Der Neue im Berlin-„Tatort“: Vor dieser Szene hatte Tan Caglar Respekt

Tan Caglar ist im neuen Berliner

Quelle: rbb/ARD Degeto/Aki Pfeiffer

Tan Caglar ist im Berliner „Tatort: Die Kalten und die Toten“ zum ersten Mal als Polizist Malik Aslan zu sehen. Im Interview gewährt er einen Blick hinter die Kulissen.

Es gibt ein neues Gesicht im Berliner „Tatort“: Tan Caglar (geb. 1980) ist in „Die Kalten und die Toten“ (14. November, Das Erste) zum ersten Mal in seiner Rolle als Malik Aslan zu sehen. Er nimmt den Platz von Anna Feil (Carolyn Genzkow, 29) ein und unterstützt die beiden Kommissare Nina Rubin (Meret Becker, 52) und Robert Karow (Mark Waschke, 49) bei den Ermittlungen.

Für den gebürtigen Hildesheimer, der sich bislang vor allem als Comedian einen Namen gemacht hat, ist es nicht das erste Engagement als Schauspieler. Seit August ist er in der erfolgreichen Serie „In aller Freundschaft“ zu sehen. Damit ist er der erste echte Rollstuhlfahrer, der einen Arzt im deutschen Fernsehen verkörpert – und nun auch der erste, der einen Ermittler spielt.

Dass er beim Berliner „Tatort“ sein Talent unter Beweis stellen kann, freut Caglar sehr. „Ich komme eigentlich aus der Comedy-Ecke und wurde trotzdem genommen. Das war ein grossartiges Gefühl“, sagt das Multitalent. Wie nervös Caglar vor dem ersten Drehtag war, wie die Zusammenarbeit mit Meret Becker und Mark Waschke funktioniert hat und inwiefern er einen Wandel in der deutschen Fernsehlandschaft wahrnimmt, verrät er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Sie schlüpfen im neuen „Tatort: Die Kalten und die Toten“ zum ersten Mal in die Rolle von Malik Aslan. Wie kam es zu dem Engagement?

Tan Caglar: Es war mitten im Lockdown. Ich lag im Garten in der Hängematte und dann kam der Anruf. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon im Casting für „In aller Freundschaft“ und habe mir gedacht: „Wow, gleich eine Rolle in so einer tollen Serie. Das ist für einen Anfänger ein Ritterschlag.“ Dann hat meine Agentur angerufen und gefragt: „Lust auf ‚Tatort‘? Sie suchen jemanden für eine neue Rolle.“ Ich dachte mir, ich kann es mal versuchen. Schliesslich ist „Tatort“ die Champions League. Ich hatte am Ende unheimliches Glück.

Was haben Sie als erstes gedacht, als Sie die Zusage bekommen haben?

Caglar: „Das kann nicht wahr sein.“ Schliesslich bewerben sich unheimlich viele Schauspielerinnen und Schauspieler. Ich komme eigentlich aus der Comedy-Ecke und wurde trotzdem genommen. Das war ein grossartiges Gefühl. Meine Eltern haben früher immer zu mir gesagt: „Wenn wir etwas über die Deutschen gelernt haben, dann, dass man sonntags in die Kirche geht und abends ‚Tatort‘ einschaltet.“ Nachdem ich die Zusage bekommen habe, habe ich meinen Eltern gesagt: „Am Sonntag könnt ihr ab jetzt nach der Kirche mich im ‚Tatort‘ sehen.“

Also haben Sie den „Tatort“ vor Ihrem Engagement verfolgt?

Caglar: Ich bin mit dem „Tatort“ gestartet, als Götz George alias Schimanski noch gedreht hat. Auch den Münster-„Tatort“ habe ich mir oft angeschaut. Den Berliner „Tatort“ zur Vorbereitung sowieso. Ich bin sehr froh, dass ich den Berliner bekommen habe, weil ich ihn sehr kantig und roh finde. Das mag ich. Allerdings habe ich gemerkt, dass ich mittlerweile keine Filme mehr in Ruhe anschauen kann. Ich überlege immer: Warum hat er das wohl gesagt? Warum wird aus diesem Winkel gefilmt? Ich bin total analytisch geworden, seit ich Schauspieler bin.

