„Auslöschung“: Schöner ging die Menschheit noch nie zugrunde

Zu schlecht für das Kino? Filmische B-Ware? Dass Alex Garlands neuer Film „Auslöschung“ hierzulande nicht ins Kino kommt, hat nichts mit mangelnder Qualität zu tun. Das Gegenteil ist der Fall.

Wem der Name Alex Garland etwas sagt, der wird sich den 12. März und den damit verbundenen Start von „Auslöschung“ bei Netflix bereits im Kalender notiert haben. Ja, behaupten wir jetzt einfach mal. Denn Garland ist nur für die Leute ein klangvoller Name, die ihn mit dem herausragenden Film „Ex Machina“ verbinden, der Alicia Vikanders steile Karriere bis hin zum Oscargewinn initiierte. Oder ihn für seine Tätigkeit als Drehbuchautor bei „28 Days Later“ und „Sunshine“ feiern. Allzu oft fliegt sein Name und damit auch seine Filme unter dem Radar der Öffentlichkeit – und das wäre im Fall von „Auslöschung“ wahrlich ein Frevel.

Es schimmert

Plötzlich ist es einfach da. Im wahrsten Sinne aus heiterem Himmel gefallen. Eine seltsame, wabernde Barriere, die ein kleines Stückchen der Erde für sich annektiert hat – so in etwa muss das Ende eines Regenbogens aussehen. Innerhalb der betroffenen Region hat sich ein weltfremdes Habitat gebildet, dessen Erforschung sich Wissenschaftler und das Militär alsbald zur Aufgabe gemacht haben. Jedoch mit einem Problem:

Das Konstrukt scheint semipermeabel zu sein, soll heissen: einzudringen in die „Area X“ ist kein Problem, nur nach draussen ist noch nie etwas gelangt – mit einer einzigen Ausnahme, die vor allem die junge Biologin Lena (Natalie Portman) betrifft. Gemeinsam mit vier weiteren Frauen wagt schliesslich auch sie sich in die unwirkliche Welt innerhalb des „Schimmers“ und wünscht sich schon bald, es nicht getan zu haben.

Wir sind zu dumm

Hatte Filmemacher Christopher Nolan mit „Interstellar“ oder „Inception“ nicht eigentlich den Beweis angetreten, dass Blockbuster nicht zwangsläufig simple Filme sein müssen? Dass die Zuschauer durchaus gefordert werden wollen – vielleicht, weil ihnen in der Vergangenheit nur allzu oft diese Qualität bevormundend abgesprochen wurde? Und dennoch ist die Geschichte von „Auslöschung“ die Geschichte eines Films, der als zu intellektuell für die breite Masse angesehen wurde. Die internationalen Rechte landeten bei Netflix, der Streifen somit nicht auf der grossen Leinwand.

Und das ist wahrlich ein Jammer. Denn selbst der grösste Fernseher eines Technikfreaks ist nicht annähernd gross genug, um „Auslöschung“ gerecht zu werden. So ähnlich wie „Gravity“ als einer der wenigen Filme den Gang in eine 3D-Vorstellung rechtfertigte, so sehr würde der optisch beeindruckende Film von Alex Garland von einer Vorführung im Kino profitieren – was nicht heissen soll, dass er im heimischen Wohnzimmer nicht ebenfalls wunderschön anzuschauen ist.

Das alles lässt den frustrierenden Blick in die Kristallkugel und die Schlussfolgerung zu: Wäre Stanley Kubrick erst heutzutage seine „Odyssee im Weltraum“ angetreten, sie hätte es wohl nicht ins Kino geschafft. Nein, ganz so eine bahnbrechende Sci-Fi-Offenbarung ist „Auslöschung“ nicht, ein passender Vergleich ist es allemal.

Starke Frauen

Der 8. März alias Weltfrauentag wäre eigentlich der perfekte Starttermin für „Auslöschung“ gewesen. Denn der Film strotzt vor starken, weiblichen Führungsrollen, allen voran natürlich Portmans Figur Lena. Doch auch Jennifer Jason Leigh und vor allem Gina Rodriguez stehen auf der komplett weiblichen Expedition ihre Frau. Wie bereits in Garlands Regiedebüt „Ex Machina“ ist zudem wieder Oscar Issac mit von der Partie, der spätestens seit „Star Wars“ in der A-Riege Hollywoods angelangt ist, zum Glück aber immer noch gerne bei kleineren Produktionen mitwirkt.

Ein emotionaler Wechselbalg

Wie beschreibt man nun am besten die Erfahrung, die einen während „Auslöschung“ zuteilwird? Es fällt aussergewöhnlich schwer, da jeder etwas anderes aus dem Film, aus seiner Bedeutung und aus seinem Ende ziehen wird. „Auslöschung“ ist „Das Ding“, „Arrival“, „Under the Skin“ und „Alien“ in einem – und doch etwas Eigenständiges. Er lädt nicht nur zur Diskussion danach ein, er verlangt es regelrecht. Interpretation ist ausdrücklich erwünscht, nicht alle Fragen werden befriedigend oder überhaupt beantwortet. Und darauf könnte sehr wohl ein Grossteil der Zuschauer schlicht und ergreifend keine Lust haben.

Auch, weil sie sich durchaus vom Trailer in die Irre geführt fühlen könnten. Der verheisst auf den ersten Blick wesentlich höheren Action-Anteil, als der Film letztendlich bietet – wo wir wieder bei „Arrival“ wären. Zu schlechten Filmen macht sie das beide nicht, im Gegenteil. Es führt jedoch zu einer Disparität zwischen den vom Trailer angesprochenen Menschen und der eigentlichen Zielgruppe des Streifens – Letztere lassen den Film daher aus, Erstere bezeichnen ihn als Schnarchfest, beide Seiten verlieren – nebst den Machern.

Fazit:

Damit es nicht zu dieser Lose-Lose-Situation kommt, hier die eindringliche Empfehlung: Wer etwas mit den oben genannten Filmen anfangen kann, der wird auch an „Auslöschung“ seine schimmernde Freude haben. Garlands Werk ist wieder einmal einer dieser Filme, die man mit so wenig Vorwissen wie möglich erleben sollte. Einzig darauf gefasst sein sollte man, dass es eben keine Action-Orgie bietet. Und: Der Gang zum Kino entfällt. Wer ohnehin schon einen Netflix-Zugang sein eigen nennt und Science Fiction nicht zum filmischen Todfeind erklärt hat, der hat eigentlich keine Ausrede.

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