Moritz Bleibtreu: «Ich wäre kein guter Anwalt»

Auch in der zweiten Staffel von „Schuld nach Ferdinand von Schirach“ vertritt Moritz Bleibtreu als Anwalt Friedrich Kronberg Mandanten mit verschiedenen Schicksalen. Im Interview hat der Schauspieler verraten, was er von Recht und Gerechtigkeit hält und warum er sich die Serie selber nicht anschaut.

Vor Jahren hatte er dem Fernsehen abgeschworen – mittlerweile scheint sich Moritz Bleibtreu (46, „Der Baader Meinhof Komplex „) in der Serienlandschaft immer wohler zu fühlen. Denn auch in der zweiten Staffel der ZDF-Erfolgsserie „Schuld nach Ferdinand von Schirach“ gibt sich der Schauspieler als Anwalt Friedrich Kronberg und vertritt Mandanten mit verschiedensten Schicksalen.

Die erste Folge „Kinder“ läuft am heutigen Freitag um 21:15 Uhr im ZDF, ab sofort gibt es bereits die gesamte Staffel in der ZDFmediathek. Doch wie steht Bleibtreu selbst zu Recht und Gerechtigkeit und warum sieht er sich als schlechten Anwalt? Das und mehr verrät er im Interview.

Über Friedrich Kronberg weiss man so gut wie nichts. Eigentlich kommt seine Persönlichkeit in der Serie gar nicht zum Ausdruck. Ist so eine Rolle als Schauspieler überhaupt reizvoll?

Moritz Bleibtreu: Ich denke da mehr an das grosse Ganze – das steht für mich meist sogar im Vordergrund. Aber es ist schon richtig, die Figur hat keine wirkliche Wendung. Denn es geht nicht wirklich um die Figur Kronberg sondern um die Kollegen, um die einzelnen Schicksale. Ich glaube, das ist auch die Kraft der Serie: Weil man sich nicht so sehr um die Persönlichkeit Kronberg kümmert, hat man viel mehr Raum für die Episoden-Hauptfiguren, die einzelnen Fälle und die Schicksale, die wir da erleben.

Warum haben Sie sich dafür entschieden die Rolle wieder zu spielen?

Bleibtreu: Ich würde nicht eine Serie anfangen, dann aber nicht die zweite Staffel machen. Es war von Anfang an ein unheimlich interessant geschriebenes und tolles Ding. Als dann klar war, dass wir eine zweite Staffel machen können, habe ich mich natürlich gefreut und würde, wenn das geht, auch noch eine weitere machen.

Die Serie muss Sie jedenfalls wirklich mitgerissen haben, denn vor einigen Jahren sagten Sie noch, Sie wollten „keine Fernsehfilme mehr machen, weil Kino eine aktive Form des Zuschauens ist, Fernsehen hingegen eine passive“.

Bleibtreu: Das habe ich vor über 17 Jahren gesagt – und es gab auch eine lange Zeit, in der ich kein Fernsehen gemacht habe. Umgestimmt hat mich die Geschichte „Schuld“ sicherlich auch, aber besonders die starke Veränderung, was Filmemachen im Allgemeinen angeht. Das hat sich um 180 Grad gedreht. Kino und Fernsehen haben sich stark gewandelt, Streaming ist dazugekommen – das ist ein ganz neues Spiel, in dem das Kino ziemlich kämpfen muss, weil die komplexeren Geschichten zu den Streamern und ins Fernsehen wandern. Ich werde immer dahin gehen, wo ich Geschichten erzählen kann, die ich spannend finde. Am liebsten würde ich sie im Kino erzählen. Wenn das aber nicht mehr oder nur schwierig möglich ist, gehe ich dahin, wo man sie erzählt. Das hat also gar nicht so viel mit meiner Entscheidung zu tun, sondern damit, dass sich alles komplett geändert hat.

Heisst, man könnte Sie in Zukunft noch öfter in Serien sehen, solange sie Sie überzeugen?

Bleibtreu: Absolut!

Welche ist ihre persönliche Lieblingsfolge der zweiten Staffel?

Bleibtreu: Schwer zu sagen. Beim Lesen hat mich „Das Cello“ sehr begeistert. Ich habe immer eine relativ grosse Begeisterung für die Sachen, die ich mache. Das Problem ist: Ich kann mich nicht angucken, ich kann kein Zuschauer von mir selber sein. Darum ist es immer schwer zu beurteilen.

