Machen Sie das nie in einer Gehaltsverhandlung

Das richtige Auftreten macht in Gehaltsverhandlungen viel aus.

Quelle: Photographee.eu/Shutterstock.com

„Nettigkeit wird gefährlich, wenn sie nur anderen nützt, aber einem selbst schadet“, sagt Karriereberater Martin Wehrle. Wie man als netter Mensch in Gehaltsverhandlungen am besten ans Ziel kommt, verrät er hier.

Ein Magengeschwür vermeiden – und zugleich deutlich bessere Karrierechancen haben: Wie nette Menschen das anstellen, erklärt Karriereberater Martin Wehrle (51) im Interview mit spot on news. Der Bestsellerautor, der gerade sein neues Buch „Den Netten beissen die Hunde“ (Mosaik) veröffentlich hat, gibt zudem Tipps für Gehaltsverhandlungen.

Woran erkennen Sie als Karrierecoach, dass jemand darunter leidet, zu nett zu sein? Betrifft das Frauen häufiger als Männer?

Martin Wehrle: Solche Menschen beklagen sich oft, dass sie viel geben, aber wenig zurückbekommen. Zum Beispiel werden sie von Kollegen für Arbeiten eingespannt, doch selbst unterstützt sie niemand. Oder sie sind der Kummerkasten der Abteilung, doch niemand interessiert sich für ihre eigenen Sorgen. Ausserdem werden nette Menschen, ganz besonders Frauen, oft unterschätzt. Gerade neulich bekam eine Klientin von mir im Mitarbeitergespräch gesagt: „Grundsätzlich kämen Sie schon für eine Beförderung infrage. Nur braucht man dafür auch Durchsetzungsfähigkeit. Das sehe ich bei ihnen nicht.“ Das fühlt sich ungerecht an und sorgt bei den Netten für Frust.

Welche Verhaltensweisen behindern nette Menschen im Job? Welche Konsequenzen hat das für sie?

Wehrle: Zum Beispiel stellt jemand eine Forderung und lächelt dabei entschuldigend – schon wird die Forderung nicht mehr ernst genommen. Oder jemand sagt Nein zu seiner Überstunde, aber lässt sich dann doch rumkriegen – schon wird sein Nein nicht mehr ernstgenommen. Oder jemand arbeitet aus lauter Nettigkeit so viel für die Kollegen, dass seine eigene Arbeit leidet und seine Karriere auf der Stelle tritt. Die Kernthese meines neuen Buches „Den Netten beissen die Hunde“ lautet: Nettigkeit wird gefährlich, wenn sie nur anderen nützt, aber einem selbst schadet.

Wie können Betroffene selbst herausfinden, dass es ihre nette Art ist, die sie ausbremst?

Wehrle: Eine einfache Frage hilft: Haben die anderen Respekt vor mir? Hören Sie zu, wenn ich rede? Schätzen Sie meine Leistung hoch ein? Oder bin ich nur das Mädchen für alles? Eine Studie der Washington State University hat untersucht, wie beliebt Nette in Gruppen sind. Erschütterndes Ergebnis: Sie rangieren auf der Beliebtheitsskala ganz unten. Denn sie verlieren den Respekt der Gruppe. Wer immer „Ja“ sagt, dessen „Ja“ unterliegt dem Gesetz der Inflation und ist nichts mehr wert. Wer den Respekt der anderen will, muss klare Kante zeigen, zu sich selber stehen und auch mal Nein sagen.

Wie schafft man es, freundlich zu sein und trotzdem anderen Menschen Grenzen aufzuzeigen und Nein zu sagen?

Wehrle: Ich bin sehr dafür, dass wir keine Gesellschaft der Egoisten werden. Und ich wünsche mir, dass nette und soziale Menschen mehr Einfluss gewinnen und öfter in Führungsposition kommen. Aber es gilt derselbe Grundsatz wie im Flugzeug: Wenn die Sauerstoffmasken runterfallen, muss man erst selbst eine aufsetzen, ehe man anderen hilft. Nette Menschen sollten ihre eigenen Bedürfnisse ernst nehmen und sich klar machen: Es ist nicht „unfreundlich“ gegenüber anderen, wenn ich „Nein“ sage, sondern es ist freundlich gegenüber mir selbst. Und das ist im besten Sinn sozial, denn nur wer auf sich selber achtet, hat dauerhaft die Kraft, auch andere zu unterstützen.

Auf was sollten nette Menschen achten, wenn Sie beispielsweise Gehaltsverhandlungen mit dem Chef führen? Was sollten Sie vermeiden?

Wehrle: Neulich war ich als Supervisor bei einer solchen Verhandlung dabei. Die Mitarbeiterin hat sich zunächst entschuldigt, dass sie überhaupt eine Forderung stellte, sie wisse ja, wie schlecht es der Firma gehe. Und dann hat sie eine ziemlich kleine Zahl in den Raum geflüstert. So klappt es natürlich nicht! Als netter Mensch muss man zunächst sich selbst überzeugen. Legen Sie eine Leistungsmappe an. Schreiben Sie auf, wie Sie Ihre Leistung ausgebaut haben. Nur wenn die Führungskraft merkt, dass Sie es wirklich ernst meinen, wird Ihre Forderung auch ernst genommen. Halten Sie in der Verhandlung Blickkontakt. Vermeiden Sie Lächeln. Und machen Sie sich klar, dass eine Verhandlung mit dem ersten „Nein“ nicht endet, sondern erst beginnt. Also hartnäckig bleiben!

Sollte man sich abgewöhnen, im Job nett zu sein? Schliesst sich Nettsein und Karriere aus?

Wehrle: Keinesfalls! Seien Sie nett zu denen, die auch nett zu Ihnen sind. Helfen Sie denen, die auch Ihnen helfen. Aber seien Sie nicht länger nett zu Menschen, die sie deshalb ausnutzen oder unterschätzen. Helfen Sie nicht länger denen, die Ihnen nie helfen. Auf diese Weise vermeiden Sie ein Magengeschwür – und haben zugleich deutlich bessere Karrierechancen.

Vorheriger Artikel„Squid Game“: Das sind die Stars des Netflix-Hits
Nächster ArtikelDoku enthüllt: So schlecht ging es Brittany Murphy vor ihrem Tod