Franka Potente: „Die Schauspielerei ist für mich wie ein Stiefkind“

Franka Potente sieht sich zukünftig häufiger hinter der Kamera.

Quelle: Weltkino, Foto Vera Anderson

Am 29. Juli startet „Home“, Franka Potentes Debüt als Langfilmregisseurin, in den Kinos. Im Interview verrät die 46-Jährige, wie sie Oscarpreisträgerin Kathy Bates ins Boot holte, ob sie weiterhin selbst vor der Kamera steht und warum sie sich gerne an ihre Zusammenarbeit mit Johnny Depp erinnert.

Mit dem berührenden Drama „Home“, das am 29. Juli in den deutschen Kinos startet, feiert Franka Potente (46, „Lola rennt“) ihr Debüt als Langfilmregisseurin. Das Werk erzählt die Geschichte des wegen Mordes verurteilten Marvin (Jake McLaughlin, 38), der sich nach mehr als 17 Jahren Haft auf den Weg zurück in seine Heimat in der US-amerikanischen Provinz macht.

Dort angekommen erfährt er, dass seine Mutter (Kathy Bates, 73) todkrank ist und die Bewohner der Kleinstadt seine Tat noch immer nicht vergessen haben. Einzig die junge Delta Flintow (Aisling Franciosi, 28), deren Grossmutter von Marvin ermordet wurde, beginnt schon bald, ihn mit anderen Augen zu sehen.

Mitgefühl und Vergebung stehen im Zentrum des Drehbuchs, das ebenfalls aus der Feder von Franka Potente stammt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät die deutsche Hollywood-Schauspielerin, was sie zum Schreiben inspirierte, wie sie Oscarpreisträgerin Kathy Bates („Misery“) ins Boot holte und ob ihre eigenen Zeiten als Schauspielerin hinter ihr liegen. Ausserdem verrät Potente, warum Johnny Depp für sie die „Textur eines echten Stars“ besitzt und von welcher Zusammenarbeit sie noch träumt.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Debüt als Spielfilm-Regisseurin! Was war es für ein Gefühl, hinter der Kamera „den Hut auf zu haben“?

Franka Potente: Es war herrlich und ich habe es sehr genossen. Natürlich war es auch wahnsinnig stressig, aber ich finde es toll, wenn man die Möglichkeit hat, nicht nur als Schauspieler ein kleiner Teil des Ganzen zu sein, sondern Zugriff auf alle künstlerischen Bereiche zu haben. Ich bin klüger aus der ganzen Angelegenheit herausgekommen, denn man lernt wahnsinnig viel von jedem – dem tollen Kameramann, Masken- und Kostümbildnern, Schnitt, Musik. Man muss mit allen kommunizieren und das fand ich super.

Schon 2006 inszenierten Sie einen Kurzfilm. Warum hat es so lange gedauert, bis Sie erneut im Regiestuhl Platz nahmen?

Potente: Ich glaube, es ist einfach viel in meinem Leben passiert. Ich bekam zwei Kinder und sie sind noch relativ klein. Ein Film nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und es war schlicht nicht der richtige Zeitpunkt. Geschrieben habe ich immer, aber niemals Drehbücher. „Home“ ist mein erstes Langfilmdrehbuch und irgendwie hat jetzt alles gepasst.

Wo fühlen Sie sich heute wohler, vor oder hinter der Kamera?

Potente: Wenn es nach mir geht, möchte ich nur noch hinter der Kamera stehen. Natürlich muss man erstmal davon leben können, so schnell geht das nicht. Es kann schon mal ein, zwei Jahre dauern, einen Film zu finanzieren. Ginge es nach mir, würde ich schon nächsten Monat wieder drehen, Locations suchen oder Ähnliches. Ich mag die Schauspielerei und sie wird mich auch weiterhin begleiten. Aber sie wird mein Stiefkind sein.

Sie erwähnten bereits, dass auch das Drehbuch zu „Home“ aus Ihrer Feder stammt. Was war die Inspiration für die Handlung?

Potente: Sie war zum Teil visuell. Man sieht etwas, das man auf bestimmte Art und Weise ansprechend findet, und denkt sich: „Ich würde gerne eine Geschichte darüber erzählen.“ Ich wollte, dass sie einfach ist. Ich bin niemand, der eine Handlung wie die von „Game of Thrones“ oder eine Familiensaga schreiben kann. Ich mag kleine Geschichten mit wenigen Figuren und ich wollte die Geschichte eines Erwachsenen erzählen, der in seiner Jugend stecken geblieben ist und sich neu konfigurieren muss. Dann dachte ich: Was gibt es für Situationen, in denen jemand für ein paar Jahre „einfriert“? Eine Gefängnisstrafe ist solch eine Situation. Und der Kleinstadtkontext mit echten Figuren gefällt mir selbst auch als Zuschauer sehr gut. Am Ende hat sich alles zusammengefügt.