Neben Ihnen haben noch viele andere bekannte Kollegen mitgespielt: Jürgen Vogel oder Lars Eidinger, um nur zwei zu nennen.

Bleibtreu: Man kann von Glück sprechen, dass solche Schauspieler aller erster Güte Bock hatten, mitzumachen. Das ist ein grosser Luxus und eine grosse Freude zu wissen, dass es diesen Kollegen Spass macht und sie Lust auf die Reihe haben. Es haben wirklich fast alle mitgemacht, die man haben wollte. Das ist nicht selbstverständlich.

Friedrich Kronberg verteidigt auch Täter und zieht eine klare Grenze zwischen Recht und Gerechtigkeit. Könnten Sie das in Echt auch? Wäre der Beruf des Anwalts etwas für Sie?

Bleibtreu: Das könnte ich sicherlich nicht. Ich bin jemand, der emotional viel zu schnell tickt und zu schnell reagiert. Genau das ist es, was das Rechtswesen ausmacht: Zu lernen, das Recht und Gerechtigkeit oftmals nicht unbedingt genau das gleiche ist. Rechtlich einen bestimmten Weg gehen zu müssen, obwohl sich Dinge nicht zu hundert Prozent gerecht anfühlen, das fordert ein sehr starkes Nervenkostüm, grossen Idealismus und grosses Verständnis dem Rechtssystem gegenüber – und all das hab ich nicht. Ich glaube nicht, dass ich dafür gemacht wäre, Anwalt zu sein. Da bin ich als Schauspieler besser aufgehoben.

Haben Sie mittlerweile weniger Vertrauen in das deutsche Rechtssystem?

Bleibtreu: Das kann ich so nicht sagen. Durch die Bewertungen der Medien sagt man schnell selbst: „Oh, da sind Leute viel zu glimpflich weggekommen“. Das muss man mit grosser Vorsicht betrachten. Viele Leute massen sich eine Meinung an, die von der Substanz viel zu wenig Ahnung haben und nicht wissen, wie und warum es wichtig ist, gewisse Punkte noch dreimal umzukrempeln. Es gibt mit Sicherheit viele Punkte im Rechtssystem, in denen sich Recht und Gerechtigkeit trennen. Trotzdem glaube ich, kann man sagen, dass wir in Deutschland ein sehr gut funktionierendes Rechtssystem haben im Vergleich zu anderen. Wir können glücklich damit sein und es ist nicht so schlecht, wie manch einer vielleicht denkt.

Für die Angeklagten in der zweiten Staffel geht es am Ende mal besser, mal schlechter aus. Glauben Sie an Schicksal?

Bleibtreu: Es gibt sicher Momente in meinem Leben, die sich schwer nach Schicksal angefühlt haben. Wie genau, weiss ich auch nicht. Bis zu einem bestimmten Grad kann man das sicher mit Ja beantworten. Aber was ich genau damit meine und wie es sich anfühlt, kann ich irgendwie nicht beschreiben. Ich glaube, das kennen viele: Momente im Leben, wo man sich ein Stück weit beobachtet fühlt oder das Gefühl hat, dass etwas sehr auffällig zufällig passiert.

Der erste Teil von Schuld war ein grosser Erfolg für das ZDF. Und das, obwohl alle Folgen vorher online zu sehen waren. Hat das Fernsehen doch noch eine Zukunft?

Bleibtreu: Man kann Streamer und Fernsehen nicht auseinanderdividieren. Der „Point of View“ bleibt ja gleich – der Fernseher. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Vertriebsstrukturen in der Filmbranche komplett verändern. Die alten Fernsehsender werden ihre Hausaufgaben machen müssen und einiges ändern müssen. Aber „Ende“ – das sagt man immer so schnell. Man dachte auch, dass Musikvideos das Ende des Radios seien und Filme das Ende des Theaters. Doch es existiert weiter, es verändert sich nur. Wer weiss, wie es in der Zukunft sein wird. Es ist auf jeden Fall sehr spannend. Ich denke, ich kann von grossem Glück sprechen, dass ich die alte, klassische Art, Kinofilme zu machen und sie rauszubringen, noch erleben durfte.

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