Yoshiki von X Japan: «Der Rock hat mein Leben gerettet»

Die japanische Rock-Band X Japan ist in ihrer Heimat ein Mega-Seller. Hierzulande kennen nur wenige Menschen die Gruppe. Wie und warum sie das nun ändern wollen, verrät Band-Leader Yoshiki im Interview. Ausserdem wirft er einen Blick zurück auf die traurige Geschichte der Formation.

Die Geschichte der japanischen Rockband X Japan ist von extremen Hochs und Tiefs geprägt. Die 1982 von Drummer und Songwriter Yoshiki Hayashi (51) gegründete Band ist in ihrem Heimatland extrem erfolgreich. Allein 30 Millionen Platten hat sie bereits verkauft, sage und schreibe 18 Mal waren ihre Auftritte im Tokyo Dome mit 55’000 Plätzen ausverkauft – keine Frage, die Band wird von Millionen Fans vergöttert. Bis heute gilt sie als Mitbegründer der Visual-Kei-Bewegung, die vor allem wegen ihren wilden Outfits und einer ebenso wilden Mischung verschiedenster Rockstile auch ausserhalb Japans bekannt wurde. Bis heute wird die Band von einer Heerschar nachfolgender Bands dieses Genres als Einfluss und Inspiration genannt.

Doch der Ruhm brachte auch Schattenseiten mit sich. 1997 verliess Toshimitsu Deyama, Sänger, Gründungsmitglied und Kindheitsfreund von Mitbegründer Yoshiki die Formation. Er schloss sich einem geheimnisvollen Kult an, der, so sagt er es selbst, ihn einer Gehirnwäsche unterzogen hatte. Kurz darauf, 1998 beging Gitarrist Hideto Matsumoto Selbstmord, 2001 dann auch der ehemalige Bassist Taiji Sawada. Zehn Jahre lange wurde X Japan auf Eis gelegt. 2011 folgten die Wiedervereinigung und eine Welt-Tour. Seit dem warten die Fans auf neues Material.

Doch zunächst präsentieren X Japan jetzt eine Dokumentation über den Werdegang der Band. „We Are X“ von Regisseur Stephen Kijak wurde Anfang 2016 beim „Sundance Film Festival“ erstmals gezeigt und erlebte nun auch in Europa seine Premiere. Grund genug, um Bandleader Yoshiki bei der Deutschland-Premiere in Berlin zu einem Gespräch zu bitten. Darin spricht er über die heilende Kraft der Rock-Musik, die schmerzhafte Arbeit an der Dokumentation und warum er es als seine Pflicht ansieht, X Japan auch über die Grenzen Japans hinaus, zur grössten Rock-Band des Planeten zu machen.

Sie haben sehr früh begonnen, Klavier zu spielen und haben eine klassische Ausbildung genossen. Ihren ersten Song haben Sie geschrieben, da waren Sie gerade mal zehn Jahre alt. Was hat Sie damals dazu bewegt, Musik zu schreiben?

Yoshiki: Mein Vater kaufte fast jede Woche eine neue Vinyl mit klassischer Musik – das habe ich damals ständig gehört. Ich glaube, ich habe mit dem Komponieren angefangen, nachdem mein Vater starb. Ich wollte einfach irgendwie meinen Gefühlen Ausdruck verleihen. Der erste Song, den ich geschrieben habe, war ein klassisches Stück.

Wieso haben Sie sich dann später der Rock-Musik zugewandt?

Yoshiki: Mein Vater beging Selbstmord und ich war sehr wütend und traurig. Da habe ich Kiss für mich entdeckt. Rock-Musik passte perfekt zu diesen Umständen und meinen Emotionen.

Warum glauben Sie, dass Rock-Musik diese starke Anziehungskraft auf Menschen hat, die eine schwere Zeit durchmachen?

