Beziehungsunfähig? Das hilft aus dem Muster

Distanz zu suchen

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Einigen Menschen fällt es schwer, sich zu binden. Woran liegt das und wie lässt sich mit dem Muster brechen? Der Beziehungspsychologe Wieland Stolzenburg klärt auf.

Ob im aktuellen Kinofilm „Generation Beziehungsunfähig“, in diversen Reality-TV-Shows oder im wahren Leben: Immer wieder zeigt sich, dass es einigen Menschen schwer fällt, sich auf etwas „Ernstes“ einzulassen. Dabei fällt oft das Wort Beziehungsunfähigkeit. Autor und Beziehungspsychologe Wieland Stolzenburg hat sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt er, wie beziehungsunfähige Menschen es schaffen, sich doch an jemanden zu binden.

Beziehungsunfähigkeit – gibt es das überhaupt? Oder hat man vielleicht einfach noch nicht den richtigen Partner gefunden, um sich zu binden?

Wieland Stolzenburg: Jeder Mensch hat einen Bindungswillen, so sind wir alle. Wir wünschen uns Nähe, Gemeinsamkeit, Intimität und Exklusivität. Menschen, die unter Bindungsängsten leiden, fällt es schwer sich auf diese Nähe wirklich und dauerhaft einzulassen. Es ist nicht so, dass sie es nicht möchten, vielmehr gibt es biografische Ursachen, die dazu führen. Wenn Bindungsängste stark ausgeprägt sind, dann gewinnen sie quasi gegenüber dem Bindungswillen und führen dazu, dass diese Menschen nur kurze Partnerschaften eingehen oder sich nicht voll auf eine Beziehung einlassen.

Die Aussage, noch nicht den richtigen Partner gefunden zu haben, kann von bindungsängstlichen Menschen kommen, aber auch von Menschen ohne Bindungsangst. Sie gibt keine eindeutige Antwort darauf, welchen Bindungsstil man hat.

Wie verbreitet ist Beziehungsunfähigkeit?

Stolzenburg: Wie viele Menschen unter Bindungsängsten leiden, dazu gibt es keine Statistiken. Meiner Erfahrung aus meiner Praxis nach zu urteilen, sind es mehr Männer, die unter Bindungsangst leiden – nicht ausschliesslich, aber mehrheitlich.

Ist das vor allem ein Phänomen, das durch Dating-Apps wie Tinder und Co. entstanden ist?

Stolzenburg: Nein, Bindungsängste werden durch unsere Gesellschaft heute einfach nur sichtbarer. Früher blieb man trotz Bindungsangst in der Ehe, weil man dem moralischen, wirtschaftlichen und kirchlichen Druck ausgesetzt war, entfernte sich dann aber innerhalb der Beziehung vom Partner oder ging Affären ein. Heute ist man in der Partnerwahl und dem Heiratsalter freier, möchte sich ausprobieren und kann das auch viel leichter. Diese gesellschaftliche Entwicklung begünstigt kurze und unverbindliche Partnerschaften, aber sie verursacht keine Bindungsängste.

Wie merkt man, ob man beziehungsunfähig ist?

Stolzenburg: Ein typisches Anzeichen bei Bindungsängsten ist es, dass man zu viel Nähe nicht ertragen kann und Wege sucht, dieser unbewussten „Bedrohung“ zu entkommen. Viele lassen sich daher nie wirklich auf eine langfristige Partnerschaft ein oder haben kurze oder gar keine Beziehung. Es gibt jedoch auch Menschen mit Bindungsängsten, die in einer Beziehung sind. Doch sie lassen Nähe nur zu, wenn sie sich sicher fühlen, sie versuchen vieles zu kontrollieren und lassen den Partner nie so richtig an sich heran. Sie können schnell kühl und distanziert wirken und ihnen fällt es schwer, sich wirklich fallen zu lassen und Verletzlichkeit zu zeigen.

