Dave Kaufmann: «Ich bin nicht der Sohn von, ich bin der Dave!»

Dave Kaufmann hat sich mit viel Arbeit und Energie aus dem Schatten seines berühmten Vaters Günther Kaufmann herausgesungen.

„Wenn du dich nicht selbst verkaufen kannst, hast du überhaupt keine Chance“: Sänger und Entertainer Dave Kaufmann (48) weiss, wovon er spricht. Aufgewachsen im damaligen Münchner Problemviertel Neuperlach hat sich der heute 48-Jährige aus eigener Kraft eine Musikkarriere aufgebaut – ganz ohne die Hilfe seines prominenten Vaters, des verstorbenen Schauspielers Günther Kaufmann (1947-2012). „Ich bin nicht der Sohn von, ich bin der Dave“, stellt er im Interview klar und blickt mit uns auf ein bewegendes Leben voller Höhen und Tiefen zurück.

Von Promi-Bonus kann bei Ihrem Lebensweg keine Rede sein. Sie sind in Neuperlach aufgewachsen, weit weg vom Starleben Ihres berühmten Vaters.

Dave Kaufmann: Ja, als ich in Neuperlach gelebt habe, hatte ich mit meinem Dad rein gar nichts zu tun. Er lebte 2’500 Kilometer weit weg in Portugal. Wir haben uns vielleicht einmal im Jahr gesehen, wenn er gerade Mal in der Stadt war. Meine Mutter war damals der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich war gerade 17 Jahre alt, als sie starb und stand plötzlich ganz alleine da. Ich hatte zwar ein Dach über dem Kopf, aber emotional war ich vollkommen alleingelassen. Doch irgendwie habe ich trotzdem die Schule und eine Lehre zum Maler und Lackierer durchgezogen. Keine Ahnung, woher ich damals die Kraft genommen habe. Mein einziger Halt war mein Freundeskreis. Viele sind damals der neuen In-Droge Heroin zum Opfer gefallen. Ich träume heute noch von ihnen und sehe ihre Gesichter. Es ist für mich immer noch schmerzlich und unerklärlich, warum so viele sterben mussten. Ich selbst habe das Zeug Gott sei Dank nie angefasst.

Tragen Sie es Ihrem Vater nach, dass er damals nicht für Sie da war?

Kaufmann: Nein, das habe ich nie gemacht. Ich weiss, dass ihm das alles Leid tut, das hat er mir auch selbst gesagt. Und damit existiert alles Schlechte oder Negative für mich nicht. Mein Vater hatte selbst eine schwere Kindheit. Als Schwarzer im Nachkriegsdeutschland musste er sich einiges gefallen lassen.

Haben Sie selbst je unter Ihrer Hautfarbe gelitten?

Kaufmann: Ein Junge hat mich auf dem Fussballplatz mal als Negerjunge beschimpft. Wir hatten uns wegen einer Lappalie auf dem Platz gestritten. Dieses Wort hat mich unheimlich getroffen. Ich habe angefangen, bei 30 Grad langärmelige Pullover zu tragen, weil ich nicht braun werden wollte. Ich habe mir gewünscht, Christian zu heissen, und meinem amerikanischen Namen für immer abzulegen. Ich habe mich dafür geschämt. Ich habe mich geschämt, dunkel zu werden. Heute denke ich mir, wie bescheuert ist das denn?

Heute blicken Sie auf ein ganz besonderes Verhältnis zu Ihrem Vater zurück. Wie haben Sie nach all den Jahren doch noch zusammengefunden?

Kaufmann: Mit Anfang 20 bin ich einige Male mit ihm nach Portugal gefahren. Er hatte dort ein wunderschönes Haus, sein ganzer Stolz. Allein auf der Autofahrt von Deutschland nach Portugal haben wir stundenlange Gespräche geführt. Er hat mir das Kochen beigebracht und einen ganz neuen Lifestyle aufgezeigt. Unsere Beziehung ist immer intensiver geworden. Als er dann schliesslich nach Deutschland zurückgezogen ist, haben wir jeden einzelnen Tag miteinander telefoniert. Wir haben ziemlich viel aufgeholt, was wir versäumt haben. Natürlich gab es auch ab und an Streitereien, aber letztendlich haben wir immer die Kurve gekriegt. Wir waren mehr als Vater und Sohn, wir waren auch die besten Freunde.

Wie sehr hat Sie der plötzliche Tod dann getroffen?

