Barbara Meier: «Für unsere Kleidung sollen keine Frauen sterben»

Barbara Meier war mit dem deutschen Entwicklungsminister unterwegs, um sich Arbeitsbedingungen in Textilbetrieben anzusehen. Im Interview erklärt sie, was wir beim Kleiderkauf beachten sollten.

Barbara Meier (30) ist Model und Schauspielerin. Ausserdem engagiert sich die Siegerin der zweiten Staffel von „Germany’s next Topmodel“ für faire Textilien – als Botschafterin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die 30-Jährige erklärte, wie sie zu diesem Projekt kam: „Ich habe den Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller während des Zukunftskongresses in München kennengelernt und mich mit ihm darüber unterhalten, wie wichtig ich faire und auch umweltfreundlich produzierte Kleidung finde.“

Aus diesem Gespräch habe sich dann langsam die Idee der Botschafterin ergeben, so Meier weiter: „Hauptaufgabe meiner Tätigkeit wird sein, den Menschen zu zeigen, dass faire Mode mittlerweile nicht mehr der kratzende Jutesack ist, an den man denkt, wenn man ‚öko‘ oder ’nachhaltig‘ hört. Green Fashion kann sexy und elegant sein und richtig tolle Qualität haben. Und dass wir uns alle gemeinsam dafür einsetzen müssen, dass für unsere Kleidung keine Frauen leiden, hungern oder gar sterben müssen.“

Und Meier ergänzt: „Wir haben so viele Jahrzehnte für unsere fairen Arbeitsbedingungen und Gleichberechtigung in Deutschland gekämpft. Da sollten wir nicht wegschauen, wenn es um unsere Produkte geht, deren Produktion wir ins Ausland auslagern, um sie dann hier billig zu kaufen.“

„Das Geld reicht nicht“

Mit Minister Dr. Gerd Müller (CSU) war das Model auf einer Besichtigungstour von Textilbetrieben in Äthiopien und Pakistan: „In Äthiopien zum Beispiel haben wir eine Fabrik besichtigt, die relativ sauber war mit frischer Luft, einem bezahlten Mittagessen und einer 48 Stunden Woche für die Arbeiterinnen – im Vergleich zu teilweise um die 90 Stunden in Bangladesch ein grosser Fortschritt. In dieser Fabrik wird der staatliche Mindestlohn bezahlt. Das klingt erstmal gut. Vor allem im Vergleich zu den furchtbaren Bildern die man teilweise aus asiatischen Fabriken sieht.“

Im Gespräch mit einer Arbeiterin habe Meier aber erfahren, „dass ihr das Geld zum Leben nicht reicht. Und da sie jeden Tag eine Stunde zur Arbeit fährt, neun Stunden in der Firma ist und eine Stunde zurückfährt, hat sie schon allein zeitlich keine Möglichkeit, sich nebenbei etwas dazuzuverdienen. Das verändert dann natürlich die Sicht auf so eine Fabrik wieder etwas und zeigt, dass selbst ein offizieller Mindestlohn eines Landes nicht existenzsichernd sein muss. Um genau solche Dinge zu erfahren, war es mir super wichtig, einmal selbst in einer solchen Fabrik gewesen zu sein. Für mich persönlich, aber vor allem auch für meine Botschaftertätigkeit. Nur im persönlichen Gespräch kann man sich wirklich ein Bild machen und versteht die Zahlen und Fakten, die man auf dem Papier sieht auch richtig einzuordnen.“

Was kann der Kunde in Deutschland tun?

Was sollte man beachten, wenn man hier in Deutschland Kleidung kauft? „Grundlegend ist es sehr schwer, zum Beispiel nur nach dem Preis zu urteilen“, so Meier, „denn auch grosse Luxusmarken lassen unter schwierigen Bedingungen in Billigländern produzieren. Aber: Wenn ein T-Shirt drei oder vier Euro kostet, kann es eigentlich fast nicht unter fairen und umweltschonenden Bedingungen produziert worden sein.“

„Minister Dr. Gerd Müller hat einen schönen Satz dazu gesagt: ‚Kleidung darf keine Ramsch-Ware mehr sein.‘ Ich glaube, genau hier sollte unser Umdenken beginnen“, sagt Meier: „In unseren Kleiderschränken hängen so viele Teile, die wir überhaupt nicht tragen – angeblich 20%. Wir neigen dazu, viele billige Dinge zu kaufen, auch wenn wir sie gar nicht wirklich brauchen und diese dann auch bei einem kleinen Loch etc. sofort wegzuwerfen. Teilweise ist es ja schon billiger, zum Beispiel Socken neu zu kaufen, als ein Loch darin zu flicken.“

