„Once Upon a Time“: Tarantinos Ode ans Filmemachen

Mit „Once Upon a Time… in Hollywood“ meldet sich Quentin Tarantino zurück – mit gewohnten Stärken und einigen ebenfalls gewohnten Schwächen.

Quentin Tarantinos Film „Once Upon a Time… in Hollywood“ (ab 15. August im Kino) hat alles, was das Cineasten-Herz höherschlagen lässt. Er ist atemberaubend schön aufgenommen, lässt erstmals das geballte Talent von Leonardo DiCaprio (44) und Brad Pitt (55) aufeinander los und besticht mit vielen Qualitäten, die den Filmemacher seit jeher auszeichnen – gute Dialoge und tolle Musik sind nur zwei davon. Und dennoch: Nicht jedem wird der neunte Film von Tarantino bedingungslos gefallen – dessen ist sich sogar der Regisseur höchstpersönlich bewusst.

Zwei alte Hollywood-Eisen – darum geht es:

Rick Dalton (DiCaprio) hat es nicht leicht. Er ist ein Fossil der TV-Landschaft, der einstige Held einer halbgaren Western-Serie namens „Bounty Law“. Doch die Uhren in Hollywood stehen nicht still, erst recht nicht in den 60er Jahren. „Es ist offiziell, alter Freund, ich bin jetzt out“, jammert Rick und fällt seinem besten Freund Cliff Booth (Pitt) schluchzend um den Hals. Was aber soll der erst sagen? Er ist der Stuntman des besagten Fossils und im fortgeschrittenen Alter. Schon lange wird Booth nicht mehr engagiert, spätestens, seit er am Set Bruce Lee (Mike Moh) verdroschen hat. Und so hält er sich als Mädchen für alles in Diensten seines Kumpels über Wasser.

Aus Verzweiflung und auf Raten seines Agenten (Al Pacino) ist Dalton schliesslich dazu bereit, einen Part im verhassten Genre des Spaghetti-Westerns anzunehmen. Während er dabei in erster Linie in Clinch mit sich und seiner Alkoholsucht gerät, wird Booth in seiner Freizeit abseits der Traumfabrik auf einen seltsamen Hippiekult aufmerksam, der unter der Führung eines Langhaarträgers namens Charlie etwas im Schilde zu führen scheint. Von all dem gänzlich unberührt und unbekümmert geniesst derweil eine gewisse Sharon Tate (Margot Robbie) ihr glamouröses Leben an der Seite von Regie-Wunderkind Roman Polanski (Rafal Zawierucha) – und die glorreiche Zukunft, die ohne Zweifel noch vor ihr liegen wird…

Tarantino tobt sich aus

Wie ein Kind im Süsswarenladen muss sich Tarantino gefühlt haben. Mit „Once Upon“ hat er schliesslich einen Film über seine grösste Passion gemacht – das Filmemachen. Die Vita seines Hauptprotagonistens (und dessen Doppelgängers) ermöglichte es Tarantino, sich an jeder erdenklichen Film-Süssigkeit zu bedienen. Und so brutzelt DiCaprio mal „Nazi-Sauerkraut“ per Flammenwerfer, begeht in einer krisseligen Thriller-Serie ein Schrotflinten-Attentat oder säuft, grunzt und wütet als überzeichneter Saloon-Schurke im eingangs erwähnten Italo-Western. Doch um bei der Süsswarenladen-Analogie zu bleiben: manchmal lähmt eine zu grosse Auswahl auch.

Ob letztendlich gar einem Tarantino Angst und Bange angesichts der unendlichen Möglichkeiten wurde, die ihm „Once Upon“ bot? Am Ende beschränkte er sich darin ja doch irgendwie auf die Dinge, deren perfekte Umsetzung er bereits mit früheren Filmen unter Beweis gestellt hat: Cowboys aus „Django Unchained“, Gangster aus „Pulp Fiction“, brennende „Krauts“ aus „Inglourious Basterds“. Damit mutet sein neunter Film nicht nur wie eine Hommage an das Filmbusiness per se an, sondern auch wie eine Hommage an sich selbst. Dazu passt auch, dass wirklich keine der weiblichen Figuren umhinkommt, ihre nackten Füsse in die Kamera zu halten und per Autoradio nebenbei mehr Klassiker angespielt werden, als beim Dschungelcamp.

