„Borg/McEnroe“: Spannender Schlagabtausch ohne Doppelfehler

Natürlich lockt ein Film wie „Borg/McEnroe“ nicht so selbstverständlich wie ein neuer „Star Wars“ in die Kinos. Hier gilt aber: Wer wagt, der auch gewinnt.

Gibt man in Google den Begriff „Zählweise“ ein, wird er umgehend automatisch mit „Tennis“ ergänzt. Die Hatz um einen gelben Filzball, auch ungeachtet der dubiosen Punktevergabe, erschliesst sich wahrlich nicht allen Menschen. Kann also ein Film über die mitunter grössten Kontrahenten des Sports auch Tennismuffel ins Kino-Center-Cord treiben? Die Prognose: Wohl nicht allzu viele von ihnen – und das ist ein Jammer.

Die Geburt einer Hassliebe – oder ist es Liebeshass?

1980: Das traditionsreichste Tennisturnier, die Wimbledon Championships, steht vor der Tür und für den besten Tennisspieler der Welt soll es ein Triumphzug werden. Björn Borg (Sverrir Gudnason) kann zum fünften Mal den Titel holen. Jedoch hat seine lange, schon im Kindesalter begonnene Karriere Spuren hinterlassen. Borg ist müde, müde vom Erfolg, vor allem aber müde von seinen steten Begleitern, dem Medienrummel und dem Blitzlichtgewitter.

Davon ist John McEnroe (Shia LaBeouf) noch weit entfernt. Der 20-jährige aufstrebende Star will Borg vom Thron stürzen und ist fest entschlossen, Wimbledon zu gewinnen. Doch mehr und mehr fühlt er sich, ebenso wie Borg, als wäre er in einem Käfig gefangen. In der Medienwelt ist McEnroes aufbrausendes Temperament ein gefundenes Fressen und sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Den Zweikampf des Grundlinienspielers gegen den Angriffsspieler stilisieren sie immer weiter zum Kampf zweier Gladiatoren des Center-Cords hoch.

Eine Chance verdient

Was haben Ballett, Wrestling und die Formel 1 gemeinsam? Nun, zum einen erschliesst sich vielen Menschen nicht, wie man dafür Begeisterung aufbringen, davon fasziniert sein kann. Doch noch etwas anderes eint sie: Jeder der drei Sportarten wurde bereits ein Film gewidmet, der auch abseits der eingefleischten Fanlager Pflichtprogramm für jede Person war, der sich Cineast schimpft. Wie „Black Swan“, „The Wrestler“ (beide Darren Aronofsky) und „Rush – Alles für den Sieg“ (Ron Howard) hat sich nun auch „Borg/McEnroe“ eindrucksvoll in diese Liste gespielt – ganz ohne Doppelfehler.

Dr. Borg and Mr. McEnroe

Das mag zum einen an dem hollywoodreifen Stoff liegen. Es stimmt schon, das Leben schreibt mitunter die besten Drehbücher. Hetzt Kontrahenten aufeinander, die so unfassbar unterschiedlich sind, dass man sie als zu überzeichnet verunglimpfen würde, wären sie nicht in der Realität, sondern an einem Reissbrett in der Traumfabrik entstanden.

Der stoische, ruhige Schwede, der selbst im Angesicht bitterster Niederlagen ein Tennis-Gentleman blieb – und auf der anderen Seite der US-Wüterich, der den Linienrichter nach einem nicht gegebenen Punkt schon mal lauthals als Idiot beschimpfte und die gesamte Arena gegen sich aufbrachte. Natürlich befeuert der Film diese Gegensätze noch, dient als Wutkonzentrat McEnroes bester Ausraster. Diese künstlerische Freiheit ist angesichts der generellen Authentizität des Films aber nicht störend. Und das ist einer einfachen, im Vorfeld so nicht zu erwartenden Entscheidung hinsichtlich der Dramaturgie zu verdanken.

Advantage Borg

Denn anders als den beiden Rivalen James Hunt und Niki Lauda in „Rush“ räumt Regisseur Ronnie Sandahl seinen Titelhelden Borg und McEnroe nicht die gleichen Anteile ein. Auch wenn auf den ersten Blick McEnroe die einfachere, weil lautstärkere Entscheidung gewesen wäre, hat er Borg als seine Hauptfigur gewählt. Gefühlt ein Drittel des Streifens macht der US-Spieler aus – seine dezent cholerische Ader wird also nicht überstrapaziert.

Zu den beiden Hauptdarstellern: Es ist schon beeindruckend, wie der weitestgehend noch unbekannte Schwede Sverrir Gudnason seiner Vorlage ähnelt. Keine Selbstverständlichkeit, schliesslich spielt der 39-Jährige einen damals 24 Jahre alten Björn Borg. Die Intensität, mit der der Öffentlichkeitsdruck an dem introvertierten Mann nagt und droht, ihn zu zerreissen, ist meisterhaft gespielt. Und auch für John McEnroe wurde in Person von Shia LaBeouf die perfekte Besetzung gefunden. Eine, die die Konsequenzen zu grossen Mediendrucks eindrucksvoll schon am eigenen Leib demonstriert hat – Papiertüte über den Kopf gefällig?

Fazit:

Spiel, Satz und Sieg: Mit „Borg/McEnroe“ gelingt es einem weiteren Streifen, sich in die illustre Riege jener Sportfilme zu kämpfen, die für jeden Kinogänger interessant sind. Die Hürde, das Ticket für einen Tennisfilm zu lösen, könnte manchem Skeptiker vielleicht zu hoch sein – dann entgeht ihm aber ein eindringliches Drama auf und abseits des Platzes. Einen Vorteil haben Tennismuffel aber im Gegensatz zu Fans des Sports: So manch einer von ihnen wird nicht wissen, ob es Borg tatsächlich gelang, seinen fünften Titel in Folge zu holen – oder dabei jäh von dem Grossmaul aus den USA ausgebremst wurde.

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