Wie nervös waren Sie vor dem ersten Drehtag?

Caglar: Durch die Dreharbeiten für „In aller Freundschaft“ hatte ich eine ungefähre Ahnung, wie es ablaufen könnte. Aber natürlich gibt es Unterschiede. Schliesslich schlüpfe ich in eine andere Rolle in einem anderen Genre. Im „Tatort“ spiele ich einen Polizisten, der als Rollstuhlfahrer mit seiner Situation sarkastisch umgeht. In „In aller Freundschaft“ bin ich ein seriöser Arzt. Diesen Wechsel finde ich spannend.

Ihre Rolle im „Tatort“ hat immer einen lustigen Spruch auf den Lippen. Inwiefern gibt es Überschneidungen zu Ihnen selbst?

Caglar: Ich habe das Gefühl, dass sich die Drehbuchautoren im Vorfeld sehr viel von mir angeschaut haben. Aber es passt auch einfach gut, als Rollstuhlfahrer mit einem gewissen Humor aufzutreten.

Im neuen Krimi singen Sie auch. Hat Sie das Überwindung gekostet?

Caglar: Ich habe früher immer gedacht: „Wenn ich was mit Fernsehen mache, muss ich hoffentlich niemals singen.“ Ich habe auch zum Regisseur gesagt: „Ich hoffe, die Stelle kommt am Schluss, denn es könnte sein, dass ab da die Einschaltquote rapide nach unten geht.“ Denn ich kann nicht singen. Der Regisseur hat mir auf die Schulter geklopft und mich ermutigt: „Ach, mach dir keine Sorgen. Das sieht doch keiner.“ Jetzt bin ich das erste Mal im „Tatort“ zu sehen und muss auch noch „Love Me Tender“ von Elvis trällern – mehr geht nicht. Aber ich habe mir die Folge schon angeschaut und fand es nicht so schlimm, wie ich dachte.

Wie war die Zusammenarbeit mit Meret Becker und Mark Waschke?

Caglar: Super. Sie waren sehr nett zu mir. Am Anfang ist es immer so, wie wenn man in eine neue Schulklasse kommt. Aber sie haben mich gut aufgenommen. Wir haben viel geredet und die beiden haben mir Tipps gegeben – mich aber auch einfach machen lassen. Es hat mich sehr gefreut, dass wir uns so gut verstanden haben. Das weiss man vorher natürlich nicht.

Konnten Sie auch ausserhalb der Dreharbeiten Zeit miteinander verbringen?

Caglar: Ich habe Meret kürzlich per Zufall in Berlin getroffen. Wir sind uns in einem Hotel begegnet und haben uns gleich in den Arm genommen. Wir haben zusammen gegessen und uns viel über den „Tatort“ unterhalten – auch über den nächsten. Ich freue mich schon, die Jungs und Mädels wiederzusehen, wenn die Dreharbeiten wieder starten.

Leider geht Meret Becker 2022 in den „Tatort“-Ruhestand. Sie hatten dann also nur zwei Fälle mit ihr. Wie geht es Ihnen damit?

Caglar: Ich bin froh, dass ich es noch geschafft habe, zwei „Tatorte“ mit ihr zu drehen. Es ist auch spannend, dass ich bei einem Wechsel dabei bin. Merets Nachfolgerin, Corinna Harfouch, gehört zur Top-Liga der Schauspielerinnen. Ich habe grossen Respekt davor. Vor allem jetzt, wo ich selbst als Schauspieler vor der Kamera stehe. Eine neue Kollegin zu haben, wird sicherlich spannend. Ich habe demnach ein lachendes und ein weinendes Auge. Am schönsten wäre natürlich, wenn auch Meret bliebe und wir zwei Kommissarinnen hätten (lacht).

