Rainhard Fendrich: «Der Ton wird rauer in den sozialen Medien»

Rainhard Fendrichs neues Album heisst „Starkregen“. Welch originelle Geschichte hinter diesem Titel steckt und wie er persönlich mit den sozialen Medien umgeht, verrät er im Interview.

Rainhard Fendrich (64) zeigt auf seinem neuen Album „Starkregen“ einmal mehr, dass ihn der Zeitgeist umtreibt und nachdenklich macht. Auf der Platte, die am 20. September erscheint, singt er über Burnout, den Klimawandel und die sozialen Medien. Im Interview verrät der Sänger, warum es ihm so wichtig ist, das Zeitgeschehen zu reflektieren und wie er persönlich zu Social Media steht.

Der Albumtitel ist unter anderem dem Fehler eines Übersetzungsprogramms geschuldet. Was ist die Geschichte dahinter?

Rainhard Fendrich: Ich hatte das Album fertig und konnte keinen Titel finden. Oft gibt es ein Lied, das man als Überbegriff verwenden kann und das ist dann der Albumtitel. Aber ich konnte mich für kein Lied entschieden, das ich über die anderen stelle und war ziemlich ratlos. Dann gab es diesen Zufall, dass ich einen Flug bei einer spanischen Fluglinie gebucht habe. Da gibt es bei den Fluglinien Übersetzungsprogramme, die das, was du auf Deutsch schreibst, auf Spanisch übersetzen und wieder zurück. Aus meinem Vornamen Rainhard wurde „rain“ und „hard“ – dadurch ist „Starkregen“ entstanden.

Ich war am Anfang ein bisschen verblüfft, weil ich es nicht zuordnen konnte. Es war einfach ziemlich schwierig, das Ticket richtig auszustellen, weil mit „Starkregen“ als Namen konnte ich nicht fliegen. Aber auf der anderen Seite habe ich mir dann gedacht, ist es eigentlich ein guter Titel, weil es ein Wort ist, das immer häufiger in Gebrauch ist, weil es ja keine normalen Klimasituationen mehr gibt. Es gibt keine Schönwetter-Perioden, sondern Hitze- und Trocken-Perioden, und es gibt keine Regen-Perioden, sondern Starkregen, Hagel, Unwetter. Ich habe mir gedacht, das ist ein interessanter Titel.

Sie haben das Album auch schön als „Sinnbild für den zwischenmenschlichen Klimawandel“ beschrieben. Was genau meinen Sie damit?

Fendrich: Der Ton wird rauer in den sozialen Medien. Die Menschen nehmen kein Blatt vor den Mund und noch mehr: Die Hasspostings sind etwas, das in unserer Zeit wirklich „modern“ geworden ist. Wir haben in Österreich ja momentan Wahlkampf und da merkt man auch, dass dieses Dirty Campaigning offensichtlich etwas ist, das zu einem Wahlkampf dazugehört. Das ist wegen der sozialen Medien, in denen jeder seine eigene Meinung sagen kann und da geht es leider Gottes sehr rau zu.

Mit „Starkregen“ reflektieren Sie wieder das Zeitgeschehen wie auch schon in Ihren früheren Werken. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Fendrich: Ich glaube, das ist meine Aufgabe. Das ist die Aufgabe der Kunst, die Zeit zu reflektieren, in der man lebt. Ich bin niemand, der Unterhaltung nur als Bespassung macht. Ich habe ein interessantes Interview von Herbert Grönemeyer gelesen, in dem er sagt: Es ist wichtiger denn je, seine Stimme zu erheben, weil wir doch noch für eine Mehrheit sprechen und wir dort den Finger in die Wunde legen, wo die anderen, die leider keine Stimme haben, nicht schreien können. Das ist die Aufgabe der Kunst. Ich kann eigentlich nur über das schreiben, was um mich herum passiert. Wenn die Themen ernst sind, dann ist die Zeit ernst geworden. Es gibt sicherlich auch Dinge, die heiter sind, aber im Moment sind es Dinge wie der Klimawandel, der politische Umgangston und der Rechtsruck in Europa, an denen kann man als Schreiber gar nicht vorbeigehen.

Auf dem neuen Album gibt es den Song „Social Media Zombie“. Wie gehen Sie denn selbst mit den sozialen Medien um?

Fendrich: Die Musikbranche hat sich in den letzten dreissig Jahren ja extrem geändert. Angefangen hat alles mit dem Vinyl, mit dem ist man in die Rundfunkstationen gegangen, hat die Platten verteilt und die wurden gespielt oder nicht. Man hat eine Sender-Reise gemacht, diverse Sender besucht und Interviews in den Zeitungen gegeben. Heutzutage reicht das nicht mehr aus, weil wir natürlich in einer unglaublich reizüberfluteten Zeit leben, in der man Musik immer und überall hören kann. Die sozialen Netzwerke sind ein Marketing-Tool, ohne das es überhaupt nicht mehr möglich ist, Musik zu verbreiten.

