Donots: «Deutsche Pop-Musik ist haltungslos»

Mit „Lauter als Bomben“ veröffentlichen die Donots ihr zweites deutschsprachiges Album. Sänger Ingo Knollmann verrät im Interview warum er keinen deutschsprachigen Pop mag und was sich für seine Band seit dem Sprachwechsel verändert hat.

2015 haben es die Donots gewagt: Die Punkrocker aus Ibbenbüren veröffentlichten ihr erstes deutschsprachiges Album „Karacho“ und landeten damit direkt in den Top Fünf der deutschen Charts. Nun folgt mit dem neuen Album „Lauter als Bomben“ der zweite Streich auf Deutsch. Sänger Ingo Knollmann (41) verrät im Interview, warum er nichts mit deutscher Pop-Musik anfangen kann und was sich seit dem Sprachwechsel für die Donots verändert hat.

„Lauter als Bomben“ ist Ihr zweites Album auf Deutsch. Der erste Anlauf, auf Deutsch zu texten, war sicher kein leichter. War der zweite nun einfacher?

Ingo Knollmann: Viele haben mich gefragt, ob der Druck dieses Mal nicht total gross gewesen sei, weil das erste deutsche Album so gut angekommen ist. Ehrlicherweise aber gar nicht. Es hat sich viel, viel lockerer für uns angefühlt. Sowohl das Songwriting, als auch das Texten. Nachdem „Karacho“ fertig aufgenommen war, habe ich kontinuierlich weiter getextet, weil es mir so viel Spass gemacht hat, auf Deutsch zu schreiben. Sowieso hat uns das viele positive Feedback sehr beflügelt und sehr viel frischen Wind in den Proberaum gebracht. Der ganze Prozess für „Lauter als Bomben“ war sehr natürlich und druckfrei.

Wenn „Karacho“ nicht so gut aufgenommen worden wäre, gab es bei Ihnen jemals die Überlegung, eventuell wieder auf Englisch zu singen?

Knollmann: Man muss fairerweise sagen, dass wir „Karacho“ auch auf Englisch eingesungen haben, für die Märkte in Japan oder den USA. Die Texte für „Lauter als Bomben“ habe ich ebenso simultan zu den Deutschen auch auf Englisch geschrieben. Wenn „Karacho“ völlig auf taube Ohren gestossen wäre, hätten uns die Shows wahrscheinlich auch nicht so viel Spass gemacht. Jetzt brüllt uns die ganze Halle unsere Texte entgegen, auf einigen der grössten Shows, die wir in 23 Jahren Donots jemals spielen durften – das fühlt sich schon nicht real an.

Sie haben sich als Band schon immer politisch klar positioniert. Jetzt da Sie auf Deutsch singen, haben Sie das Gefühl, dass Ihre Message noch besser bei den Hörern ankommt?

Knollmann: Es ist in der Tat ganz merkwürdig. Den wir hatten im Grunde immer eine, ich möchte nicht sagen politische, aber eine soziale Agenda. Wir haben mit Kampagnen zusammengearbeitet, um diesen Planeten ein bisschen besser zu machen. Aktionen, die uns wichtig und gut erschienen. Wie „Kein Bock auf Nazis“ oder „Amnesty International“. Durch den Sprachwechsel liegt aber offenbar viel mehr auf dem Präsentierteller.

Wobei als wir über den Sprachwechsel diskutiert haben, war ich etwas skeptisch. Weil ich deutschen Texten sehr kritisch gegenüberstehe. Das meiste, was ich kenne, finde ich richtig scheisse. Viel ist einfach haltungslos, Wischiwaschi und tut möglichst niemand weh. Was eigentlich immer der Anspruch war, den ich an Punk hatte. Letzten Endes wollte ich es probieren, mich aber vorher einnorden und meine alten Deutsch-Punk-Platten ausgraben.

Diese Haltungslosigkeit in der heutigen deutschen Pop-Musik hat auch Jan Böhmermann mit seinem Song „Menschen Leben Tanzen Welt“ schon klar kritisiert.

Knollmann: In der Tat, nur hat er das Ganze eher aus dem Industrie-Blickwinkel beleuchtet. Sprich: Wie maschinell solche 3:30 Minuten Weichspül-Radio-Pop-Nummern geschrieben werden und wie gesichtslos das Ganze ist. Aber es gibt nun mal Leute, denen das gefällt. Und wer bin ich denn schon, mir eine Meinung darüber zu erlauben, was in den Ohren von anderen Leuten gute oder schlechte Musik ist. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass das was im Radio läuft, niemandem negativ auffallen darf. Am besten sollte es gar nicht auffallen. Mich hat Musik immer dann am meisten gepackt, wenn sie Reibung verursacht hat.