Mit wem werden Sie die erste Folge anschauen?

Caglar: Wir machen ein Public-Viewing mit Freunden und der Familie zu Hause – Open-Air im Garten – und haben jetzt schon 21 Anmeldungen. Ich überlege, ob wir vielleicht Eintritt verlangen und Decken verkaufen sollten, dann lohnt es sich richtig (lacht).

Sind Sie schon sehr nervös?

Caglar: Ich bin nervös. Schliesslich ist es der erste „Tatort“ und man weiss nicht, wie die Leute reagieren. Deshalb bin ich gespannt und positiv aufgeregt.

Sie haben momentan offenbar einen Lauf was Rollen angeht. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Caglar: Es hat auf der einen Seite viel damit zu tun, dass das Thema Diversität immer mehr eine Rolle spielt. Mit mir hat man den Quoten-Behinderten und den Quoten-Ausländer in einer Person (lacht). Aber das ist natürlich nicht alles. Es ist auch typabhängig, die Rolle muss schliesslich zu einem passen. Wenn man noch zusätzlich im Rollstuhl sitzt, ist es ein Extrapunkt, aber sicher nicht der ausschlaggebende Grund. Das merkt man auch daran, dass das Thema Rollstuhl in den Filmen überhaupt nicht gross thematisiert wird – und genauso muss das auch sein. Die Sender werden immer moderner und verändern ihre Denkweise.

Sie sind der erste Schauspieler im Rollstuhl, der einen Arzt und einen Ermittler im deutschen Fernsehen verkörpert. In anderen Formaten wie „Die Toten von Salzburg“, „Eifelpraxis“ oder „Blind ermittelt“ werden die Protagonisten von Schauspielern verkörpert, die keine Behinderung haben. Wie sehen Sie das?

Caglar: Die Verantwortlichen denken vermutlich, es ist sicherer, wenn man einen Schauspieler besetzt, der nur so tut, als sässe er im Rollstuhl. Denn Rollstuhlfahren ist wahrscheinlich einfacher als Schauspielern. Allerdings wird jetzt immer häufiger gesagt: „Wenn wir einen Rollstuhlfahrer haben, der gut spielen kann, warum sollten wir nicht ihn besetzen?“ Natürlich darf niemand den Job bekommen, nur weil er im Rollstuhl sitzt.

Sehen Sie den Unterschied, ob jemand wirklich im Rollstuhl sitzt?

Caglar: Wir Rollstuhlfahrer sehen, wenn jemand sich nur reingesetzt hat und fährt. Bei „In aller Freundschaft“ haben schon einige Zuschauer beim Sender nachgefragt, ob ich wirklich im Rollstuhl sitze. Aber nicht so viele, wie ich dachte. Also sehen viele Menschen den Unterschied. Es gibt Schauspieler, die sagen: „Ich habe mich damit beschäftigt, ich bin einen Tag rumgefahren.“ Das ist wie, wenn jemand zu mir sagt: „Ich weiss genau, wie das ist. Ich habe selbst mal eine Woche im Rollstuhl gesessen.“ Das ist natürlich Quatsch. Echte Rollstuhlfahrer zu besetzen, ist ein guter Ansatz, den viele Produktionsfirmen mittlerweile verfolgen. Das ist eine tolle Entwicklung und ein Vertrauensbeweis.

Was steht bei Ihnen als Nächstes an?

Caglar: Durch „In aller Freundschaft“, den „Tatort“ und meine Comedy-Auftritte habe ich selten einen Tag frei. Momentan muss ich viele Schauspielangebote aus Zeitgründen absagen. Einen Kinofilm zu machen, wäre ein grosser Traum von mir. Oder eine eigene Sendung oder Show. Da haben wir auch schon viele gute Ideen. Ich will mich immer weiterentwickeln, in dem was ich mache. Aber ich bin auch offen für Neues…

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