Wanda: «Wenn man Glück dabei empfindet, uns zu hassen, dann soll man uns hassen»

Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach „Bussi“ veröffentlichen Wanda ihr drittes Album „Niente“. Warum die Wiener Band Anspruch auf eine Welteroberung erhebt, verraten Marco Michael Wanda und Manuel Poppe im Interview.

Das dritte Album der Wiener Band Wanda mit dem schönen italienischen Titel „Niente“ steht in den Startlöchern. Die SpotOn-Redaktion hat Sänger Marco Michael Wanda und Gitarrist Manuel Christoph Poppe anlässlich der Veröffentlichung in München zum Interview getroffen. Dabei verrieten die beiden, warum es sie glücklich macht, gehasst zu werden, ihnen seit dem Durchbruch mit „Amore“ nicht mehr fad ist und was der heimliche Titelsong des neuen Albums ist.

Was unterscheidet „Niente“ von den anderen beiden Alben?

Manuel Christoph Poppe: Man könnte sagen, bei „Amore“ haben wir die Angst definiert, bei „Bussi“ haben wir sie angenommen und bei „Niente“ zerstören wir sie. Wir lösen sie auf.

Vor was hatten Sie denn Angst?

Marco Michael Wanda: Angst davor, nicht frei zu sein. Angst davor, anderen Menschen weh zu tun. Angst davor, sich falsch zu entscheiden. Angst vor dem Tod. Oh, Gott, ich könnte jahrelang über Angst reden.

Heisst deswegen das letzte Lied auf dem Album „Ich sterbe“?

Marco: Das ist halt so die grösste Angst, oder? Unsere Musik soll ein Angebot sein, diese Angst zu überwinden. Wir wollen nicht sterben. Und wir werden nicht sterben. Wir wollen, dass niemand stirbt.

Viele Fans waren von der ersten Single „0043“ weniger begeistert. Die Kritik lautete: Das hört sich nicht wie Wanda an. Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen?

Marco: Das ist egal. Wir schreiben diese Musik nicht für Fans, sondern für alle Menschen, die zuhören wollen. Die Entscheidung, ob man zu- oder weghört, können wir niemandem abnehmen. Das muss schon jeder für sich selbst entscheiden. Wir wollen weder jemandem sagen, was er zu denken hat, noch was er zu fühlen hat. Und wenn es jemandem nicht gefällt, klappt es vielleicht bei der nächsten Single.

Wird Ihnen nicht manchmal alles zu viel?

Marco: Nein. Wir spüren keinen Druck, Erwartungen gerecht zu werden. Wenn ich ins Publikum schaue, dann sehe ich rauscherfüllte, lebensfreudige Menschen. Das reicht.

Manche assoziieren Wanda mit übermässigem Alkoholgenuss und Machogetue. Nervt das nicht irgendwann?

Marco: Nerven tut uns das alles nicht. Der freie Wille ist in dieser Gesellschaft das kostbarste Gut. Ich kann mich nicht beleidigt fühlen, wenn jemand etwas, das ich tue, ablehnt. Das ist das Grundrecht desjenigen. Also werde ich sogar mit Freude abgelehnt. Wenn man Glück dabei empfindet, uns zu hassen, dann soll man uns hassen.

Wie könnte es denn jetzt noch weiter nach oben gehen?

Manuel: Stadion, Plattenverkäufe, Zuschauerzahlen, Kontostände, Leberwerte.

Marco: Gesteigerte Lust einfach. Gesteigerte Ekstase. Und hoffentlich irgendetwas Positives bewirken, was auch immer das sein mag. Wir haben ganz klar Welteroberungsanspruch mit unserer Musik.

Wie haben Sie sich eigentlich getroffen?

Marco: Es gibt da so einen Mythos. Dass wir uns auf einer endlosen Taxifahrt nach und nach ins Taxi gesellt haben. Und ich glaube das sogar. Ich muss das glauben, denn ich kann mich nicht mehr erinnern.

Manuel: Wir mussten uns treffen. Als wir uns zusammengefunden haben, haben wir uns nicht nach unseren musikalischen handwerklichen Fähigkeiten geprüft, sondern ob wir miteinander lachen, weinen, plaudern, zusammensitzen und streiten können.

Marco: Und man musste die Beatles geil finden. Das war immer ganz wichtig. Man musste einfach Rock’n’Roll-Musik geil finden.

Wie lösen Sie Probleme innerhalb der Band?

Manuel: Oft wird geweint und niemals geprügelt.

Marco: Wir sind sicher kein Friede-Freude-Eierkuchen-Haufen. Aber wenn man das erlebt, was wir erlebt haben, dann wird man zu einer Art Festung. Die ist uneinnehmbar. Auch wenn es manchmal schwierig ist, weil alles schwierig ist. Aber im Kern verbindet uns ein gemeinsames Leben, das wir uns aufgebaut haben, für das wir sehr viel aufgegeben haben. Und das uns aber einen unendlichen Spass macht.

Was haben Sie für Ihre Karriere mit Wanda aufgeben?

Marco: Na, das Leben davor. Aber das war eh langweilig.

Manuel: Fad ist uns nicht mehr. Aber das Rückfahrticket gibt es nicht.

Marco: Ich nehme die Karriere gar nicht so als Karriere wahr. Für sowas bin ich irgendwie blind. Für einen Ausgleich bleibt ohnehin keine Zeit und auch nicht so viel Notwendigkeit. Ich freue mich jedes Mal darauf, wenn es wieder weitergeht.

So wie in Ihrem neuen Song „Weiter, weiter“?

Manuel: Das ist die heimliche Titelnummer. Und übrigens das beste Lied, das Marco jemals geschrieben hat. Meiner Meinung nach.

Um welche Erfahrungen wird man denn reicher, wenn man pausenlos auf Tour ist, ein Album nach dem anderen veröffentlicht, mit Platin ausgezeichnet wurde?

Marco: Wenn man daraus lernt, wie man sein Ego befriedigt, dann macht man etwas falsch. Wenn man Erfahrungen mitnimmt wie Freundschaft, Leidenschaft, Ekstase, dann macht man alles richtig.

Manuel: Man lernt, dass Auszeichnungen und höhere Gagen und grössere Hallen nicht wirklich das Gefühl steigern können.

Nach der Veröffentlichung von „Niente“ steht erstmal länger kein Termin mehr an. Sehnen Sie sich nach einer Pause?

Marco: Ich fühle mich nicht überlastet, muss ich sagen. Einfach aussteigen, ginge aber auch nicht. Das ist ein Zug, der fährt. Du kannst zwar zwischen den Wagons hin und herlaufen, du kannst entscheiden, an welchem Fenster du hockst oder schauen, wie es vorne beim Lokführer aussieht. Aber du kannst nicht runterspringen.

Aber irgendwann hält jeder Zug mal an?

Marco: Weiss ich nicht. Es gibt Bands, die gehen zugrunde. Wir haben’s nicht vor.

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