Serienhit „Chernobyl“: Schwer zu ertragen, unmöglich zu ignorieren

Zuschauer und Kritiker sind sich einig: Mit „Chernobyl“ ist HBO ein Meisterwerk gelungen, das an der Grenze des Erträglichen liegt. Eines, das wie das Unglück selbst vor 33 Jahren in die Geschichte eingeht.

Es gibt Orte auf der Welt, die einer breiten Masse nur deshalb ein Begriff sind, weil sich dort unendliches Leid zugetragen hat. Die deutsche Gemeinde Eschede wird seit 1998 mit dem verheerenden ICE-Unfall assoziiert, bei dem über 100 Menschen den Tod fanden – Pompeji mit dem Vulkanausbruch, der die Stadt von der antiken Landkarte fegte. Doch der Städtename, der sich wie kein anderer ins Gedächtnis der Weltgeschichte gebrannt hat, ist ein anderer: Tschernobyl.

Niemandem würde wohl hierzulande das winzige Städtchen im Norden der Ukraine etwas sagen, hätte sich am 26. April 1986 im dortigen Atomkraftwerk nicht ein Super-GAU zugetragen, dessen Auswirkungen sich auch heute, über 30 Jahre später, noch bemerkbar machen.

Mit der Miniserie „Chernobyl“ hat HBO ein beeindruckendes, fünfteiliges Mahnmal erschaffen. Eines, das auf schonungslose, realistische und kaum zu ertragende Weise zeigt, welch jämmerliche Schicksale Ersthelfer, Feuerwehrleute und Bewohner der nahen bis entfernten Umgebung erlitten. Wie die Machthaber der UdSSR alles daran setzten, den Unfall zu vertuschen oder als Lappalie abzutun. Und wie eine noch grössere Katastrophe um Haaresbreite und auf Kosten weiterer Menschenleben verhindert werden konnte…

Zuschauer sind geschockt und begeistert

Die vierte Folge von „Chernobyl“ wurde am 4. Juni bei Sky veröffentlicht, das Finale steigt am 11. Juni. Glaubten Zuschauer noch, dass Folge drei bezüglich Beklemmung und Unbehagen nicht zu toppen sei, wurden sie mit der neuesten Episode eines Besseren – oder vielmehr Schlechteren – belehrt. Zumindest, wer auch nur ein winziges Herz für Tiere hat.

Das paradoxe Empfinden, das „Chernobyl“ beim Publikum hervorruft, wird bei einem Blick in die Sozialen Netzwerke überdeutlich. Einerseits „massiv unangenehm anzusehen“, „bis ins Mark erschütternd“ und „beklemmend“ sei die Serie. Andererseits aber auch „genial gut“, eine „10/10“, ein „Meisterwerk“ und eine Serie, „in der jede Einstellung, jeder einzelne Frame sitzt.“

Der Cast um die Hauptdarsteller Jared Harris (57), Emily Watson (52) und Stellan Skarsgård (67) wird ebenfalls lobend erwähnt. Und das völlig zu Recht. Nicht die ganz grossen Hollywood-Namen müssen sich in „Chernobyl“ durch die atomar verseuchte Schlacke quälen, sondern talentierte, aber grösstenteils unbekannte Darsteller. Ihnen kauft man es dementsprechend sofort ab, als Jedermann von der Obrigkeit in den Tod – oder Schlimmeres – geschickt zu werden.

Die Realität schreibt die schrecklichsten Drehbücher

Ein perfider Trend zeichnet sich ab. Seit HBO mit der Serie begeistert und schockiert, soll der Tourismus laut diverser Medienberichte in das Unglücksgebiet boomen. Katastrophen-Tourismus, der seines Gleichen sucht? Oder etwas anderes? Wohlwollend könnte attestiert werden, dass die Serie so unfassbare Dinge zeigt und schildert, dass die Zuschauer es mit eigenen Augen sehen müssen, um es glauben zu können.

Denn wer „Chernobyl“ anschaut, für den wirken selbst Aufreger wie die „Rote Hochzeit“ aus „Game of Thrones“ wie eine Märchenstunde für Kinder. Und so ist es derzeit auch nicht die frisch beendete Fantasy-Serie, kein „Breaking Bad“ und auch kein „Sherlock“, was von Platz eins der am besten bewerteten TV-Serien aller Zeiten auf „IMDb“ („Internet Movie Database“) grüsst. Es ist die reale Hölle aus „Chernobyl“, die so schwer zu ertragen und unmöglich zu ignorieren ist.

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