Das Who’s Who von heute spielt das Who’s Who von gestern

Über mangelnde Auswahl an Schauspielern durfte sich Tarantino ebenfalls nicht beschweren. Und das gleich in doppelter Hinsicht: Stars von heute, wie Damian Lewis, Margot Robbie, Mike Moh oder James Marsden verkörpern darin Stars von einst, die Helden von Tarantinos Jugend. Nur ist der Film trotz seiner fast drei Stunden Laufzeit so vollgepackt, oder, wenn man es negativ formulieren will, so überfrachtet mit Referenzen, das keinem der realen Figuren viel Leinwand-Präsenz eingeräumt werden konnte. Weder Steve McQueen (Lewis), noch Bruce Lee (Moh), ja nicht einmal Sharon Tate (Robbie). Und Marsden, der Berichten zufolge eigentlich als der junge Burt Reynolds zu sehen sein sollte, hat es noch nicht einmal in den fertigen Film geschafft.

Bezüglich Tate: Ihre Storyline kommt vielmehr wie ein roter Faden im Hintergrund daher. Gleicht einem durchgehenden, unheilvollen Moll-Ton, der im krassen Gegensatz zu dem Gezeigten steht. Ihr Leben bis zu jener verhängnisvollen Nacht am 9. August 1969 wird von Tarantino mit einer nicht für möglich gehaltenen Menge an Zuckerguss inszeniert. Tate macht kunterbunte Mädelsabende, geht Shoppen, bestaunt sich in einer rührenden (und Robbies bester) Szene mit infantiler Freude selbst im Kino. Tarantino kokettiert mit dem Vorwissen, das wohl ein Grossteil des Kinopublikums hat: Dass Sharon Tate genau ein halbes Jahr nach dem Einsetzen der Filmhandlung hochschwanger und auf bestialische Weise durch die „Manson Family“ ihren Tod finden wird.

Wie sich die besagte Schreckensnacht in „Once Upon“ entfaltet, wird hier aus Spoiler-Gründen nicht verraten. Nur so viel: Tarantino bedient sich eines Tricks, den er schon in einem anderen seiner Filme angewandt hat. Und bei dem er sich im Interview sicher zeigte, dass ihn nicht jeder Zuschauer gut finden wird. Festzuhalten bleibt, dass Schauspielerin Margot Robbie während der gesamten Laufzeit des Films zugunsten des Handlungsverlaufs leider wenig bis gar keine Gelegenheit bekommt, ihr ohne Frage reichlich vorhandenes Talent unter Beweis zu stellen.

Eine deutliche Ausrichtung pro Fiktion

Das Hauptaugenmerk liegt stattdessen ganz klar auf dem fiktionalen Part der Geschichte, sprich die (Anti-)Heldenreise von Rick Dalton und Cliff Booth. Nicht nur Tarantino-Jüngern dürfte das Herz dabei aufgehen, die beiden Hollywood-Schwergewichte DiCaprio und Pitt endlich gemeinsam und in bester Buddy-Comedy-Manier auf der Leinwand bestaunen zu dürfen. Es hilft aber natürlich, dass sie sich dabei ein ums andere Mal die typisch Tarantino’schen Dialoge um die Ohren hauen und schräge Situationen durchleben dürfen.

Beiden wird auf unterschiedliche Weise die Möglichkeit gegeben, die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. DiCaprio als der Selbstzweifler, die Heulsuse, der charmante Depp, der sich über die Hitze eines Flammenwerfers beschwert. Pitt als die eigentlich noch traurigere Gestalt, die wahnsinnig viel auf dem Kasten hat, aber im Wohnwagen lebt, Hausmeister-Arbeiten erfüllt – und dennoch ein nie angezweifeltes Selbstbewusstsein an den Tag legt. Er ist ein Mann, dem es nicht einmal krumm genommen wird, dass er angeblich seine eigene Frau umgebracht haben soll. Tatsächlich weicht Booths Souveränität während des gesamten Films nur einmal und für einen kurzen Moment – als er ein junges, laszives Manson-Mädel in sein Auto lässt und eigentlich weiss, damit eine grosse Torheit zu begehen.

Fazit:

Tarantino macht mit „Once Upon a Time… in Hollywood“ unzählige Baustellen auf, von denen er in den knapp drei Stunden die meisten, aber eben nicht alle geschlossen bekommt. Er hält eine Hymne auf die Filmindustrie, ehrt einstige Grössen selbiger und vermengt Realität mit Fiktion, die auf dem Benedict Canyon, am Ende des Cielo Drives, buchstäblich nebeneinander hausen. Manche Momente in „Once Upon“ sind genial, manche wirken befremdlich oder unnötig. Er überrascht einerseits, besinnt sich andererseits auf alte Tugenden, fällt aber auch manch neuem Laster eines Herrn Tarantino zum Opfer. Eines kann ihm aber wahrlich nicht vorgeworfen werden: mangelnde Liebe und Leidenschaft für sein Metier. Das ist in jeder Sekunde eines etwas zu langen Films spürbar.

Vorheriger ArtikelSchauspieler Chris Zylka befreit sich von Paris-Hilton-Tattoo
Nächster ArtikelA$AP Rocky: Der US-Amerikaner muss nicht ins Gefängnis