Yoshiki: Wenn man so etwas durchmacht, dann will man glaube ich einfach seinen Schmerz in die Welt hinaus schreien. Rock ist dafür ein sehr gutes Ventil und es hat die Kraft, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. In gewisser Weise hat die Rock-Musik mein Leben gerettet.

Denken Sie, Sie wären Rock-Musiker geworden, wenn Ihr Vater heute noch am Leben wäre?

Yoshiki: Gute Frage, ich glaube aber eher nicht. Ich denke, dann würde ich bis heute klassische Musik spielen. Wobei ich nie aufgehört habe, Klassik zu spielen.

Sie werden als Mitbegründer des Visual-Kei gesehen. Es gibt kaum eine Band aus diesem Genre, die X Japan nicht als Einfluss nennt. Wie stehen Sie heute zu Ihrem Erbe?

Yoshiki: Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass die Visual-Kei-Bewegung sich so weit ausbreitet, auch ausserhalb Japans. Es macht mich einfach nur glücklich, dass die Menschen sich dieser Bewegung angeschlossen haben. Aber ich mache einfach nur Musik, weil ich Musik liebe. Ich fühle mich immer noch wie ein Kind. Ich bin weit davon entfernt, jetzt schon von einem Erbe zu reden.

Sie hatten mit X Japan nicht nur grossen Einfluss auf die japanische Musik, sondern auch auf die japanische Gesellschaft. Wie stolz sind Sie darauf?

Yoshiki: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich schon auf etwas stolz sein kann, weil ich noch lange nicht alles erreicht habe, was ich erreichen will.

Was wollen Sie noch erreichen?

Yoshiki: Meine verstorbenen Band-Mitglieder wollten international erfolgreich sein. Ich wünschte, wir hätten das erreicht so lange sie noch am Leben waren. Es war ihr Traum und ich muss diesen Traum erfüllen.

Was werden die nächsten Schritte sein, um international erfolgreich zu werden?

Yoshiki: Wir sind gerade dabei ein Album fertigzustellen. Unser erstes Album seit 21 Jahren. Wir werden es weltweit veröffentlichen und hoffentlich dann auch weltweit touren. Es werden einige Songs darauf sein, die ich vor langer Zeit geschrieben habe und einige, die ich erst vor Kurzem fertiggestellt habe.

Ihre schrillen Outfits wurden damals von vielen Leuten als dekadent bezeichnet. Warum glauben Sie wurde dieser Begriff dafür benutzt?

Yoshiki: Ich habe keine Ahnung. Wir waren einfach nur verrückt und haben nicht wirklich darüber nachgedacht. Wir liebten den Gothic-Style. Wir rebellierten im Grunde gegen alles. Wir haben immer das Gegenteil von dem gemacht, was uns die Leute geraten haben. Wir waren die schwarzen Schafe der Familie und fühlten uns nirgendwo zugehörig.

Sehen Sie sich trotz des immensen Erfolges heute noch als Rebell?

Yoshiki: Absolut. Ich will mich nicht einschränken. Ich rebelliere gegen Menschen, die Dinge kategorisieren wollen und Mauern zwischen den Menschen aufbauen. Ich denke das Wort, Freiheit beschreibt es am besten – besonders in der Kunst-Welt.

Wie waren die Arbeiten an der Dokumentation. Sind dadurch viele Erinnerungen und Emotionen wieder hochgespült worden?

Yoshiki: Während der Interviews musste ich einige Türen in die Vergangenheit wieder aufstossen, die ich für eine lange Zeit zugesperrt hatte. Zu Beginn hatte ich auch nicht geglaubt, dass mir die Arbeit an dem Film helfen würde. Doch gegen Ende empfand ich die Gespräche als sehr therapeutisch. Als wir damit fertig waren, fühlte ich mich tatsächlich besser.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie den Film dann das erste Mal gesehen haben?

Yoshiki: Es ist bis heute noch sehr schmerzhaft für mich. Ich habe den Film bestimmt 20 Mal gesehen und ich muss immer noch jedes Mal weinen.

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