Hauptdarsteller Jake McLaughlin hat selbst eine spannende Lebensgeschichte. Er diente erst als Soldat im Irak, wurde schwer verletzt und kam dann über einen Job als Sicherheitsbeamter in Hollywood zur Schauspielerei.

Potente: Ja, er hat sehr viel mit (seiner Hauptrolle) Marvin gemein. Er ist – auch als Mensch – sehr berührend.

Wie kamen Sie auf ihn und was prädestinierte ihn für die Rolle des Protagonisten?

Potente: Ein, zwei Schauspieler, die ein wenig berühmter waren, hatten abgesagt und ich wollte schlicht jemanden, der rein zur Rolle passt. Dann sah ich sein Bild und er erinnerte mich an Ewan McGregor in „Trainspotting“ – britisch, rabaukenhaft, aber auch zart und somit genau das, was ich wollte. Dann hörte ich von seiner persönlichen Geschichte, traf ihn und er hat genau das ausgestrahlt. Beim Dreh versprühte er eine Art Magie. Man musste ihn vor sich selbst beschützen, weil er so viel unter der Oberfläche hatte. Es brach förmlich aus ihm heraus. Kathy Bates, eine absolute Vollblutschauspielerin, hat das geliebt. Mit dieser gegenseitigen Energie lädt man sich auf. Als Regisseur sitzt man da nur wie ein Mäuschen in der Ecke und schaut zu.

Mit Kathy Bates inszenierten Sie eine wahrhaftige Oscarpreisträgerin. Wie kann man so jemanden ins Boot holen?

Potente: Man geht den Weg über das Management und schickt ihr über die Casting-Frau das Drehbuch. Das liest zunächst ihr Team und wenn es als okay eingestuft wird, bekommt sie es. Kathy gefiel es und wir trafen uns. Sie war wahnsinnig liebenswert und stellte direkt klar, dass ich die Regisseurin bin. Natürlich war sie auch streng. Wir redeten über das Drehbuch und man sollte dann schon wissen, wovon man spricht.

Auch Ihr Ehemann Derek Richardson spielt in „Home“ mit. Wie war es, Ihm bei der Arbeit Anweisungen zu erteilen?

Potente: Die Menschen stellen sich immer vor, dass das (zwischen Regisseur und Schauspielern) so abläuft. Es existiert ein gewisser Stereotyp, so eine Art Cartoon-Regisseur, der sagt: „Jetzt mach mal das!“ So ist das aber gar nicht. Als Filmemacher respektiert man seine Schauspieler und er ist sehr in Vorleistung gegangen, hat 30 Kilo abgenommen und sich von allen am meisten für seine Rolle verändert. Seine Szenen gemeinsam mit Jake sind meiner Meinung nach die, die am meisten berühren. Es ist schön, wenn man zusammenarbeiten und gemeinsam mit seinem Partner kreativ sein kann. Man behandelt die Person dann aber genauso behutsam wie alle anderen auch.

Bestimmte die Arbeit auch Ihre privaten Gespräche nach Drehschluss?

Potente: Ja, aber es waren lange Tage und man ist sehr kaputt. Wir waren immer beflügelt davon, dass die Arbeit Spass gemacht hat, aber wenn man nach Hause kommt, bestimmt auch der Alltag wieder das Leben. „Du, weisst du, wo Georgies (Franka Potentes Tochter, Anm.d.Red.) Turnschuhe gelandet sind?“ und so weiter. Man ist schnell wieder in diesem Modus.

Als Schauspielerin standen Sie selbst bereits mit Top-Stars wie Johnny Depp, Matt Damon und Eric Bana vor der Kamera. Welche Zusammenarbeit ist Ihnen rückblickend am positivsten in Erinnerung geblieben?

Potente: Johnny Depp war total liebenswert. Matt war natürlich auch toll und auch Eric Bana war nett. Oftmals ist es projektabhängig, wie offen die Menschen sind. Matt war bei den „Bourne“-Filmen zum Beispiel viel stärker eingespannt als ich. Aber wie bei Kathy Bates erkannte ich auch bei Johnny Depp das, was man als die Textur eines echten Stars bezeichnen könnte. Er war einfach wahnsinnig grosszügig und musste niemandem etwas beweisen. Gleichzeitig übernahm er auch Verantwortung.

Mit wem würden Sie zukünftig gerne noch arbeiten – vor oder hinter der Kamera?

Potente: Melissa McCarthy wäre grossartig, Olivia Colman finde ich super und Martin Freeman ist wirklich lustig. Gerade liebe ich auch die Schauspieler der Serie „Succession“. Und der Klassiker ist natürlich George Clooney! Wenn es da mal was gäbe… Oft geht es einem da wie Quentin Tarantino. Er hat bestimmte Heroes aus seiner Jugend und holt sie in seine Filme. Wenn man an den Punkt kommt, wo das möglich wird, hat man es geschafft.

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