Antonio Banderas: «Bei diesem Kuss gab es ein Raunen»

Antonio Banderas spielt in „Leid und Herrlichkeit“ eigentlich Pedro Almodóvar. Was er über den Regisseur denkt, über küssende Männer und Drogenkonsum im Film, verrät der spanische Hollywood-Star im Interview.

„Leid und Herrlichkeit“ („Dolor y gloria“, dt. Kinostart: 25. Juli) von Regisseur Pedro Almodóvar (69, „Die Haut, in der ich wohne“) ist ein Mix aus Fiktion und autobiografischer Wahrheit. Der spanische Hollywood-Star Antonio Banderas (58, „Die Maske des Zorro“) spielt darin den in die Jahre gekommenen, einsamen, neurotischen und arbeitsunfähigen Regisseur Salvador Mallo.

Schon der kleine Mallo, der in höchst bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen Dorf aufwächst, hat viel Fantasie, ein grosses Talent für Kunst und das Erzählen von Geschichten und ist sehr wissbegierig. Seine liebevolle Mutter (Penélope Cruz, 45) fördert ihn, wo sie nur kann. Dabei wünscht sie sich vor allem ein besseres Leben für ihn. In den 1980er Jahren zieht Mallo dann nach Madrid. Dort verliebt er sich unsterblich in Federico (Leonardo Sbaraglia, 49). Irgendwann beginnen die beiden zu reisen, um Madrid und den Drogen zu entfliehen, denen Federico verfallen ist. Mallo muss aber feststellen, dass Liebe allein gegen Drogen machtlos ist.

Viele Jahrzehnte später und gezeichnet von seinem exzessiven Lifestyle blickt Mallo nun auf sein Leben zurück. Unter anderem möchte er auf einmal selbst wissen, wie sich ein Heroinrausch anfühlt…

Küssende Männer

Der Regisseur und seine Darsteller zeigen im Film, einmal mehr leidenschaftliche Kuss-Szenen zwischen zwei Männern. Dass das immer noch nicht so ganz normal ist, verblüfft Antonio Banderas im Interview. Er erinnert sich an die Filmvorführung bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes, bei denen er im Mai dieses Jahres als „Bester Darsteller“ ausgezeichnet worden ist. „Als die Szene kam, in der mich Leo Sbaraglia küsst, ging ein Raunen durch die Zuschauer“, erzählt er lachend. „Es war unglaublich. Dabei kann Gewalt viel voyeuristischer sein, als ein Kuss zwischen zwei Männern.“

Die Sache mit der Moral und der Kunst sei manchmal einfach immer noch sehr unklar, findet Banderas. „Jemanden im Film zu töten, ist okay. Es ist akzeptiert. Aus irgendeinem Grund kannst du im Film jeden töten und so viel Blut verspritzen, wie du willst, und ein Gehirn kann herausgepustet werden. Sogar in Kinderfilmen und jeder akzeptiert es. Aber wenn du einen gleichgeschlechtlichen Menschen im Film küsst, zucken immer noch viele zusammen“, amüsiert sich der Schauspieler weiter.

Die Drogenszenen

Ein ganz anderes Thema – und doch auch wieder nicht, „weil er eben auch im echten Leben passiert“ – ist der Drogenkonsum, der im Film gezeigt wird. Auf diese expliziten Szenen angesprochen, erklärt Banderas – wie schon bei den Männerküssen – ebenfalls sehr leidenschaftlich: „Für Pedro Almodóvar gibt es kein politisch korrekt. Er denkt nie so. Er macht einfach, was er in seinem Kopf hat. Er zensiert sich nicht selbst.“

Einerseits haben die Drogen in dieser Beziehung wohl wirklich eine übergeordnete und zerstörerische Rolle gespielt. Andererseits könne man es auch „metaphorisch“ verstehen, so Banderas. „Im Film wird ja auch die grosse Gefahr von Drogen gezeigt und er [Mallo] zieht sich dann ja auch wieder zurück“, spoilert der Schauspieler ein klein wenig.

„Er ist der wichtigste Regisseur meiner Karriere“

Der sehr sehenswerte und eher untypische Almodóvar-Film „Leid und Herrlichkeit“ ist die inzwischen achte cineastische Zusammenarbeit zwischen den beiden spanischen Filmstars. Über seinen Entdecker – Almodóvar machte Banderas zum Hauptdarsteller in „Das Gesetz der Begierde (1987) – weiss er nur Gutes zu berichten. „Er ist der wichtigste Regisseur meiner Karriere“, so Banderas. „Ich freue mich immer sehr, wenn er anruft und sagt: ‚Antonio, ich möchte dir ein Drehbuch schicken.‘ Das ist immer eine wunderbare Nachricht für mich.“

Die Freundschaft, die die beiden Männer verbindet, sei „sehr reich – auf künstlerischer und gesellschaftlicher Ebene“. Der Regisseur habe ihm „beruflich und auch ganz generell für das Leben sehr viel gegeben“, schwärmt Banderas. Sie beide hätten sich von Anfang an verstanden und dieser Film sei für beide „ein sehr persönlicher“. „Wir haben in dem Film versucht, so ehrlich wie möglich zu sein, als Schauspieler und Regisseur.“ Es sei ein „sehr schöner und für Almodóvars Verhältnisse „sehr einfach gedrehter“ Film geworden.

Und wie biografisch ist der Film denn nun?

Wie viel Prozent ist biografisch in „Leid und Herrlichkeit“? Was ist wahr, was ist nicht wahr? Die Frage steht im Raum, doch: Das spiele eigentlich keine Rolle, sagt Antonio Banderas. Denn: „Wer bin ich denn mehr? Der Antonio Banderas, der lebt? Der Antonio Banderas, der träumt? Der Antonio Banderas, der etwas nicht gesagt hat, was er hätte sagen sollen?“, so seine philosophische Antwort. „Es gibt einige Dinge in dem Film, die so nicht passiert sind. Sie sind aber in seinem [Almodóvar, Anmerk. d. Red.] Kopf passiert, also sind sie real“, erklärt er weiter.

Als es dann noch um den, im Deutschen etwas sperrigen Titel des Films geht, wird Antonio Banderas ernst. Denn im Leben der meisten Menschen gibt es Momente des „Leids“ und der „Herrlichkeit“. Wie man die in eine Balance bringen kann, dazu sagt er: „Ich glaube, das kommt mit dem Älterwerden. Nichts ist perfekt im Leben, ausser der Tod. Alles andere ist relativ. Wenn du dem Tod ins Auge blickst, trifft es dich wie ein Blitz. Es zeigt dir die Zerbrechlichkeit des Lebens.“

Gut möglich, dass der Schauspieler auf diese ernste Episode in seinem eigenen Leben anspielt: Antonio Banderas erlitt Anfang 2017 einen Herzinfarkt, wie er später selbst öffentlich erzählte. Davon war ihm beim Filmfest München, wo er mit dem CineMerit Award ausgezeichnet wurde, nichts mehr anzumerken. Er begeisterte Organisatoren, Fans, Zuschauer und Journalisten.

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