Kerstin Ott fordert: Politik soll Internet-Mobbing „ernst nehmen“

Kerstin Ott spricht offen über Hasskommentare im Netz.

Quelle: NONA Studios

„Zu dick“ oder „zu lesbisch“: Kerstin Ott muss sich mit fiesen Kommentaren im Internet herumschlagen. „Ich hoffe und wünsche mir, dass die Politik auch mal Gas gibt und dieses Thema wirklich ernst nimmt“, so die Sängerin.

Kerstin Ott (40) will ihren Fans etwas zurückgeben – und veröffentlicht am 8. April die Deluxe-Version ihres Erfolgsalbums „Nachts sind alle Katzen grau“. Ein Song des Longplayers, der ihr besonders viel positives Feedback gebracht hat, ist „Sag mir (wann beginnt endlich die Zeit)“. Darin geht es um Missstände wie Homophobie oder Fremdenfeindlichkeit.

Auch die Sängerin muss sich immer wieder mit Hasskommentaren im Internet herumschlagen. „Da schreiben Menschen, dass ihnen meine Frisur nicht gefällt, dass ich ‚zu dick‘, ‚zu lesbisch‘ sei und ’nicht singen‘ könne“, erzählt die „Die immer lacht“-Interpretin im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Die Deluxe-Version Ihres Albums „Nachts sind alle Katzen grau“ ist ein Geschenk an Ihre Fans. Wofür sind Sie ihnen besonders dankbar?

Kerstin Ott: Ich bin den Fans ganz besonders dankbar, dass sie die ganze Corona-Phase mit durchgemacht haben und ihre Tickets behalten haben, sodass wir uns jetzt in den nächsten Wochen und Monaten wiedersehen. Da freue ich mich ganz doll drauf!

In Ihrem Song „Ich Will Alles“ geht es darum, zu seinen Gefühlen zu stehen. Gerade in den sozialen Medien ist das häufig ein Problem, weil alle sich von ihrer besten Seite zeigen. Wie wichtig ist es Ihnen, auf Instagram und Co. authentisch zu sein?

Ott: Richtig wichtig. Ich bin niemand, der ständig Filter ausprobiert, die so persönlichkeitsverändernd sind, wie ich finde. Ich glaube auch, dass es den Menschen generell guttun würde, dies ein bisschen einzuschränken. Manchmal erkennt man die Leute ja gar nicht mehr.

„Irgendwann“ ist ein sehr ruhiger Song, kein wirklicher Schlager, sondern nahezu eine Akustikversion. Für Sie ist dieser Stilmix typisch. Wieso ist Ihnen das wichtig?

Ott: Ich glaube, dass die Menschen Bock drauf haben, dass das Album ein bisschen bunter ist. Ich kenne das selbst: Früher hat man sich mal ein Album gekauft und dann waren von 14 Liedern 13 zwar hörbar, aber nur eins richtig gut, weil der Rest eine einzige Sosse war. Da war man immer enttäuscht. Vielseitigkeit auf dem Album tut dem Ganzen immer gut.

„Einfach Nein“ handelt davon, um jemanden zu kämpfen, der einem sehr wichtig ist. Wann ging es Ihnen zuletzt so?

Ott: Ich habe eine Freundschaft, die schon seit 30 Jahren hält. In den letzten zwei Jahren ist meine beste Freundin mehr ins Familienleben abgetaucht, weil sie zwei kleine Kinder bekommen hat. Ich stehe gerade natürlich auf einer ganz anderen Lebensstufe. Unsere Kinder sind schon gross. Dann verliert sich eine solche Freundschaft manchmal ein bisschen. Aber für uns beide ist auch klar, dass wir das nicht einfach so im Sande verlaufen lassen können. Wir sind so lange befreundet. Deswegen kenne ich dieses Gefühl sehr gut und weiss, wann es wichtig ist, um etwas zu kämpfen.

Der Song „Sag mir (wann beginnt endlich die Zeit)“ hat viel positives Feedback bekommen. Selten werden Missstände wie Fremdenfeindlichkeit und Homophobie in unserer Gesellschaft so offen angesprochen. Wie wichtig ist Ihnen dieser Song?

Ott: Der Song war und ist für mich einer der wichtigsten auf dem Album. Ich denke, dass gesellschaftlich betrachtet in jeder Sparte noch ganz viel zu tun ist. Ich glaube, oftmals hat das damit zu tun, dass die Menschen wenig Berührungspunkte mit einzelnen Missständen wie Rassismus oder Homophobie haben. Dadurch entstehen immer Konflikte, die gar nicht sein müssten, wenn über Missstände ein bisschen offener gesprochen werden würde.

