doch mittlerweile sprechen die meisten nur noch über MySpace, wenn sie gedankenversunken in Erinnerungen schwelgen.

Die Geschichte des Platzhirschs

Das soziale Netzwerk, das ursprünglich 2003 gegründet wurde, erarbeitete sich schnell einen Status als absoluter Marktführer und sicherte sich quasi die digitale Chart-Spitze, wenn man so will. Schon im Juli 2006 wurde MySpace zur meistbesuchten Webseite in Amerika, wie damals unter anderem die US-Seite „Mashable“ berichtete.

Gründer Thomas Anderson, den viele einfach nur als „MySpaceTom“ kennen, spricht auf seiner Homepage sogar davon, dass sein Portal zu diesem Zeitpunkt die meistbesuchte Internetseite der Welt war. Kein Wunder, dass der gute Tom MySpace mit allem Drum und Dran im Jahr 2005 für satte 580 Millionen US-Dollar verkaufen konnte.

Doch Facebook lief MySpace 2008 den Rang ab, die User verschwanden nach und nach – und damit auch die Relevanz der Plattform. Im März 2011 gab es sogar Berichte, dass die Plattform in nur einem Monat rund zehn Millionen User verloren habe. Im Sommer 2011 wurde MySpace ein weiteres Mal verkauft, ja fast schon verramscht – diesmal für nur noch 35 Millionen Dollar. Wenige Monate zuvor waren bereits rund die Hälfte der ehemals 1’100 Mitarbeiter des Unternehmens hinter der Plattform entlassen worden. Heute sollen nach Firmenangaben noch rund 150 Menschen angestellt sein.

Ein neuer Tiefpunkt

Laut Alexa Internet, einem Online-Dienst zum Auswerten von Internetabrufen, ist MySpace derzeit in den USA gerade einmal noch auf Platz 2’017 der meistbesuchten Webseiten zu finden – im weltweiten Vergleich reicht es sogar nur für Rang 4’227.

Was die heutige Irrelevanz von MySpace zudem sehr anschaulich verdeutlicht, ist ein seit Monaten bestehendes Problem, das allerdings erst jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Aufgrund eines Serverumzugs sind sämtliche Fotos, Videos und Audiodateien zwischen 2003 und 2015 nicht mehr zugänglich. Auf gut Deutsch: Alles weg! Nutzer – unter anderem bei Reddit – berichteten allerdings nicht erst jetzt, sondern schon im Sommer 2018 von dem Problem.

Eine breitere Masse war nun durch einen Tweet von Andy Baio (41), ehemaliger Technischer Direktor von Kickstarter, auf die Problematik aufmerksam geworden. In diesem bezweifelte er Angaben von MySpace, in denen von „beschädigten Dateien“ die Rede war. „Ich bin äusserst skeptisch, dass dies ein Unfall war“, schreibt Baio. „Schamlose Inkompetenz mag schlechte PR sein, aber das klingt immer noch besser als: ‚Wir haben keine Lust, uns den Aufwand zu machen und die Kosten für den Umzug und das Bereitstellen von 50 Millionen alten MP3s zu tragen.'“

Aber warum?

Medienmogul Rupert Murdoch (88), dessen News Corporation nach dem Erwerb und späteren Verkauf von MySpace kräftig Miese gemacht hatte, bezeichnete den Kauf im Oktober 2011 laut der „New York Times“ als einen „riesigen Fehler“. Weiter erklärte der Unternehmer, dass seine Firma es geschafft hatte, die gesamte MySpace-Situation „auf jedem erdenklichen Weg falsch zu managen“. Im Januar 2012 bestätigte er dies auch noch einmal in einem Tweet. „Viele Fragen und Witze über MySpace. Einfache Antwort – wir haben auf jede erdenkliche Weise versagt, haben viele wertvolle und teure Lektionen gelernt.“

Internet-Unternehmer Sean Parker (39) erklärte bereits 2011, was MySpace seiner Meinung nach falsch gemacht hatte. Auf einer Tech-Konferenz von US-Moderator Jimmy Fallon (44) danach gefragt, antwortete der Mitgründer von Napster und ehemalige Facebook-Berater, dass MySpace bei der Produktentwicklung versagt habe. „Sie waren nicht erfolgreich darin, das Produkt genug zu pflegen und weiterzuentwickeln.“ Die Plattform sei „im Grunde ein Müllhaufen schlechten Designs, der für viele, viele Jahre weiterexistierte. Es gab eine Zeit, zu der sie selbst Facebook geworden wären, wenn sie einfach nur Facebook schnell genug kopiert hätten.“ MySpace sei gigantisch gross gewesen.

Gigantisch gross ist heute Facebook – grösser als MySpace es jemals war. „MySpaceTom“, der in seinem Netzwerk automatisch mit jedem neuen Nutzer befreundet war, hatte laut seiner Webseite rund 350 Millionen Freunde auf MySpace, als er das Unternehmen im Jahr 2009 verliess – da war die Hochzeit bereits vorbei. Facebook hat nach eigenen Angaben (Stand 31. Dezember 2018) weltweit 2,32 Milliarden Nutzer, die monatlich aktiv sind. Tja, sieht wohl wirklich so aus, als ob man bei MySpace „auf jede erdenkliche Weise versagt“ hat.

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