„Alien: Covenant“: Nichts aus den Fehlern von „Prometheus“ gelernt

Mit „Alien: Covenant“ hat Ridley Scott einen optisch schön-schaurigen Sci-Fi-Horrorfilm erschaffen, der seinem Namenspatron von 1979 aber nicht das Wasser reichen kann.

„Im Weltall hört dich niemand schreien“. Mit diesem kurzen wie vielsagenden Satz stimmte im Jahr 1979 Sir Ridley Scott die Welt auf einen Meilenstein der Kinogeschichte ein: „Alien“. 38 Jahre, drei Fortsetzungen, ein Sequel und mehrere unsägliche Crossover-Filme mit dem „Predator“-Universum später ist sie wieder auf dem Plakat zu lesen, die Kombination aus Kult-Regisseur Scott nebst „Alien“-Titel. Und führt damit nicht ganz unfreiwillig hinters Licht…

Take Me Home, Country Roads

Es ist das Jahr 2104. Die grausamen Geschehnisse, die fast die gesamte Besatzung des Erkundungsschiffes „Prometheus“ dahingerafft haben, liegen exakt zehn Jahre zurück. Die Crew des Raumschiffes „Covenant“ befindet sich gerade auf den Weg zu einem weit entfernten Planeten, um ein gross angelegtes Besiedlungs-Projekt in die Tat umzusetzen. Doch eine Anomalie weckt die Astronauten plötzlich aus ihrem Hyperschlaf. Mitten im Nirgendwo des unendlichen Weltraums orten sie plötzlich die Klänge von John Denvers „Take Me Home, Country Roads“.

Ein Signal, dass sich als Hilferuf der Forscherin Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) entpuppt – ihres Zeichens die einzige Überlebende der „Prometheus“. Entgegen des Ratschlags von Ingenieurin Daniels (Katherine Waterston), beschliesst der Kapitän der Covenant (Billy Crudup), von der vorgesehenen Route abzuweichen und dem Funksignal zu folgen. Er erhofft sich so, einen nähergelegenen Lebensraum für seine Crew und die 2.000 Kolonisten an Bord zu finden. Doch der Planet, der zunächst wie das Paradies anmutet, stellt sich binnen weniger Stunden als die Hölle auf Erden heraus. Und rafft seine Crew dahin wie die Fliegen.

Cleverer Marketing-Schachzug?

Es klang im ersten Moment wie ein wundervoller Traum. Sir Ridley Scott widmet sich nach fast 40 Jahren wieder einem „echten“ Film aus dem „Alien“-Universum. Balsam für die zahlreichen Menschen, die mit „Alien 3“ von David Fincher wenig anfangen konnten und von Jean-Pierre Jeunets „Alien – Die Wiedergeburt“ (zurecht) komplett enttäuscht waren. Doch genau diesen hoffnungsvollen Kinogängern, die den Entstehungsprozess von „Covenant“ nicht genau vor Augen haben, könnte Scotts neuer Film im ersten Moment vor den Kopf stossen.

Das Monstrum, das in den diversen Trailern zu „Alien: Covenant“ prominent vertreten ist und wieder exakt wie das HR-Giger-Original aussieht, kommt im Film selbst kaum vor. Denn es ist eben nur sehr bedingt die Vorgeschichte zum Klassiker von 1979, stattdessen eindeutig die Fortsetzung von „Prometheus“ – und wiederholt als solche leider viele Fehler seines Vorgängers.

Youtube-Recherche ist empfohlen

Da wäre zum einen erneut die seltsame Entscheidung, dramaturgisch wichtige Aspekte des Films auszulagern. Schon klar, die einzelnen (und nicht wenigen) Charaktere des Films per Video-Logbuch auf Youtube vorzustellen, gibt den Fans kostenloses und interessantes Bonusmaterial. Es darf aber nicht dafür dienen, diese imminent wichtige Figuren-Vorstellung im Film komplett zu streichen, um so die Spielzeit zu drücken. Doch exakt das macht „Alien: Covenant“.

Wer nun also keines der Youtube-Videos gesehen hat, wird zu Beginn des Films von der Vielzahl an Protagonisten regelrecht erschlagen. Im Original war das mit sieben Crew-Mitgliedern (und einer Katze) noch kein so grosses Problem. James Cameron setzte die fehlende Übersicht angesichts eines Trupps an gleichgeschalteten Marines im zweiten Teil sogar als Stilmittel ein. In „Alien: Covenant“ führt es schlichtweg dazu, dass dem Zuschauer die meisten Charaktere (und erst recht deren Ableben) egal sind.

Ist mehr immer besser?

Mit „Alien: Covenant“ ergründet Ridley Scott jene Frage weiter, deren Beantwortung „Prometheus“ bereits angerissen hat. Am Ende soll das ultimative Mysterium geklärt sein, wann und wo der auf Silizium basierende Xenomorph seinen Ursprung fand, der vor rund 40 Kinojahren die Besatzung der Nostromo traktierte. So viel ist nach „Alien: Covenant“ klar: es wird verdammt kompliziert. Und es legt eine weitere Frage nahe: muss, beziehungsweise sollte immer der genaue Ursprung einer phantastischen Gestalt aufgeklärt werden?

Manchmal wird eine Film-Entität genau deshalb zum Kult, weil einige Fragen offen geblieben sind. Im Zweifel will niemand über Midi-Chlorianer aufgeklärt werden, die die romantisierte Vorstellung der Jedis aus „Star Wars“ wissenschaftlich zu erklären versuchen. Die Zombies aus George A. Romeros „Dawn Of The Dead“ sind deshalb doppelt furchteinflössend, weil als einzige Erklärung angemerkt wird: „Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, werden die Toten auf der Erde wandern“. Selten befriedigt die Antwort auf eine so lange gestellte Frage nach der Entstehung des Bösen. Leider ist das auch bei „Alien: Covenant“ der Fall.

Die Lichtblicke

An zwei Personen scheitert es nicht: Michael Fassbender und Kathrine Waterson. Der Deutsch-Ire brilliert in einer Doppelrolle als zwei äusserlich exakt baugleiche Androiden, die auf unterschiedliche Weise ihre eigene künstliche Existenz reflektieren. Auch Waterston meistert den Spagat aus einerseits empathischer Zierlichkeit und andererseits starker Powerfrau – seit jeher das Markenzeichen der „Alien“-Reihe. Zu den übrigen Charakteren ist das Gefälle wie eingangs erwähnt aber zu gross. Vielleicht mit Ausnahme von Danny McBrides Charakter, der zur Abwechslung beweisen darf, dass er nicht nur Klamauk unterhalb der Gürtellinie kann.

Auch optisch hat sich „Alien Covenant“ nichts vorzuwerfen. Was bei Produktionskosten von 111 Millionen Dollar auch zu erwarten sein durfte. Für erhöhten Herzschlag sorgt Scott neben schick designten, aber oft sichtlich computeranimierten Scheusalen mit einem ordentlichen Mass an Gewalt. Aber eben leider auch mit hirnrissigen Momenten, in denen sich die stark dezimierte Crew ohne Not weiter aufteilt, um möglichst einfache Beute zu sein…

Fazit:

Wer mit „Alien: Covenant“ den direkten Vorgänger zu „Alien“ erwartet, wird enttäuscht. Der neue Film von Sir Ridley Scott ist in erster Linie die Fortsetzung zu „Prometheus“ und bleibt sowohl dessen positiven, als auch dessen negativen Aspekten treu. Zu viele Figuren darin sind gesichtslose Alien-Futter, einzig Fassbender und Waterston sind hier die strahlenden Lichtblicke.

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