Meier lerne selbst gerade den Wert in Kleidung neu für sich zu entdecken, erklärt sie. „Vor meinem Besuch in der Fabrik – in der auch H&M fertigen lässt – war mir beispielsweise nicht bewusst, dass wirklich jede einzelne Naht an jedem T-Shirt von einer Näherin an der Nähmaschine genäht wird. Ich dachte, dass zumindest bei den Klamotten-Discountern, die in unvorstellbar grossen Mengen produzieren, schon viel maschinell und über Förderbänder läuft. Nun muss ich aber jedes Mal, wenn ich eine Naht an meiner Kleidung sehe an die Näherinnen denken und wie viel (Lebens-)Zeit in das Kleidungsstück gesteckt wurde. Dadurch schätze ich das viel mehr und passe auch besser auf meine Kleidung auf.“

Auf Siegel achten und nachfragen

Das sei auch der erste Schritt, den man beim Einkaufen tun kann: bewusst nur das kaufen, was man wirklich braucht. „Darüber hinaus kann man natürlich auf Siegel achten, die für faire Produktion stehen. Noch gibt es aber so viele verschiedene mit unterschiedlichen Standards, dass man hier leider schnell verwirrt wird. Und was meiner Meinung nach wichtig ist beim Einkaufen: nach fairer Mode fragen! Die Verkäufer und Firmen müssen spüren, dass es eine Nachfrage nach fairer Mode gibt und dass wir in Deutschland gute Arbeitsbedingungen für die Näherinnen fordern! Je öfter die Menschen nachfragen – im Laden oder auch per Brief und Mail direkt an die Firmen – desto grösser wird mit der Zeit das Angebot werden.“

Was „nachhaltig produziert“ bedeutet, werde bei Kleidung tatsächlich sehr unterschiedlich definiert, erklärt Meier. „Die drei wichtigsten Ober-Punkte sind: Sozialstandards und existenzsichernde Löhne, Umweltschutz und verwendete Chemikalien, Naturfasern. Aber hier kann man die einzelnen Punkte natürlich fester oder lockerer auslegen. Müssen z.B. die sozialen Arbeitsbedingungen ’nur‘ in den Produktionsfabriken eingehalten werden oder auch auf den Schiffen, auf denen die Waren verschifft werden? Bei Chemikalien: Wie viel darf verwendet werden und welche genau? Wie viel Prozent bio-zertifizierte Naturfasern muss im fertigen Produkt enthalten sein, um als Naturfasern-Kleidungsstück zu gelten?“

„Bei der Produktion spielen so viele Einflüsse und Zulieferer mit hinein, dass es schwierig ist, genau zu sagen, wann etwas wirklich ‚fair‘ produziert ist“, so Meier weiter. „Diese Unsicherheit merkt man auch an den verschiedenen Siegeln: Die einen beziehen sich nur auf Umweltstandards, ein anderes auf den Anbau der Baumwolle ohne genmanipuliertes Saatgut, wieder andere schauen sich die kompletten produzierenden Firmen und die dortigen Arbeitsbedingungen an… Ein einheitliches Siegel, das alle drei Punkte überprüft, gibt es leider noch nicht.“

„Ein unglaublich schönes Gefühl“

Jungen Frauen, die nachhaltig produzierte Kleidung für weder schön, noch günstig genug halten, würde Meier „rückblickend auf die Vergangenheit erstmal recht geben“. Vor einigen Jahren sei es tatsächlich so gewesen, „dass ‚öko‘ Kleidung die typischen kratzenden Jute-Säcke waren, die weder hübsch noch trendy waren.
Das hat sich aber entscheidend geändert. Nicht überall. Es gibt auch Fair Fashion Labels, die ich einfach nicht schön finde“, verrät das Model weiter.

Und sie gibt zu bedenken: „Es gibt auch wirklich tolle Labels, die wunderschöne, sexy und sehr elegante Mode haben. Ich bin auch schon für einige nachhaltige Fashionlabels auf der Berlin Fashion Week gelaufen. Auf dem Laufsteg hat sich das noch cooler angefühlt als sonst, weil ich nicht nur ein super schönes Haute-Couture-Kleid anhatte, sondern auf der anderen Seite auch noch wusste, dass niemand dafür leiden musste und die Umwelt nicht unnötig belastet wurde. Ich finde allgemein geben einem fair produzierte Kleidungsstücke ein unglaublich schönes Gefühl.“

„‚Fair Fashion‘ wird der neue Modetrend in ein paar Jahren sein“, glaubt Meier. „Dann wird niemand mehr stolz darauf sein, Kleidung zu tragen, für die Frauen ihr Leben riskiert haben oder durch die Flüsse in Asien rot, mintgrün, apricot, … gefärbt wurden, nur weil das gerade die Trendfarbe ist – und in selben Stadtteil die Bevölkerung kein Trinkwasser mehr hat.“

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