„Roman J. Israel, Esq“: Idealismus muss man sich leisten können

Roman J. Israel, Esq“ lautet der sperrige Name des neuen Films mit Denzel Washington. Nicht nur beim Titel macht es einem der Streifen nicht leicht.

Den Preis für den unattraktivsten Filmtitel hat Regisseur Dan Gilroy mit „Roman J. Israel, Esq“ zweifelsohne verdient. Wohl auch deshalb sah man sich hierzulande genötigt, ihm den Zusatz „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ zu geben – was die Sache nur bedingt besser macht. Zwar darf sich das Gerichtsdrama auf die Fahnen schreiben, in Person von Denzel Washington (63, „Flight“) einen nominierten Hauptdarsteller der diesjährigen Oscars zu haben, muss sich aber auch den Vorwurf gefallen lassen, sonst herzlich wenig zu bieten.

(K)ein Gewinnertyp

Roman J. Israel (Washington) ist ein Leben in der zweiten Reihe gewöhnt. Als Anwalt mit fotografischem Gedächtnis ist er der perfekte Jurist, solange er in seinem stillen Kämmerlein arbeiten darf. Einen Gerichtssaal hat er aber schon seit Jahren nicht mehr von innen gesehen und das ist angesichts seiner weltfremden sowie zuweilen schroffen Art keine so schlechte Sache. Bis sein Partner, der all die Zeit die öffentlichen Auftritte des Duos übernahm, plötzlich an den Folgen eines Herzinfarktes stirbt.

Auf einen Schlag muss sich Roman nach einem neuen Job umsehen. Denn idealistisch waren die Fälle, die seine kleine Kanzlei übernahm – lukrativ aber nicht. Schnell eilt ihm sein Ruf als genialer Zuarbeiter voraus und er findet eine Anstellung bei George Pierce (Colin Farrell, 41), einem auf den ersten Blick aalglatten Rechtsanwalt, dem das Schicksal seiner Klienten herzlich egal ist, solange die Bezahlung stimmt. Auch auf Roman, der in seiner Blütezeit als Bürgerrechts-Aktivist tätig war, aus seiner Sicht immer für die rechtschaffenen Dinge eingestanden ist und der sich bislang moralisch nichts vorzuwerfen hatte, übt das liebe Geld plötzlich eine immense Anziehungskraft aus. Warum sollen eigentlich immer nur die anderen in Saus und Braus leben?

Ist der Ruf erst ruiniert…

„Roman J. Israel, Esq“ kommt als interessante Charakterstudie daher. Die Opportunisten-Dichte ist wohl nicht erst seit der Ära der Abmahn-Anwälte hoch, was geschieht also, wenn ein durch und durch idealistischer Mann aufgrund widriger Umstände plötzlich beschliesst, auch mal seinen Teil vom Kuchen abgreifen zu wollen? Und was geschieht, wenn er es binnen kürzester Zeit selbst für die abgezocktesten Haie im Becken übertreibt und alles verrät, woran er all die Jahre geglaubt, wofür er all die Jahre gekämpft hat?

Washington mimt zwar gewohnt gekonnt den kauzigen Anwalt, ob die Darbietung aber unbedingt eine Oscar-Nominierung nach sich ziehen musste, daran werden wohl einige Zuschauer zweifeln. Es ist zuweilen frustrierend, weil „Roman J. Israel, Esq“ immer wieder daran kratzt, einen mitzureissen, nur um emotional umgehend wieder ein paar Gänge zurückzuschalten. Wie eine Karotte, die so nah und doch unerreichbar direkt vor der Nase eines Esels baumelt, so hechelt der Zuschauer einem Höhepunkt im Film hinterher, der nie kommt. Was nach den zwei Stunden Laufzeit übrig bleibt, ist nicht unbedingt ein Gefühl der Zeitverschwendung – dafür ist Washingtons Performance dann doch zu gut -, aber alles in allem das von ziemlicher Belanglosigkeit.

Fazit:

Wer eine actiongeladene Geschichte erwartet, ist bei „Roman J. Israel, Esq“ fehl ab Platz. Es wäre aber falsch, dies dem Streifen anzukreiden, schliesslich will er das auch gar nicht bieten. Viel schwerer wiegt, dass einen die Dramaturgie des Films von Dan Gilroy weitestgehend erschreckend kalt lässt – und das ist nicht die beste Voraussetzung für ein Drama.

Vorheriger ArtikelBilly Howerdel von A Perfect Circle: «Ich bin weg vom Rock-Schema»
Nächster Artikel„Stronger“: Es braucht nicht immer einen Helden