Anti-Flag: «Trump versucht, Rassismus in den USA salonfähig zu machen»

Auf ihrem zehnten Studioalbum zeigen sich die Politpunk-Legenden von Anti-Flag angriffslustiger denn je. Das hat auch einen Grund: Mit Donald Trump im Weissen Haus können die US-Musiker wenig anfangen.

Auf „American Spring“ (2015) folgt „American Fall“. Die Politpunk-Legenden von Anti-Flag („This Is The End“) überspringen mit ihrer neuen Platte, die am 3. November erscheint, nicht nur sinnbildlich den Sommer. Herbststimmung ist angesagt, denn Donald Trump (71) ist dem Viererpack aus Pittsburgh ein gewaltiger Dorn im Auge. Wenig überraschend dreht sich im Interview mit Frontmann Justin Sane (44) daher vieles um den US-Präsidenten und die Konsequenzen seiner Politik.

Das Album-Cover von „American Fall“ zeigt einen Totenkopf aus Geldscheinen im Oval Office. Warum haben Sie sich für dieses Bild entschieden?

Justin Sane: Wir sind der Meinung, dass Donald Trump seinen Job nicht erledigt. Der leere Stuhl symbolisiert die Rolle, die er momentan spielt. Er spaltet das Land mit seinen hasserfüllten Worten und tritt nicht wie ein Präsident auf. Sein einziges Ziel ist es, möglichst viel Profit für sich und seine Freunde herauszuschlagen. Die Öl- und Gasindustrie sind unter ihm die grossen Gewinner. Sie dürfen die Luft und das Trinkwasser verschmutzen, solange sie damit genug Geld verdienen. Es ist erschreckend, aber Trump hat einfach kein Interesse am Umweltschutz. Der Totenkopf soll den Schaden verdeutlichen, den er mit seiner Politik anrichtet.

Ihr letztes Album trug den Namen „American Spring“, das neue heisst „American Fall“. Wollen Sie damit auf die düstere Herbststimmung anspielen, die derzeit viele Amerikaner verspüren?

Justin Sane: Das trifft es ziemlich gut. Viele Amerikaner sind mit Blick auf die derzeitige Lage frustriert. Das Land scheint durch Donald Trump seinen moralischen Kompass verloren zu haben, es fühlt sich teilweise wie ein moralischer ‚Blackout‘ an. Der Song ‚The Criminals‘ prangert dieses Dilemma an: Was passiert mit einer Nation, wenn der finanzielle Aspekt bei den wichtigsten politischen Entscheidungen im Vordergrund steht?

Abgesehen von der politischen Botschaft: Worauf dürfen sich Ihre Fans musikalisch einstellen?

Justin Sane: Wir sind und bleiben eine Rockband. Wer unsere alten Alben kennt, weiss auch, worauf er sich bei ‚American Fall‘ einlässt. Aber natürlich haben wir neue Sachen ausprobiert. ‚Finished What We Started‘ ist zum Beispiel ein völlig unbeschwerter Popsong. Andere Songs versuchen hingegen, den Sound unserer alten Platten einzufangen. Auch wenn unsere Texte Themen wie Rassismus oder Hass behandeln, haben wir versucht, die meisten Songs schnell und poppig klingen zu lassen. Als Vorbild dienten uns auch The Clash, die ihr Album ‚London Calling‘ (1979) in einer Zeit schwerer sozialer Spannungen in Grossbritannien veröffentlichten. Da lassen sich durchaus Parallelen zu der momentanen Situation in den USA ziehen.

Zum ersten Mal war Benji Madden von Good Charlotte als Co-Produzent mit an Bord. Wie gross war sein Einfluss auf das neue Album?

Justin Sane: Benji ist ein guter Freund der Band. Er ist ein talentierter Musiker, der es versteht, eine Umgebung zu schaffen, in der effektiv gearbeitet werden kann. Er war auch nicht als Produzent vorgesehen – er war nur ein Freund, der uns Tipps gab. Irgendwann schlug er uns vor, nach Los Angeles zu kommen, um mit ihm dort an unserem Album zu arbeiten. Dadurch entkamen wir dem Alltagstrott und konnten uns auf unsere Songs fokussieren. Benjis grosse Stärke ist sein Gespür für Musik. Selbst bei einem halb fertigen Song erkennt er bereits die Richtung, in die es gehen soll. Sein Einfluss gab dem Album eine besondere Note, die ohne ihn gefehlt hätte.

Sie haben den Song „Racists“ eine Woche nach den tödlichen Krawallen von Charlottesville auf Facebook veröffentlicht. Sehen Sie es als Ihre Pflicht an, sich in der Öffentlichkeit klar zu positionieren?

Justin Sane: Auf jeden Fall. Der Vorfall in Charlottesville hat mich nicht überrascht. Donald Trump hat mit seinen Worten rechte Faschisten auf der ganzen Welt ermutigt. Wenn sich jemand in einer so mächtigen Position nicht klar gegen Rassenhass ausspricht und den Rechten mit seiner Politik sogar noch das Gefühl gibt, im Recht zu sein, sind die Ereignisse von Charlottesville die Folge. Also liegt es an uns und den Leuten da draussen klar zu sagen: ‚Euer Verhalten wird Konsequenzen haben! Nur weil es für den Präsidenten ok ist, heisst das nicht, dass wir damit einverstanden sind!‘ Trump versucht Rassismus, Sexismus, Homophobie und Islamophobie in den USA salonfähig zu machen. Aber das werden wir nicht zulassen. Es ist unsere Pflicht, gegen jede Form von Hass einzustehen.

Viele der neuen Songs zeichnen ein düsteres Bild von der amerikanischen Gesellschaft. Das Video zu „American Attraction“ kommt wie ein Rundumschlag daher. Fühlen Sie sich in Ihrer Kritik der vergangenen Jahre bestätigt?

Justin Sane: Die USA sind letztendlich wie jedes andere Land auf unserem Planeten. Es gibt gute Menschen und es gibt schlechte. Wollen wir nicht alle dasselbe? Einen sicheren Platz zum Leben, Zugang zu einem funktionierenden Gesundheitssystem und sauberes Wasser. Wir geniessen als Band das Privileg, um die ganze Welt reisen zu können und dabei immer wieder neue Leute kennenzulernen. Dabei merkt man ziemlich schnell, dass fast alle Menschen gleich sind. Und genau diese Botschaft wollen wir auch mit unserem neuen Album transportieren. Wir sind nicht männlich oder weiblich, schwarz oder weiss, homo- oder heterosexuell. Wir sind keine Nationen oder Grenzen, wir sind einfach nur Menschen.

Vorheriger ArtikelAusgefallene Kürbisrezepte zum Nachkochen
Nächster ArtikelArnold Schwarzenegger: Warum ist er noch trotz Seitensprung nicht geschieden?