Im Songtext heisst es, dass Sie wünschten, alle seien gleich, dahin sei es aber noch ein „weiter Weg“. Wurden Sie schon einmal wegen etwas angefeindet?

Ott: Ja, zum Beispiel im Internet, wie viele Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Da schreiben Menschen, dass ihnen meine Frisur nicht gefällt, dass ich „zu dick“, „zu lesbisch“ sei und „nicht singen“ könne. Das resultiert wahrscheinlich oft daraus, dass anonym geschrieben wird und sich jeder äussern darf in einer Form, die ich wirklich sehr, sehr niederträchtig finde. Ich hoffe und wünsche mir, dass die Politik auch mal Gas gibt und dieses Thema wirklich ernst nimmt. Gerade Internet-Mobbing ist etwas, mit dem sich viele Jugendliche beschäftigen müssen und das viele wirklich krank macht.

Greifen fiese Online-Kommentare Sie an oder können Sie sich da denken: „Sagt doch, was ihr wollt, ist mir egal“?

Ott: Das ist mal so und mal so. Man muss sich auch immer wieder erarbeiten, dass es einem egal ist. Es wäre gelogen zu sagen, dass mir das immer am Hintern vorbeigeht.

Sie haben 2020 etwa eine kleine Wutrede gepostet, in der Sie sich darüber beschwert haben, was in den Medien über Ihre Familie geschrieben wird.

Ott: Damals, als ich diesen Post geschrieben habe, war ich wirklich total erschrocken, was in den Medien schon seit Wochen los war. Ich habe mich dazu entschlossen, mich zur Wehr zu setzen. Das hat auch gut funktioniert. Seitdem ist das wirklich merklich weniger geworden und ich kann nur jedem raten, sich das nicht gefallen zu lassen.

Mit dem Hashtag #ichwünschtedaswäreverboten machen Sie auf Missstände aufmerksam, z.B. auf nicht artgerechte Tierhaltung. Warum ist Ihnen das wichtig?

Ott: Diesen Hashtag hatte ich schon lange im Kopf, weil ich oft alltägliche Situationen gesehen und gedacht habe: Das kann doch nicht wahr sein, dass wir im Jahr 2022 zum Beispiel noch super-kleine Käfige für Meerschweinchen kaufen. Da stand gerade ein kleines Mädchen in einer Zoohandlung vor mir. Die Mutter hat ihr einen minikleinen Käfig für zwei Meerschweinchen gekauft. Ich fand es wirklich unfassbar, dass die Mutter dachte, dass das artgerechte Haltung sei. Und so ist dieser Hashtag in meinem Kopf entstanden.

Ich habe mich jetzt aber dazu entschlossen, diese Aktion erstmal pausieren zu lassen. Ich glaube, dass durch den Ukraine-Krieg gerade so viel Negativität in der Welt herrscht. Man sollte die Menschen dann nicht immer nur damit besträuseln, was alles schlecht ist. Man muss auch manchmal etwas Positives zurückgeben. Aber mit dem Hashtag höre ich nicht auf. Ich schiebe ihn nur für eine Zeit auf, in der es allen ein bisschen besser geht.

Ihr Profilbild auf Instagram zeigt Ukraine-Farben. Halten Sie es für wichtig, in diesem Krieg Stellung zu beziehen?

Ott: Ja, das finde ich schon wichtig – gerade bei Menschen, die mit einer grossen Reichweite arbeiten können. Für mich ist es richtig und wichtig, da Stellung zu beziehen. Das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Meiner Meinung nach sollte die grosse Reichweite genutzt werden, um den einen oder anderen darauf aufmerksam zu machen, dass es besser laufen kann.

Sich zu bestimmten Themen zu positionieren, bietet natürlich auch immer Angriffsfläche. Wie geht Ihre Community damit um?

Ott: Natürlich habe ich ab und zu mal einen Shitstorm am Hals, weil dem einen oder anderen nicht gefällt, was ich poste. Wenn ich meine offene Meinung ausspreche, gibt es natürlich immer Leute, die eine andere Meinung davon haben. Und das kann ich auch akzeptieren.

Auf Instagram zeigen Sie auch immer mal wieder Einblicke in Ihr Privatleben mit Ehefrau Karolina. Wo ziehen Sie die Grenze, was privat von Ihnen zu sehen ist?

Ott: Ich würde nicht filmend durchs ganze Haus laufen und jedem zeigen, wie mein Schlafzimmer aussieht. Das wäre mir zu privat. Aber ich denke, dass ich da trotzdem einen guten Mix habe. Nur berufliche Posts wären auch langweilig. Da lasse ich immer mein Bauchgefühl entscheiden.

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