Oliver Masucci: „Wir müssen mehr Geld in deutsche Filme investieren“

Oliver Masucci verkörpert in

Quelle: Studiocanal GmbH / Julia Terjung

In „Schachnovelle“ spielt Oliver Masucci einen österreichischen Notar, der in Isolationshaft wahnsinnig wird. Im Interview verrät der Schauspieler, wie es war, einen Schizophrenen zu spielen und erklärt, warum beim deutschen Film oft das Geld fehlt.

Regisseur Philipp Stölzl (54) hat sich mit dem Film „Schachnovelle“, der am Donnerstag (23. September) in den deutschen Kinos startet, an einen echten Klassiker gewagt. In der Neuverfilmung des letzten Werks von Stefan Zweig (1881-1942) spielt Oliver Masucci (52) einen österreichischen Notar, der von der Gestapo in Isolationshaft gehalten wird.

Ein Schachbuch wird zur Rettung vor dem Wahnsinn, treibt ihn aber gleichzeitig in diesen. Die Literaturverfilmung ist eine der grossen Hoffnungen beim Deutschen Filmpreis – und hofft sogar auf einen Oscar. Warum Oliver Masucci die Rolle zunächst nicht spielen wollte, wie er nach den Dreharbeiten abschalten konnte und was das grosse Problem des deutschen Films ist, verrät er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Spielen Sie privat Schach?

Oliver Masucci: Nein. Als 16-Jähriger habe ich mal im Schullandheim gegen den Schachmeister der Klasse gespielt, das hat mich so frustriert. Ich habe nicht die Geduld und auch nicht das planerische Vorausschauen, weil ich eher aus dem Bauch agiere. Aber ich muss ja auch nicht Professor sein, um „Faust“ zu spielen.

Was hat Sie an der Rolle des Dr. Bartok fasziniert?

Masucci: Zunächst wollte ich die Rolle eigentlich gar nicht spielen. Bei der ersten Probe habe ich gemerkt, dass mir das eigentlich zu tief ist. Ich wusste nicht, ob ich mich mit Schizophrenie so weit auseinandersetzen möchte, weil ich ganz froh bin, dass ich mich gut im Griff habe. Das ist ein schwieriges Thema für Schauspieler. Ich war mir unsicher, ob ich das wirklich fünf Monate lang spielen will.

Was hat Sie dann doch überzeugt, die Rolle anzunehmen?

Masucci: Ein halbes Jahr nach der ersten Probe hat Philipp Stölzl angerufen und mir gesagt: ‚Wir haben keinen gefunden. Willst du es nicht doch machen?‘ Dann hat er mir das Storyboard zugeschickt, in dem der Film aufgedröselt war, jede Kameraeinstellung war als Comic gemalt, das fand ich extrem gelungen. Das hat mich dann richtig interessiert.

Und wie war es dann, fünf Monate lang einen Schizophrenen zu spielen?

Masucci: Das waren sehr anstrengende Arbeiten. Die haben nicht unbedingt Spass gemacht.

Wie konnten Sie da abends wieder runterkommen?

Masucci: Meine Freundin und meine Kinder halten mich am Boden. Und Rotwein – oder in Österreich Grüner Veltliner. Aber eigentlich kommt man da schwer raus. Nach zwölf Stunden Drehen bereitet man sich am Abend wieder auf den nächsten Tag vor. Eigentlich gibt es während der Zeit kein Entkommen. Nachdem wir die erste Phase der Haft und den Vorspann gespielt hatten, musste ich dann aber Gewicht abtrainieren. Da konnte ich mich ein bisschen entspannen.

Wie sind Sie das angegangen?

Masucci: Das habe ich in der Schweiz beim Nordic Skating gemacht. Ich hatte noch Gewicht von meinem vorherigen Projekt „Enfant terrible“ drauf, das ich die ersten Monate der Dreharbeiten für „Schachnovelle“ halten musste. Körperliche Arbeit hilft mir sehr beim Runterkommen. Deshalb finde ich auch schade, dass man beim deutschen Film keine Trainer gestellt bekommt. Die sollten von der Produktion engagiert werden. In den USA oder England ist das durchaus üblich.

Sie spielen inzwischen ja auch in einigen internationalen Produktionen mit, gerade haben Sie mit Jamie Foxx und Snoop Dogg in den USA einen Vampirfilm gedreht, und in „Phantastische Tierwesen 3“ sind Sie neben Mads Mikkelsen zu sehen. Haben Sie noch mehr Unterschiede zum deutschen Filmbetrieb bemerkt?

Masucci: Es gibt Filme, die würden in Deutschland nie finanziert werden. Im Grunde haben wir in Deutschland ja nur drei Genres: Tatort, also Crime, fucking Drama und Komödie. Für andere Genres gibt es leider oft kein Geld. Bei internationalen Produktionen kann man aus dem Vollen schöpfen, da ist alles da.

Sehen Sie Ihre Zukunft als Schauspieler dann eher beim internationalen Film?

Masucci: Es kommt auf die Rollen an. Wenn der deutsche Film tolle Rollen bietet, dann bleibe ich ihm auch treu. Wir müssen einfach mehr Geld in deutsche Produktionen investieren. Im Land der Dichter und Denker ist Kunst immer noch total schlecht subventioniert, in anderen Ländern sind die Fördersysteme viel besser. Es kommt nur alle Jubeljahre ein Film zustande, wie „Schachnovelle“. Ich hoffe, sie geht als deutscher Beitrag zum Oscar.

Gehen Sie eigentlich selbst gerne ins Kino?

Masucci: Ja, sehr gerne. Das war ja nur jetzt länger nicht möglich. Vorletztes Jahr habe ich von Torsten Koch, dem Chef der Constantin, eine Jahreskarte für ein Kino in München bekommen, da habe ich mich total drüber gefreut. Dann kam Corona und ich war mit meiner Jahreskarte nur genau ein Mal im Kino. Ich habe mir inzwischen einen Beamer angeschafft und mein eigenes Kino zu Hause geschaffen.

Sieht so das Kino der Zukunft aus? Jeder hat einen eigenen Beamer zu Hause?

Masucci: Nein, das glaube ich nicht. Die Konzepte werden sich ändern, es kommt mehr gleichzeitig raus, die Filme bleiben nicht so lange im Kino. Aber die Zukunft des Kinos sehe ich genauso wie die Zukunft des Theaters. Ins Kino gehen befriedigt ein anderes Bedürfnis, als einen Film zu Hause zu schauen. Es ist ein kollektives Erlebnis. Und das wird weiter bleiben.

Vermissen sie das Theaterspielen eigentlich?

Masucci: Nicht die Bohne. Ich kann mir schon eine Zukunft am Theater vorstellen, aber momentan habe ich einfach keine Zeit dafür. Ich stand seit ich zwölf war 30 Jahre lang auf der Bühne und habe alle Klassiker zerschlagen und wieder aufgebaut. Das habe ich auch sehr gerne gemacht, aber eigentlich wollte ich auf die Leinwand.

Mit welchem Regisseur wollen Sie noch unbedingt spielen?

Masucci: Da gibt es so viele. Tarantino ist natürlich einer der ganz Grossen. Oder Scorsese. Sich das zu wünschen, bringt aber nichts. Ich habe in meiner Karriere festgestellt: Überall wo ich dabei sein wollte, war ich nicht dabei.

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