„Creed II: Rocky’s Legacy“: Ein Box-Drama ohne emotionale Schlagkraft

Ring frei für Runde zwei: Am 24. Januar startet „Creed II: Rocky’s Legacy“ in den Kinos. Ein klarer Punktsieger oder ein bitteres Kino-K.o.?

Creed gegen Drago, die USA gegen die Sowjetunion, Gut gegen Böse: Im Jahr 1985 gab es diesen bedeutungsschwangeren Kampf in „Rocky IV“ bereits. Mit tragischen, weil tödlichen Folgen für den „King of Sting“. Die UdSSR ist inzwischen Geschichte, für den Rest ist in „Creed II: Rocky’s Legacy“ (ab 24. Janaur) dank des Duells der beiden Söhne von Apollo Creed und Ivan Drago gesorgt. Was könnte da dramaturgisch schon schiefgehen?

Geschichte wiederholt sich

Drei Jahre nach seiner knappen Niederlage gegen „Pretty“ Ricky Conlan ist Adonis Creed (Michael B. Jordan) an der Spitze angekommen. Als Schwergewichts-Weltmeister und mit Rocky Balboa (Sylvester Stallone) an seiner Seite erlangt er weltweiten Ruhm – ein Umstand, auf den zwei Männer nur gewartet haben. Ivan Drago (Dolph Lundgren) hat in der Trostlosigkeit einer ukrainischen Plattenbausiedlung aus seinem Sohn Viktor (der Deutsche Florian Munteanu) eine Abrissbirne in Menschengestalt geformt.

Rache ist Dragos einzige Motivation. Denn nach der Niederlage gegen Balboa vor über 30 Jahren war das Ansehen des „Siberian Express“ futsch – so wie seine Frau Ludmilla (Brigitte Nielsen), die in ihrem eiskalten Herz keinen Platz für Verlierer hat. Ebenso wenig wie für ihren einzigen Sohn. Und so macht sich das hasserfüllte Vater-Sohn-Gespann auf, um auch den zweiten Creed von der Erdoberfläche zu wischen. Der wiederum ist selbst ausgesprochen erpicht auf den Kampf, denn auch er sinnt – zum Schrecken seines Mentors Rocky – nur auf Vergeltung.

Der Kampf des neuen Jahrhunderts

Die Söhne kämpfen nun also um die lang verlorene Ehre ihrer Väter. Die Prämisse von „Creed II“ ist verheissungsvoll, ebenso wie der Beginn des Films. Fans der Reihe dürfte ein sibirisch-kalter Schauer über den Rücken laufen, wenn sich Ivan und Rocky in dessen Restaurant gegenübersitzen, zwei Relikte einer anderen Zeit. War ihr Kampf einst ein Stellvertreterscharmützel des Kalten Krieges, werden sie nun ihrerseits im Ring vertreten.

Diese tolle Ausgangslage sorgt aber auch dafür, dass mit sehr hohen, zu hohen Erwartungen ins Kino gegangen wird. Das Drama rund um Hauptfigur Adonis entfaltet sich in eine problematische Richtung, weinerlich und unsympathisch wirkt er über weite Strecken des Films. Nur um vor der unumgänglichen Trainings-Montage die noch unumgänglichere Lehre zu erhalten: Onkel Rocky weiss es einfach am besten. Erinnerungen an den mässigen fünften Teil der „Rocky“-Saga werden wach, in dem Stallone schon einmal als zerknirschte Mentor-Figur herhalten musste.

Ich hab‘ nur was im Auge

Um im Box-Jargon zu bleiben: „Creed“ war noch ein emotionaler Wirkungstreffer. Der einst unbesiegbare Rocky, vom Krebs gezeichnet, kam darin kaum noch die berühmten Stufen am Eingang des Philadelphia Museum of Art in Philadelphia hinauf. Seine Stufen. Die „Rocky Steps“. Hier wurden unweigerlich sehr viele (mitunter sehr männliche) Tränen im Kinosaal vergossen. Und das war gut. Denn die „Rocky“-Reihe steht seit jeher und trotz des immensen Testosteron-Überschusses eben auch für Drama auf der anderen Seite der Ringseile.

„Creed II“ versucht es redlich, daran anzuknüpfen. Wo sein Vorgänger abseits des Boxrings gefühlvoll war, neigt Teil zwei zu Gefühlsduselei. Zu toppen war Rockys einsamer Kampf gegen den eigenen Körper ohnehin nicht mehr, versucht wird es dennoch mit aller Macht. Statt sich darauf einlassen zu können, dürften die meisten Zuschauer stattdessen aber nur auf das finale Faust-Trommelfeuer um Ruhm und Sühne warten.

Doch obwohl Munteanu ein Bär von einem Mann ist und sich auch Jordan noch einmal mehr aufgepumpt hat, derselbe fulminante Punch des ersten „Creed“ will auch im Ring nicht mehr fallen. Den hatte damals noch Regisseur Ryan Coogler eindrucksvoll gesetzt, sein Nachfolger Steven Caple Jr. verliert klar nach Punkten.

Je besser der Bösewicht…

Das grösste Versäumnis von „Creed II“ ist aber in der anderen Ringecke zu finden. Die Regie-Anweisung an Lundgren lautete offenbar, die Mundwinkel in jeder Szene wie eine überengagierte Merkel-Imitatorin herunterzuziehen. Hier verschenkt der Streifen weitestgehend das Potenzial, das die Dragos und ihr tiefer Fall bereitgestellt hätten. Wesentlich mehr als auf „Creed III“ macht der Film daher Lust auf einen „Drago I“, um diesem Defizit entgegenzuwirken.

Doppelt schade, denn allen Beteiligen ist die Lust deutlich anzumerken. Der deutsch-rumänische Schwergewichtsboxer Munteanu liefert ein wortkarges, aber interessantes Debüt. Lundgren hat gefühlt seit Mitte der 80er auf sein Drago-Comeback gewartet und natürlich auch Stallone selbst, zwar zunehmend in den Hintergrund gerückt, sprüht vor Spielfreude. Einzig die Gelegenheit dazu bietet sich keinem von ihnen.

Fazit:

Der herausragenden Ausgangslage, die durch die „Rocky“-Reihe im Allgemeinen und „Creed“ im Speziellen geschaffen wurde, wird „Creed II“ bedingt gerecht. Noch einmal das hohe Niveau des Vorgängers im und ausserhalb des Rings zu liefern, war ohnehin ein unmögliches Unterfangen. Ein K.o.-Schlag ist Runde zwei von „Rocky’s Legacy“ nicht, in die Annalen dürfte sie aber ebenso wenig eingehen.

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