Kaufmann: Er hat mich so aus der Bahn geworfen, dass ich vier Tage nicht richtig atmen konnte. Man denkt ja, irgendwann ist man es gewohnt, dass Leute sterben. Aber es geht immer schlimmer. Und zwar dann, wenn deine Eltern sterben. Das ist ein Gefühl, das man nicht erklären kann. Das wird jeder leider für sich selbst durchleben müssen. Für mich war die Welt plötzlich dunkel. Ich habe nie daran gedacht, mich umzubringen. So ein Typ bin ich nicht. Aber es hat mich in den Abgrund gerissen. Meine Familie hat mir letztendlich den Halt gegeben. Vor allem als dann meine Tochter geboren wurde.

Sie waren in dem letzten Film Ihres Vaters „Kleine Morde“ zu sehen. Hat er auch versucht, Ihre Musikkarriere anzukurbeln?

Kaufmann: Nein, mein Vater hat mir in der Beziehung überhaupt nicht geholfen. Ehrlich gesagt, konnte er das auch gar nicht gross. Dafür unterstützte er mich in Sachen Schauspielerei. Ich hätte in einem Film über sein Leben, den jungen Günther Kaufmann spielen sollen. Es war schon alles geregelt und in trockenen Tüchern. Doch es sollte nicht mehr dazu kommen. Aber durch ihn habe ich meine Liebe zur Schauspielerei entdeckt. Wenn ich eine Kamera sehe, bin ich wie mein Dad, man kann mich kaum bremsen.

Mit dem „Supertalent“, wo Sie 2009 den vierten Platz belegt haben, kam dann schliesslich Ihre Musikkarriere ins Rollen.

Kaufmann: Ja, ich habe immer versucht, Aufnahmen zu machen und zu verschicken. Aber es hat nie irgendjemanden interessiert. Damals arbeitete ich noch als Fensterputzer und hatte sogar eine eigene kleine Firma. Zum ‚Supertalent‘-Casting habe ich mich dann eher aus Spass angemeldet, ohne irgendetwas zu erwarten. 1’000 Leute sangen damals vor und ich war schliesslich einer der 30 Auserwählten, die es in die Show geschafft haben. Anfangs wollte ich RTL verbieten, zu sagen, wer mein Vater ist. Doch der Sender liess nicht locker und mir blieb keine Wahl. Ich nehme es ihnen aber auch nicht übel, so ist das eben im Fernsehen. Ich bin rückblickend selbst überrascht, wie viel ich damals von mir preisgegeben habe. Ich habe Dinge aus meinem Leben erzählt, die kaum jemand wusste. Der Tod meiner Freunde, meiner Mutter. Ich habe vor Millionen von Menschen eine Art Therapie gemacht. Ich bin froh, dass ich mitgemacht habe. Denn das war der Startschuss für meine Karriere.

Wie ging es dann weiter?

Kaufmann: Ich habe meinen Fensterputz-Job gekündigt und alles auf eine Karte gesetzt. Das war schliesslich immer mein Traum. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit 40 noch eine Karriere starten würde. Aber ich sage immer, man ist nie zu alt für etwas. Ich bin nur zu alt, wenn ich tot bin. Natürlich musste ich erstmal viel aufgeben und ziemlich viel auf eigene Kosten investieren. Singen ist das eine, das Weiterkommen ist das Schwierige. Viele meiner Kollegen machen den grossen Fehler und verlassen sich zu sehr auf irgendwelche Agenturen. Wenn du dich nicht selbst verkaufen kannst, hast du überhaupt keine Chance.

Die harte Arbeit hat sich gelohnt. Heute jagt ein Auftritt den nächsten.

Kaufmann: Ja, ich bin wirklich schon überall aufgetreten. Auch in den USA. In New York wurde ich fast von der Bühne gerissen, so begeistert waren die Zuschauer. Auf dem Oktoberfest vor wenigen Wochen habe ich zum zweiten Mal in Folge jeden Abend im Weinzelt performt. Und ich bin der aktuell einzige singende Ringsprecher. Bei der Box-Veranstaltung ‚Petko’s Fight Night‘ stelle ich nicht nur die Kontrahenten vor. Zum Hauptkampf singe ich zudem immer eine Nummer.

Mit Ihren Swing-Nummern erinnern Sie an die ganz Grossen wie Frank Sinatra oder aktuell auch Michael Bublé. Haben Sie irgendwann mal damit geliebäugelt, auch auf den florierenden Schlagerzug mit aufzuspringen?

Kaufmann: Nein. Da kann ich auch viele meiner Kollegen nicht verstehen, die plötzlich zum Schlager wechseln, nur weil der gerade boomt. Das ist sowas von an den Haaren herbei gezogen und unehrlich. Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Leute damals auf mich eingeredet haben: ‚Dave mit Swing, das ist schwierig, mach doch lieber was anderes.‘ Nein, ich mache nichts anderes. Ich mache das, was in meinem Herzen ist. Trotzdem finde ich Schlager super. Ich vergöttere Helene Fischer. Mit ihr mal was zu machen, das wäre ein Traum.

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