„The Favourite – Intrigen und Irrsinn“: Wenn die Queen verrückt spielt

Olivia Colman, Emma Stone und Rachel Weisz liefern sich in „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ einen besonders skurrilen Schlagabtausch.

Das Kostümdrama „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“, das hierzulande ab 24. Januar in die Kinos kommt, mischt die Award Season mächtig auf. Nach dem Golden Globe für Olivia Colman (44, „The Crown“) in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin – Komödie oder Musical“ für ihre Performance als Königin Anne ist ein kleiner Hype entstanden. Bei den British Academy Film Awards ist der Streifen gleich zwölf Mal nominiert und auch für die Oscars gilt der Film neben „Roma“ mit zehn Nominierungen als Favorit. Doch ist dieser Hype gerechtfertigt?

Machtspiele am königlichen Hof

Das frühe 18. Jahrhundert. Es herrscht Krieg zwischen England und Frankreich. Am königlichen Hof wird trotzdem weiter geprotzt statt gekleckert. Die gebrechliche und kranke Königin Anne (Olivia Colman) lässt die Regierungsgeschäfte eher von ihrer engen Freundin Lady Sarah (Rachel Weisz) führen, die ihre Launen erträgt. Doch dann kommt Abigail (Emma Stone) an den Hof. Sarah nimmt sie unter ihre Fittiche. Als Abigail hinter ein schlüpfriges Geheimnis kommt, verfolgt sie aber fortan eigene Ziele. Sie will Sarah als Vertraute der Königin ersetzen. Doch der ist die aufkeimende Freundschaft der beiden Frauen natürlich ein Dorn im Auge…

Drei starke Darbietungen

„The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ ist kein klassischer Historienfilm. Das Setting mag zwar klassisch daherkommen, doch einen solchen Zickenkrieg am englischen Hof hat es auf der grossen Leinwand wohl noch nie gegeben. Die Ausstattung, die Kostüme, alles stimmt. Doch die Umsetzung, der Film ist in mehreren Akten unterteilt und nutzt Slow-Motion-Einstellungen, ist durchaus ungewöhnlich. So manchen wird der Streifen nach dem Verlassen des Kinosaals verwirrt zurücklassen. Was hat man da nur gesehen in diesen zwei Stunden? Eine Antwort wird vielleicht nicht jeder finden. Der Film hallt aber auf jeden Fall nach.

Das liegt vor allem an den starken Darbietungen der weiblichen Darstellerinnen: Olivia Colman als Königin Anne, Rachel Weisz (48) als Lady Sarah und Emma Stone (30) als Abigail. Die Oscar-Nominierungen, die alle drei 2019 erhalten haben, werden niemanden, der diesen Film gesehen hat, überraschen. Allen voran Colman in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ geht in ihrer Rolle als kranke, gebeutelte und doch durchtriebene Königin völlig auf. Ob das ein Vorgeschmack auf ihre Darbietung als Königin Elizabeth II. in „The Crown“ war?

Die aktuelle Königin von England scheint allerdings kaum etwas mit Anne aus „The Favourite“ gemeinsam zu haben. Anne wirkt innerlich zerrissen, gebeutelt von der Gicht, unschlüssig in Regierungsfragen, dennoch luxusverliebt, ohne Filter und ohne Vorstellungen für das echte Leben sowie eifersüchtig und rachsüchtig bis ins Mark. Olivia Colman liefert eine Glanzleistung ab, der man als Zuschauer zuweilen mit Freude aber auch Ekel begegnet. Eine explosive Mischung, die auf zwei weitere explosive Mischungen trifft.

Fast hätte man vergessen können, dass Rachel Weisz bereits einen Oscar in der Tasche hat. 2006 bekam sie den Goldjungen in der Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ für „Der ewige Gärtner“. Ihre Beziehung zu 007 Daniel Craig sorgte zuletzt für mehr Aufsehen als ihre schauspielerischen Leistungen. Doch in „The Favourite“ macht sie deutlich, dass dieser Goldjunge nicht ohne Grund bei ihr zu Hause steht. Die durchtriebene Lady Sarah lehrt einen das Fürchten und ist nicht weniger facettenreich wie ihre Gespielin Königin Anne. Ein kleines Mysterium bleibt sie dennoch.

Emma Stone konnte den Oscar 2017 mit nach Hause nehmen, für ihre Hauptrolle in „La La Land“. Für „The Favourite“ geht sie neben Weisz als „Beste Nebendarstellerin“ ins Rennen um den Goldjungen. Stones Figur durchläuft im Film die grösste Wandlung. Von der schüchtern anmassenden Gefallenen zum berechnenden Biest, das glaubt alle Zügel in der Hand zu haben. Drei starke Frauenrollen, die stark besetzt wurden. Die Ladys pushen sich förmlich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Ein wirklich besonderer wie sonderbarer Zickenkrieg!

Bei all der Frauenpower geraten die Herren der Schöpfung tatsächlich zur Nebensache. Eine willkommene Abwechslung für eine Film – nicht nur als Favorit in der Award Season. Nicholas Hoult (29, „Warm Bodies“) fällt vor allem dadurch auf, dass er mehr Make-up im Gesicht zu haben und pompösere Kleidung zu tragen scheint als seine weiblichen Co-Stars. Joe Alwyn (27, „Die irre Heldentour des Billy Lynn“) dagegen, der Freund von Pop-Star Taylor Swift (29, „Gorgeous“), wird wahrlich zum Spielzeug degradiert, nett anzuschauen, mehr auch nicht.

Fazit

Ob „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ nur der Liebling in der Award Season bleibt oder sich auch in den Herzen des Kinopublikums festsetzen wird, bleibt abzuwarten. Die schauspielerischen Leistungen von Colman, Stone und Weisz sollten sich deren Fans nicht entgehen lassen. Liebhaber von Historienfilmen seien, wie bereits erwähnt, vorgewarnt. Es ist ein etwas anderer Kostümfilm, mit einem Ende, das nicht jeden befriedigen wird. Wer es anders, schrill und verrückt mag, sitzt auf jeden Fall im richtigen Kinosessel.

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