Ich habe selbstverständlich eine offizielle Facebook-Seite und eine Instagram-Seite, die von einem Team betreut wird. Privat nutze ich das nicht, ich bin lieber jemand, der sich in einem persönlichen Gespräch oder maximal per Telefon äussern will. Ich habe schon ein Problem, mit jemandem zu skypen, das ist mir alles ein bisschen zu gruselig. Aber es ist selbstverständlich so, dass ich ohne Facebook und Instagram im Nachteil wäre gegenüber anderen Künstlern. Ich habe auch eigentlich gar nichts gegen soziale Medien, weil das ein wunderbares Tool ist, um zu erfahren, wenn irgendwo auf der Erde etwas passiert: Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Umweltkatastrophen et cetera. Das hat einen grossen Vorteil.

Auf der anderen Seite – und das ist der Punkt, den ich kritisiere – sind vor allem junge Menschen gefährdet, in ein Paralleluniversum abzugleiten, sodass sie die wahre Umgebung gar nicht mehr wahrnehmen, dass sie überhaupt nicht mehr in der Lage sind oder sein wollen, mit jemandem persönlich zu sprechen. Da wird gespostet und auch die Sprache verstümmelt, weil man versucht, sich viel mit Abkürzungen mitzuteilen. Das ist das, was ich kritisiere. Soziale Medien an sich sind eine Bereicherung für unsere Zeit, die globale Vernetzung hat viele Vorteile.

Ein anderes wichtiges Thema, das sie schon in Ihrer ersten veröffentlichten Single behandeln, ist Burnout. Warum ist Ihnen dieses Thema wichtig?

Fendrich: Das ist wieder etwas, das mir begegnet, nicht mir persönlich, aber in meiner Umgebung. Es ist etwas, worüber viel geredet wird und worüber viel geschrieben wird. Es ist tatsächlich so, dass die Weltgesundheitsorganisation es als Volkskrankheit eingestuft hat. Burnout ist nichts anderes als eine Depression. Ich habe mir die Frage gestellt: Warum passiert das? Ich habe mich da informiert. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind es die Opfer unserer Leistungsgesellschaft. Die ständige Erreichbarkeit durch Handy und Computer zwingt uns in ein Hamsterrad, aus dem es eigentlich keinen Ausweg gibt, keine Ruhephasen.

Es gibt eigentlich den Feierabend um 17 Uhr, da macht man zu und am nächsten Tag kommt man wieder. Da hat man eine Freizeit dazwischen. In der Nacht checkt man aber noch die letzten Mails, man hat zu wenig Schlaf. Im Urlaub ist es genau das Gleiche: anstatt die Sachen zu Hause zu lassen, nimmt man sie mit. Es gibt ja auch das Home-Office – das heisst, man ist ununterbrochen erreichbar. Diese ständige Erreichbarkeit in Verbindung mit einem Leistungsdruck macht den Körper langsam, aber sicher krank. Es ist wichtig, dass man auf die Bremse tritt, bevor es jemand anders tut.

„Abendrot“ ist der letzte und zugleich vielleicht emotionalste Titel des Albums. Warum steht er am Schluss?

Fendrich: Weil man danach nichts mehr sagen kann. Ich habe vor einigen Jahren meine beiden alten Eltern verloren und meine Mutter ist sehr lang im Rollstuhl gesessen. Das war aber nicht die Initialzündung für diesen Text. Ich habe im näheren Bekanntenkreis einen Mann gehabt, der an Alzheimer gestorben ist, das heisst, der ist langsam, aber sicher gedriftet und hat nichts mehr mitbekommen. Was übrig bleibt, ist die Angst.

Ich habe mit dem behandelnden Arzt gesprochen, der hat mir gesagt: Es muss das Schlimmste sein, dass man ganz einfach vergisst, dass man weiss, dass man vergisst, und irgendwann einmal allein ist, weil man überhaupt niemanden mehr kennt. Man stirbt in Angst. Das stelle ich mir als ein unglaublich schreckliches Gefühl vor. Der Tod gehört zum Leben, man spricht nicht gerne darüber, aber jeder hat irgendwie Angst vor dem Sterben. Aber so zu gehen, ist wirklich etwas sehr Grausames. Es war mir ein Lied wert, an diese Menschen zu denken, die diese Einsamkeit gehen müssen.

Vorheriger Artikel„Die Nanny“-Reboot: Pläne mit Cardi B werden konkreter
Nächster ArtikelZum „Friends“-Jubiläum: Besondere Kollektion von Ralph Lauren