„The Dead Don’t Die“: Zum Totlachen oder sterbenslangweilig?

Arthouse trifft auf Horror-Comedy trifft auf Sozialkritik: Jim Jarmuschs „The Dead Don’t Die“ war wie gemacht für das Filmfest von Cannes. Aber trifft das auch aufs normale Kino zu?

„Stranger Than Paradise“, „Down By Law“, „Dead Man“ – der US-amerikanische Autorenfilmer Jim Jarmusch (66) spricht in all seinen Werken eine unverwechselbare Filmsprache: gerne absurd, zumeist träge und stets politisch. Doch wie lässt sich diese aufs Genre der Horror-Komödie übersetzen, das Jarmusch mit seinem neuesten Film „The Dead Don’t Die“ (ab 13. Juni im Kino) ergründet? Nun, jedenfalls nicht auf eine Art und Weise, die dem Grossteil des Kinopublikums zusagen wird. Das sollte beim Blick auf den Regiestuhl aber ohnehin klar gewesen sein.

„Ghule!“

Was ist nur los im kleinen Örtchen Centerville? Trotz Abendstunde will die Sonne einfach nicht untergehen, zahme Haustiere attackieren plötzlich ihre Herrchen und zu allem Überfluss erheben sich auch noch die Untoten aus ihren Gräbern. Die meisten Bewohner glauben zunächst noch an den Angriff eines wilden Tieres (oder mehrerer), als sich die ersten Leichen mit Bisswunden anhäufen. Nur der junge Polizist Ronald Peterson (Adam Driver) kommt auf die naheliegende und tatsächlich zutreffende Erklärung für die Todesfälle: Zombies, auferweckt durch die Verschiebung der Erdachse, hervorgerufen durch Fracking an den Polen. Oder wie er es kurz fast: „Ghule!“

Gemeinsam mit seinen Partnern Cliff Robertson (Bill Murray) und der dezent hysterischen Minerca Morrison (Chloë Sevigny) macht sich Peterson daraufhin ans Werk, die schrulligen Bewohner des beschaulichen Städtchens so gut es geht gegen die wachsende Horde Zombies zu verteidigen. Übrigens obwohl er sich sicher ist, dass „das alles kein gutes Ende nehmen wird“. Woher er das weiss? Na, er hat das Drehbuch gelesen…

Mit dem Strom gegen den Strom

Es haben sich viele Konventionen und Klischees gebildet, seit George R. Romero mit seinem Film „Die Nacht der lebenden Toten“ von 1968 das Zombie-Genre endgültig salonfähig machte. Jarmusch scheint es sich in „The Dead Don’t Die“, dem Eröffnungsfilm der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes, nun zur Aufgabe gemacht zu haben, zunächst sämtliche von ihnen aufzugreifen und sie im Anschluss zu negieren.

Der Spinner, der von Sekunde eins an die Zombie-Apokalypse ausruft? Ihm wird quasi ebenso schnell geglaubt. Der Leichnam in der Polizeistation, der zum Schock aller wiedererweckt wird? Der interessiert sich mehr für Chardonnay als für GEHIRN! Und das hübsche, unschuldige Mädchen aus der Stadt, als „Final Girl“ etabliert, das normalerweise bis zum Ende durchhält? Schwups, tot, Zombiefutter – Off-Screen!

Konsum-, Politik- und Umweltkritik

Apropos Chardonnay: wenig subtil setzt Jarmusch mit „The Dead Don’t Die“ zur Konsumkritik an. Dem einen Untoten gelüstet es nach Alkohol, die jüngeren Zombie-Semester krächzen nach günstigem Kabelfernsehen oder kostenlosem WIFI, während sie durch die ausgestorbenen Strassen wanken. Noch mehr Holzhammer ist bei der Politik-Kritik angesagt. Wer per Fracking Mutter Natur vergewaltigt, der beschwört die (Zombie-)Apokalypse herauf. Doch Untote, die starr auf ihre Handys gaffen, sind keine neue Analogie. Das Kofferwort Smombie (Smartphone + Zombie) hat es längst ins Lexikon geschafft, 2015 war es das Jugendwort Nummer eins und bereits 2004 machte sich die Zombie-Komödie „Shaun of the Dead“ darüber lustig. Raffiniert geht anders.

Natürlich muss der charmante britische Horror-Klamauk zum Vergleich herangezogen werden, der einst Simon Peggs Hollywood-Karriere startete. Wer von „The Dead Don’t Die“ ähnliche Zombiekost erwartet, wird aber hoffnungslos enttäuscht. Ungleich träger kommt Jarmuschs Film daher, erinnert mit seinem B-Movie-Charakter eher an Robert Rodriguez‘ „Planet Terror“, schlurft im Gegensatz hierzu aber selbst so langsam wie ein Untoter dahin. Highlights sind nicht etwa Gewalt-Exzesse, sondern die staubtrockenen Dialoge zwischen Driver und Murray, während sie von ihrem Polizeiauto aus dem Ende der Kleinstadt-Menschheit beiwohnen.

Prominentes Futter

Jim Jarmusch ist wie Kollege Wes Anderson eine treue Regie-Seele. Eine, die gerne dieselben Namen verpflichtet und im Laufe der Jahre ein beeindruckendes Ensemble zusammengeklaubt hat. Obligatorisch seine Besetzung des knurrigen Tom Waits und von Iggy Pop. Adam Driver war bereits in Jarmuschs vorangegangenen Film „Paterson“ die Hauptrolle, Tilda Swinton wirkte unter anderem schon in „Only Lovers Left Alive“ mit und Bill Murray geht sowieso immer.

Ergänzt wird der namhafte Cast noch mit Leuten wie Steve Buscemi, Sängerin Selena Gomez, Caleb Landry Jones und nicht zu vergessen „Lethal Weapon“-Star Danny Glover, der sich nun definitiv als zu alt für den Zombie-Scheiss wähnt. Das grösste Comedy-Talent legt aber der schlaksige Driver hin, der mit stoischer Miene und tollem Timing überzeugt. Und der etwa mit „Star Wars“-Anhänger und Kommentaren zum Film-Soundtrack und Skript immer wieder die vierte Wand einreisst.

Fazit:

„Das wird kein gutes Ende nehmen“, jammert Adam Drivers Figur mit Drehbuch-Kenntnissen immer und immer wieder. Leider werden ihm viele Zuschauer, die sich vom vermeintlichen Mainstream blenden lassen, zu dem Filme wie „World War Z“ und Serien wie „The Walking Dead“ das Zombie-Genre inzwischen gemacht haben, ihm beipflichten. Träger Humor und träger Horror passen zur Vita von Jim Jarmusch und dementsprechend zu den (im positiven Sinne) etwas verkopften Filmfestspielen von Cannes, aber eben nicht ins Multiplex-Kino. Jarmusch und seinen Fans dürfte das ganz recht sein.

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