Ich habe einen Test entwickelt, in dem jeder herausfinden kann, ob und wenn ja, wie stark er unter Bindungsängsten leidet. (Hier geht es zum kostenfreien Bindungsangst-Onlinetest.)

Weshalb wagen es manche nicht, eine Beziehung einzugehen? Welche Ängste gibt es?

Stolzenburg: Niemand entscheidet sich bewusst dazu, Bindungsängste zu haben. Vielmehr führen unbewusste Muster und Ängste dazu, sich nicht wirklich auf eine langfristige und tiefe Beziehung einzulassen. Die Hintergründe liegen in meiner Erfahrung nahezu ausschliesslich in unguten und verletzenden Erlebnissen in der Kindheit. Wenn diese nicht aufgearbeitet wurden, können sich Bindungsängste entwickeln. Unbewusste Ängste sind beispielsweise: Ich werde wieder nicht geliebt, ich bin nicht gut genug, Nähe ist etwas Gefährliches, ich darf mich nicht zeigen, wie ich wirklich bin, ich werde eingeschränkt, kontrolliert oder bestimmt oder ich werde wieder abgelehnt, weil ich es nicht richtig mache oder den anderen nicht glücklich machen kann.

Wie schafft man es, sich trotz Bindungsangst auf eine Beziehung einzulassen

Stolzenburg: Menschen mit Bindungsangst müssen aktiv werden, Bindungsängste verschwinden nicht einfach so mit der Zeit. Aktiv werden heisst, sich und seine Beziehungsmuster besser verstehen, die Ursachen der Bindungsangst erkennen und dann der Hauptanteil: die Verletzungen heilen. Es gibt entsprechende Bücher, Onlinekurse oder Videos, um selbst daran zu arbeiten oder man beginnt eine Therapie mit einem Therapeuten oder Psychologen. Wichtig ist: Warten löst nichts; je früher man beginnt, sich seinen Bindungsängsten zu stellen, desto früher kann man sie überwinden und eine langfristig glückliche Beziehung führen.

Wenn man jemanden datet, der keine Beziehung möchte, man selbst jedoch schon: Welche Möglichkeiten gibt es?

Stolzenburg: Wenn ich jemanden date, der ausgeprägte Bindungsängste hat, dann kann ich nicht viel machen. Zu mir in die Praxis kommen oft – potenzielle – Partner von Menschen mit Bindungsangst, um zu verstehen und Wege zu finden. Ihnen erkläre ich dann den Nähe-Distanz-Tanz, der in diesen Beziehungskonstellationen passiert: Wenn ich auf mein bindungsängstliches Date oder bindungsängstlichen Partner zugehe, geht dieser bildlich gesprochen einen Schritt zurück, um sich zu schützen. Wenn ich dann noch einen Schritt auf ihn zugehe, wird dieser einen noch grösseren Schritt zurück machen oder wegrennen. Wenn ich mich irgendwann selbst zurückziehe, fühlt sich derjenige mit Bindungsängsten wieder wohler, wird dann wahrscheinlich einen Schritt auf mich zugehen. Ich selbst denke dann wahrscheinlich: Ach schön, jetzt öffnet er sich und hat wirklich Interesse. Doch das wird meist nur solange dauern, bis ich wieder einen Schritt auf ihn zugehe.

Menschen mit Bindungsangst brauchen diesen Sicherheitsabstand, der zu einem ständigen Hin- und Her führen kann. Da muss ich als Date oder Partner darauf achten, nicht zum Spielball zu werden und mir darüber bewusst werden: Ich bin nicht die Ursache der Bindungsangst und kann sie daher auch nicht lösen, ich kann mich nur anpassen. Ich muss mich also entschieden, ob ich diesen Nähe-Distanz-Tanz dauerhaft so „tanzen“ möchte oder nicht.

Bei einem Date mit gering ausgeprägten Bindungsängsten lässt sich jedoch viel über Austausch und Offenheit klären, um einen Umgang für die Beziehung zu finden, der für beide stimmig ist.

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