Conchita Wurst: «Ich frage mich, ob ich jemals wirklich verliebt war»

From Vienna with Love“ nennt sich das zweite Album von Conchita Wurst. Im Interview spricht Wurst über die Liebe (zu sich selbst), Ex-Freunde, Familienplanung und über homophobe Anfeindungen.

Für Conchita Wurst (29) war das neue Album „From Vienna with Love“ ein echter Kraftakt. Fast anderthalb Jahre dauerte es von der Idee bis zur Vollendung des Albums mit den Wiener Symphonikern. Kein Wunder also, dass Wurst im Interview mehr als glücklich ist. Ausserdem spricht der 29-Jährige über die emotionale Verbindung mit den Stücken, verflossene und zukünftige Partner, homophobe Anfeindungen und die Suche nach Identität.

Ihr Projekt mit den Wiener Symphonikern hat eine rund anderthalbjährige Vorbereitungszeit in Anspruch genommen. Wie fühlt es sich an, dieses Mamutprojekt jetzt endlich auch einer breiteren Masse vorzustellen?

Conchita: Es fühlt sich grossartig an. In der Produktionszeit und im Studio war ich am Verzweifeln, ob das jetzt wirklich gut wird oder nicht. Die Symphoniker haben es eingespielt und es war einfach wunderschön. Ich dachte mir, dass man es auch einfach so lassen könnte und es nicht durch meine Stimme verderben sollte. Aber jetzt bin so happy und so stolz, dass ich es mir drei Wochen am Stück angehört habe. Es ist auch erst mein zweites Album. Mein erstes Album habe ich On The Road aufgenommen, mit Songs, die für mich geschrieben wurden, die ich nicht wirklich kannte und zu denen ich keine wirkliche emotionale Verbindung gespürt habe. Ich will die Songs und die Songwriter nicht schmälern, aber ich habe sie nicht gespürt.

Mit „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ ist auch ein Song von Hildegard Kneef auf dem Album. Was bedeutet Ihnen dieser Song? War sie ein Vorbild?

Conchita: Definitiv. Mit den meisten dieser Interpreten, die auf dem Album sind, habe ich ein Stück weit in frühen Jahren das Singen gelernt. Was mich bei einer Hildegard Kneef, einer Marlene Dietrich oder all diesen grossen Namen besonders fasziniert hat, ist die Melancholie, die in ihren Liedern mitschwingt. Dieses Gefühl, was sie darin transportiert, ist unglaublich. Und gerade bei „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ denke ich mir, dass der Text extra für mich geschrieben wurden – auch wenn es bestimmt vielen Menschen so geht.

Auf dem Album ist auch der selbst geschriebene Song „Have I Ever Been in Love“. Glauben Sie nicht an die wahre Liebe?

Conchita: Doch, aber ich stelle mir tatsächlich die Frage, ob ich jemals wirklich verliebt war. Das tut mir leid für alle meine Ex-Freunde, aber sie sind nicht umsonst meine Ex-Freunde. Ich habe grossartige Freundschaften, die so unfassbar schön sind, das muss das Mindestmass sein, was die wahre Liebe mitbringen muss. Ein gegenseitiges natürliches Verständnis, das weder auf Eitelkeiten, noch Erwartungshaltungen basiert, dass man sich nimmt, wie man eben ist. Aber: Man muss sich selbst kennen und verstehen, um mit jemandem eine Verbindung eingehen zu können. Denn nur wenn man sich selbst versteht, kann man sich auf andere wirklich einlassen.

Was muss Ihr Traummann mitbringen?

Conchita: Es gibt eine lange Liste an Oberflächlichkeiten, die ich jetzt nennen könnten und es gibt natürlich Männer, denen ich nachschaue. Aber ich komme immer zu dem Schluss, dass ich keinen Typ habe. Er muss einfach perfekt sein. Damit meine ich aber nicht, dass er keine Ecken und Kanten haben darf. Perfekt ist eine Beziehung für mich dann, wenn man einfach so sein kann, wie man ist und sie mühelos ist. Aber ich weiss natürlich, dass eine Beziehung auch Arbeit bedeutet.

Gehen wir einen Schritt weiter und der Traummann ist gefunden. Wünschen Sie sich eine Familie?

Conchita: Also ich wäre jetzt bereit und soweit, Onkel zu werden – meine ich zumindest. Ich würde aber auch schon etwas von mir weitergeben wollen. Vielleicht nicht jetzt, weil ich immer noch auf der Suche nach mir selbst bin, auch wenn niemand jemals dort ankommt. Ich glaube, ich habe noch zu wenig Erfahrung, um wirklich jemandem etwas beizubringen. Ich denke aber, dass ich ein cooler Papa wäre.

Sie wollen heute mehr als Mann wahrgenommen werden. Was war der Auslöser dafür?

Conchita: Es ist interessant, dass jeder daran interessiert ist, es aber eine wahnsinnig langweilige Geschichte ist. Als ich klein war, habe ich oft Dinge gehört wie: ’sprich nicht wie ein Mädchen‘ oder ,ziehe dich nicht an wie ein Mädchen‘. Dann stellt man sich aber die Frage, ob man dann als Mann, auch männlich genug ist, um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Aus diesem Prozess heraus, habe ich meine Weiblichkeit in einem Ausmass gelebt, wie es die wenigstens machen würden oder können. Dabei habe ich aber auch zu mir gefunden. Das macht Drag. Runter gebrochen: Ganz viele Menschen lieben den Karneval, weil sie für einen Abend lang, jemand anderes sein können. Was aber passiert ist, dass sie sie selbst sind. Und wenn man das einmal erlebt hat, kompromisslos man selbst zu sein, was das für eine Resonanz zeigt und wie gut sich das anfühlt, das ist unglaublich.

Warum wollen Sie trotzdem die weibliche Kunstfigur und den Künstlernamen Conchita Wurst beibehalten?

Conchita: Ich hatte viele Momente in den vergangenen Jahren und Monaten, in denen ich dachte, dass ich das nicht mehr bin. Aber diese Figur wird immer ein Teil von mir sein und mich begleiten, auch wenn ich sie irgendwann in den Schrank hänge.

Als 2014 klar war, dass Sie zum ESC fahren, mussten sie massive homophobe Anfeindungen ertragen. Wie reagieren Sie heute auf sowas?

Conchita: Ich bin wahnsinnig ignorant – und das ist auch eine Eigenschaft, die ich mir eingestehen muss. Wenn mich etwas nicht interessiert, interessiert es mich wirklich nicht. Und das ist in diesen Belangen Negativität. Ich kann es gut verkraften, wenn mich jemanden nicht leiden kann. Natürlich nur, wenn mir die Person egal ist. Aber ich will natürlich von den Menschen geliebt werden, die ich toll finde. Viele dieser Politiker, die sich da negativ geäussert haben, kenne ich nicht. Daher sind mir ihre Äusserungen auch egal.

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