Wenn man so auf Facebook durch seine Timeline scrollt, dann sieht man immer zwei Seiten: Die einen sagen, man müsse auch mit Rechtsradikalen reden. Die anderen sagen, warum mit Menschen reden, die anderen den Tod wünschen. Wie sehen sie das?

Knollmann: Grundsätzlich bin ich ein Mensch, der für offene Diskussionen und Austausch ist. Der Welt kann nichts Besseres passieren, als eine gute, gesunde und ehrliche Kommunikation. Mittlerweile muss ich aber sagen, dass ich nicht mehr viel mit Faschos reden werde. Leute, die ethnische Säuberungen beklatschen oder den Holocaust leugnen, mit diesen Leuten möchte ich nicht sprechen. Und seien wir mal ganz ehrlich: In einer Diskussion, in der zwei Seiten eine ganz klare Meinung haben, wird niemand den anderen umstimmen.

Marina Weisband, die Kolumnistin des Deutschlandfunks, hat kürzlich gefordert, dass Rassismus nicht mit Öffentlichkeit belohnt werden soll. Ist nicht jedes Wort, jedes Statement oder jeder Song, den man drüber schreibt, nicht bereits einer zu viel?

Knollmann: Das ist immer die Frage. Indem man eine Gegenposition zu etwas einnimmt, rückt man natürlich die andere Position in den Fokus. Auf der anderen Seite: Nichts machen und schweigen ist das Schlimmste, was passieren kann. Deshalb nehme ich das so in Kauf.

Knapp eine Woche bevor Ihre Single „Keiner kommt hier lebend raus“ veröffentlicht wurde, riss ein Selbstmordattentäter beim Konzert von Ariana Grande in Manchester mehrere Menschen in den Tod. Waren Sie erschreckt, wie aktuell die Single auf einmal war?

Knollmann: Total. Wir haben den Release dann um eine Woche nach hinten verschoben, weil der Song einen Tag danach erschienen wäre. Das hätte wie eine direkte Promo-Massnahme gewirkt. Es war schon sehr erschreckend. Und einige Wochen später waren wir ja dann auch in einer Situation, in der wir uns noch viel mehr damit auseinandersetzen mussten. Bei „Rock am Ring“ und mit der vermeintlichen Terrorwarnung. Wir waren die erste Band, die wieder auf die Bühne gegangen ist, nachdem der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde. Da muss man dann die passende Tonalität finden.

Stichwort „Rock am Ring“ Was geht einem da durch den Kopf?

Knollmann: Zunächst haben wir uns beratschlagt, was wir denn überhaupt machen. Weil es zuerst hiess, dass kein Bus am Ring rein oder raus kommt und dass das komplette Gelände abgeriegelt sei. Dann wurde der Spielbetrieb aber letzten Endes wieder aufgenommen. Trotzdem spürte man, das Publikum wie Bands zwar erleichtert waren, aber gleichermassen verunsichert. Gerade in so einer Situation war es uns dann wichtig, mit einer „Jetzt erst Recht“-Haltung da ran zu gehen und eben lauter zu spielen, als das Rattern von den Angstmaschinen.

Sie wirken wie ein lebensfroher, immer gut gelaunter Mensch. Wie behalten Sie in diesen Zeiten Ihren Optimismus.

Knollmann: Es ist leicht, sich in diesen Zeiten in negativen Gedanken zu verlieren. Aber das ist auch die andere Seite an „Lauter als Bomben“, das die besten Zeiten mit Familien und Freunden hochleben lässt. Sicher, man hat überall Probleme, aber es gibt auch überall Menschen, die entschieden dagegen sind. Eine gute Seite in jeglicher Diskussion einnehmen. Das lässt mich hoffen. Wenn nach unseren Shows die Lichter angehen und 2.000 Menschen „Nazis raus“ rufen, denk ich mir, dass vielleicht doch nicht alles so scheisse ist. Ausserdem freue ich mich im Leben über die kleinen Dinge. Ich habe seit zweieinhalb Jahren eine Tochter und das ist für mich das aller Schönste. Aus solchen Dingen ziehe ich viel mehr, als mich von den negativen Dingen runterziehen zu lassen.

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