„Game of Thrones“-Star Nikolaj Coster-Waldau verrät das Geheimnis vom Glück

Der Wind schneidet eisig ins Gesicht an der Kattegat-Küste, siebzig Kilometer nördlich von Kopenhagen: Der Winter braust näher, doch Nikolaj Coster-Waldau radelt beim Treffen mit dem Red Bulletin unermüdlich über die Dünen und durch den Wald bei Tisvildeleje und sieht auch in dieser Kälte noch so unverschämt gut aus wie Jaime Lannister, geläuterter „Game of Thrones“-Bösling.

THE RED BULLETIN: Mountainbiken bei fünf Grad. Macht Ihnen so etwas Spass?
NIKOLAJ COSTER-WALDAU: Aber klar. Zu Hause habe ich lauter Frauen um mich. Da brauche ich meine Ausflüge mit Freunden, den Dreck, die Kälte, den Schlamm.

Sind Sie ein Naturbursche?
Wir sind doch im Grunde alle Tiere, und deshalb hat die Natur eine tiefe Wirkung auf uns. Vor kurzem war ich in der Wildnis im Süden vor Grönland allein fischen. Eine magische Erfahrung.

«Wir sind doch im Grunde alle Tiere.»

Was hat Sie als Kind glücklich gemacht?
Wenn mein Vater zu Hause war und er nicht zu besoffen war, haben wir Karten gespielt. Oder es gab diese Sendung „Sportsonntag“, wo am Nachmittag ein Spiel aus der ersten englischen Liga übertragen wurde. In der Halbzeit gingen wir nach draussen und spielten selbst.

Ein besoffener Vater – das klingt nicht nach sorgenfreier Kindheit.
Er war Alkoholiker, er starb 1998. Aber ich hatte eine grossartige Mutter – auch wenn wir manchmal Besuch von der Polizei bekamen.

Warum das?
Meine Mutter liess sich immer wieder hinreissen und kaufte Geschenke für meine beiden Schwestern und mich, die sie dann leider doch nicht bezahlen konnte. Ich erinnere mich an jenen Tag, an dem ich meine Mini-Stereoanlage wieder zurückgeben musste…

Wissen Ihre Kinder, was Sie in Ihrer Jugend durchmachten?
Ja, und ich erkläre ihnen auch, dass ihr Leben nicht normal ist. Sie müssen das verstehen. Es ist nicht selbstverständlich, dass du dir wegen Essen und Geld keine Sorgen machen musst. Trotzdem bin ich stolz auf meine Kindheit. Ich war glücklich.

Glücklich?
Ich finde: Es ist gut, wenn du die dunkleren Seiten des Lebens kennenlernst. Zum Beispiel, wenn Kinder in der Schule gemobbt werden. Das ist heftig, aber wenn du Eltern hast, die dich bedingungslos lieben, dann lernst du, dass du gut genug bist – egal was manche Leute sagen.

«Es ist gut, wenn du die dunkleren Seiten des Lebens kennenlernst.»

Wann haben Sie Ablehnung erfahren?
Tausende Male – jedes Mal, wenn ich eine Rolle nicht bekam. Besonders peinlich war die Geschichte mit meinem Vorsprechen für „Vertical Limit“. Aus irgendeinem Grund redete ich mir ein, dass die Testaufnahmen gut gelaufen waren, ging zu „Lisa Kline Men“ am Robertson Boulevard in Los Angeles und belohnte mich mit einem grotesken 1500-Dollar-Einkauf. Als ich erfuhr, dass ich das Vorsprechen versemmelt hatte, brachte ich die Klamotten zurück. Den Blick der Verkäuferin hätten Sie sehen sollen. Die pure Abscheu.

Sie klingen gut gelaunt, wenn Sie das erzählen.
Weil ich im Grossen und Ganzen Glück gehabt habe. Ich arbeite seit zwanzig Jahren, und ich war immer imstande, meine Familie zu ernähren. Apropos: Was Glück und was Pech ist, erkennst du oft erst ganz am Ende.

«Was Glück und was Pech ist, erkennst du oft erst ganz am Ende.»

Zum Beispiel?
Dass ich die Hauptrolle in „John Carter“ nicht bekam, das war Pech. Zuerst. Aber dadurch konnte ich das Engagement für „Game of Thrones“ annehmen. „GoT“ wurde ein Riesenerfolg. Und „John Carter“ eher nicht so.

Als einer von ganz wenigen Darstellern schafften Sie es bis in die sechste Staffel von „Game of Thrones“. Haben Sie manchmal Angst, die Schöpfer der Serie könnten Ihre Figur killen?
Nein. Ich bin neugierig, wie alles ausgeht.

Gibt es auch etwas, was Sie an Ihrem Job nervt?
Ja, derzeit die Kritik an „Gods of Egypt“. Da regen sich eine Menge Leute im Netz fürchterlich auf, dass ich ein Weisser bin. Dabei ist meine Rolle nicht einmal ein Ägypter. Ich bin ein zweieinhalb Meter grosser Gott, der sich in einen Falken verwandelt. Ein Teil von mir will da einfach nur ausflippen, aber dann sagt mein Verstand: „Du kannst nichts dagegen tun. In dieser Diskussion kannst du nicht gewinnen.“

«Da regen sich eine Menge Leute im Netz fürchterlich auf, dass ich
ein Weisser bin. Dabei ist meine Rolle nicht einmal ein Ägypter. Ein Teil von
mir will da einfach nur ausflippen, aber dann sagt mein Verstand: Du kannst nichts
dagegen tun. In dieser Diskussion kannst du nicht gewinnen.»

Bewundernswerte Haltung. Wen bewundern Sie?
Jene Hunderttausende, die den Mut haben, den schrecklichen Alltag in ihrer Heimat zu verlassen – mit nichts als ihrer Kleidung am Leib. Diese Menschen bewundere ich.

Warum Nikolaj rät „lass dein Ego los, sonst landest du in der Klapse“ und wie seine Kinder sein Leben verändert haben, liest du in der kompletten Geschichte in der aktuellen Ausgabe des „The Red Bulletin“ und auf www.redbulletin.com.

Copyright WORDS: The Red Bulletin, Rüdiger Sturm
PHOTOGRAPHY: © Simon Emmett

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