„Beale Street“: Frustrierend und aufmunternd zugleich

Wichtiges Zeichen: Wie seine Hauptfiguren will sich der Film „Beale Street“ trotz schwerer Thematik nicht seines Optimismus‘ berauben lassen.

1964 wurde in den USA der Civil Rights Act verabschiedet, der die Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen als illegal deklariert. Im selben Jahr bekam der afro-amerikanische Menschenrechtler Martin Luther King für seine Bemühungen den Friedensnobelpreis überreicht. Beides grosse Errungenschaften auf dem Papier. Erstmals in seiner jungen Geschichte schien es so, als habe das „Land der Freien und Heimat der Tapferen“ seinen hochtrabenden Namen auch verdient. Doch Filme wie „Beale Street“ (Kinostart: 7. März) halten uns so dringend notwendig vor Augen, dass dem noch lange Zeit später nicht so war – und noch immer nicht ist.

Eine schicksalshafte Liebe

Harlem, 70er Jahre: Alonzo „Fonny“ Hunt (Stephan James, „Selma“) und Tish Rivers (KiKi Layne) kennen sich schon ihr gesamtes, noch so junges Leben. Und auch, wenn sie es erst viel später wussten, spürten sie doch immer: Wir sind füreinander bestimmt. Was stört es da, dass seine überreligiöse Familie ihre zarte Liebe mit Argwohn beäugt, sie aus ärmlichen Verhältnissen stammt und beide noch nicht so genau wissen, was die Zukunft ausser des jeweils anderen bereithält? Nicht Geldsorgen oder Familienstreitigkeiten entpuppen sich als das grösste Problem ihres Glücks, sondern der banalste und gleichzeitig frustrierendste Aspekt: ihre Hautfarbe.

Obwohl er die Tat unmöglich hat begehen können, wird Fonny wegen der Vergewaltigung einer Frau aus Puerto Rico ins Gefängnis gesteckt. Deren Zeugenaussage sei unter der massiven Einflussnahme eines weissen Polizisten entstanden, sind sich Tish und ihre Familie sicher. Doch das zu beweisen kostet nicht nur viel Kraft und Ellbogeneinsatz, sondern auch Geld. Was sie aber selbstredend nicht davon abhält, den ungleichen Kampf einzugehen – zumal Tish schwanger ist und ihr Kind auf keinen Fall ohne Fonny aufwachsen soll. Ausserdem, wie ihr Vater Joseph (Colman Domingo) an einer Stelle zweckoptimistisch feststellt: „Wir hatten unser gesamtes Leben noch nie Geld – warum sollten wir uns jetzt auf einmal darum Sorgen machen?“

Das Glück ist nur einen Schmetterlingsschlag entfernt

Unschuldiger als zwischen Fonny und Tish könnte die Liebe nicht sein. Regisseur Barry Jenkins inszeniert ihre Beziehung einerseits mit subtilen, schüchternen Blicken, andererseits mit glasklaren Liebesbekundungen: „Ich werde dir nie wehtun“, verspricht der erst 22-jährige Fonny seiner Tish, kurz bevor sie das erste Mal miteinander schlafen. Entgegen manch eines liebestollen Jungspunds, der seine Flamme einfach nur ins Bett kriegen will, meint er es aber ernst. Das spürt Tish, das spürt der Zuschauer.

Schnitt. Ihre Unzertrennlichkeit trennt nun doch etwas: die Glasscheibe im Besucherraum des Gefängnisses, in dem Fonny sich plötzlich wiederfindet. Erst dort erfährt er, in rund einem halben Jahr Vater zu sein – und bricht trotz seiner misslichen Lage in freudiges Gelächter aus. Gott werde es bestimmt nicht zulassen, dass sein Familienglück auf so ungerechte Weise zerstört wird, ist er sich sicher. Nur um wenig später feststellen zu müssen: Die Wege des Herrn sind unergründlich.

Ensemble überzeugt fast ausnahmslos

Die Darbietungen von Fonny-Darsteller Stephan James und KiKi Layne (Tish) können nicht genug hervorgehoben werden. Regisseur Jenkins rückt zuweilen bildschirmfüllend ihre Gesichter in den Mittelpunkt, in denen man von anfänglichem Optimismus bis hin zu purer Verzweiflung jede Emotion glaubhaft ablesen kann, zu der ein Mensch fähig ist. So schleicht sich selbst in den düstersten Stunden immer wieder ein herzhaftes Lachen zwischen den beiden ein – wie es manchmal einfach notwendig ist, wenn um einen herum alles zerfällt.

Auch kann der Zuschauer im Nachhinein verstehen, warum Schauspielerin Regina King, die Tishs Mutter Sharon spielt, rund zwei Wochen vor dem Kinostart den Oscar als „Beste Nebendarstellerin“ erhielt. Ihre Figur kämpft an Fronten, an denen es ihre Tochter nicht kann: etwa in Puerto Rico, um sich mit dem Vater des Vergewaltigungsopfers (kurz aber grossartig von „Game of Thrones“-Star Pedro Pascal gespielt) zu unterhalten. Allein für deren herzzerreissendes Gespräch an einem Restaurant-Tisch hat sich King ihren Oscar verdient.

Viel zu überzeichnet wirken derweil Fonnys Verwandte, vor allem seine Mutter und seine zwei Schwestern. Deren verachtenswerter religiöser Fanatismus wird derartig mit der Brechstange übermittelt, dass der Zuschauer glatt mit Fonnys Vater sympathisiert, als der seiner Frau einen heftigen Schlag verpasst. Und das, Herr Jenkins, geht gar nicht. So feinfühlig er die Liebe darbietet, so plump fällt die Religionskritik aus – und damit durch.

Noch immer relevante Sozialkritik

Besser macht er es bei der Sozialkritik. Fonny und Tish leben in einer Zeit, in der sie es als traurigen aber normalen Alltag ansehen, diskriminiert zu werden. Wodurch das ihnen widerfahrende Unrecht umso gravierender wird. „Wo ist der Haken?“, wundert sich Fonny, als er und Tish nach monatelanger Suche den Zuschlag auf eine Bruchbude von einer Wohnung bekommen. Dass es keinen gibt, können sie zunächst kaum glauben und schreien wenig später vor Glück. Nicht die Entrüstung über das Verwerfliche macht „Beale Street“ zu einem Film mit starker Aussage, sondern die überschwängliche Freude über das eigentlich Selbstverständliche.

Fazit:

Mit „Beale Street“ ist Filmemacher Barry Jenkins nach „Moonlight“ ein weiterer Film gelungen, der neben seinen Hauptdarstellern vor allem mit seiner Inszenierung punkten kann. Ganz reicht er aber dann doch nicht an den Oscargewinner („Bester Film“) von 2017 heran. Dafür überzeichnet er in einem insgesamt subtilen Film einige Charaktere viel zu sehr.

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