Expertin klärt auf: Deshalb ist „Eifersucht ein ganz normales Gefühl“

Ob im Beruf, in einer Partnerschaft oder einer Freundschaft: Eifersucht kann in vielen Bereichen eine grosse Rolle spielen. Sarah Desai verrät im Interview, was es mit dem Gefühl auf sich hat.

Fast jeder Mensch hat sie in sich schon einmal gespürt: die Eifersucht. Viele denken dabei vielleicht schnell an eine Partnerschaft, jedoch taucht das Gefühl auch in vielen anderen Bereichen auf, etwa im Beruf, in Freundschaften oder innerhalb der Familie. Grundsätzlich lasse sich Eifersucht aber als „ganz normales Gefühl“ beschreiben, sagt Sarah Desai, Coach für persönliche und spirituelle Entwicklung und Autorin von „Du bist mehr als genug“. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news gibt die Expertin Tipps für den richtigen Umgang mit Neid und Co.

Ihr neuestes Projekt ist die „Kollektion für Frauen“ in der Meditations-App Headspace, die sich auf die Themen Gemeinschaft und Empowerment fokussiert. Darin beschäftigen Sie sich auch mit dem Thema Eifersucht. Warum werden wir überhaupt eifersüchtig?

Sarah Desai: Ja, gemeinsam mit anderen Expertinnen ist diese „Kollektion für Frauen“ entstanden. Konkret habe ich dafür Meditationen zu zwei Themen beigesteuert: Eifersucht und Solidarität, die für mich auch zusammen gehören. Um mich solidarisch mit mir und anderen Frauen verhalten zu können, ist es hilfreich zu wissen, wie ich mit dem Gefühl der Eifersucht besser umgehen kann. Dieses Gefühl taucht übrigens in jedem von uns auf. Es ist mir total wichtig, das zu vermitteln: Eifersucht ist erst mal ein ganz normales Gefühl, wie Angst, Traurigkeit oder Glück. Wenn es uns gelingt, die Eifersucht als solches wahrzunehmen und ihr auf den Grund zu gehen, kann sie sogar ein hilfreicher Weckruf für uns sein.

Wie können wir Eifersucht in etwas Positives verwandeln?

Desai: Eifersucht entsteht durch eine Beobachtung ausserhalb von uns. Wir haben vielleicht Freunde in unserem Umfeld, die beruflich sehr erfolgreich sind oder wir bekommen mit, dass eine Kollegin von uns befördert wurde, wir hingegen nicht. Wenn dann dieses unangenehme und für die meisten diffuse Gefühl der Eifersucht auftaucht, lohnt es sich, die Blickrichtung zu ändern und wirklich nach innen zu schauen. Warum stört uns das denn irgendwie ein bisschen? Was ärgert uns an der Situation vielleicht sogar sehr? Wahrscheinlich ist es so, dass wir gerade auf ein ungestilltes Bedürfnis in uns gestossen sind. Wir wären vielleicht auch gerne beruflich noch erfolgreicher oder eben gerne befördert worden. Und genau darin liegt jetzt die grosse Chance. Also statt dann im Aussen zu bleiben und vielleicht dem Freund oder der Kollegin einen Spruch zu drücken, bleiben wir bei uns und lassen uns motivieren.

So ist das natürlich auch in allen anderen Lebensbereichen. Eifersucht taucht eigentlich immer dann auf, wenn wir uns nach etwas sehnen und ist deshalb eine Einladung, uns selbst mal wieder zu erforschen.

Welche Charaktereigenschaften gehen mit enormer Eifersucht einher?

Desai: Meiner Meinung nach gibt es hier keinen Zusammenhang zu bestimmten Charaktereigenschaften. Eine Person kann sehr unsicher oder sehr selbstsicher sein, in beiden Fällen wird die Eifersucht im Laufe eines Lebens auftauchen, nicht nur einmal. Das ist einfach menschlich. Ich halte auch die Idee gar nicht für hilfreich, jetzt darauf zu schauen, ob manche Menschen eifersüchtiger sind als andere und warum. Statt das Gefühl zu stigmatisieren, würde ich mir vielmehr einen offeneren Umgang damit wünschen. Dann würde es uns auch leichter fallen, die Eifersucht besprechbar zu machen, wenn wir sie empfinden. Gerade ist es ja noch so: Keiner möchte die neidische Kollegin oder eifersüchtige Freundin sein. Lieber wollen wir die gönnerhafte Kollegin und grosszügige Freundin sein, klar. An diesem Idealbild arbeiten wir uns dann alle gemeinsam ab, statt uns einfach einzugestehen, dass wir eben manchmal neidisch sind.

Wie bewerten Sie den Ausdruck „gesunde Eifersucht“? Kann Eifersucht bis zu einem gewissen Grad gesund sein?

Desai: Ja, an diesem Begriff erkennt man die Stigmatisierung des Gefühls. Wenn wir von gesunder Eifersucht sprechen, dann gibt es ja auch ungesunde Eifersucht. Nur führt diese Einteilung meines Erachtens nicht dazu, dass Menschen besser mit dem Gefühl in sich umgehen können. Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir da mal anders draufschauen. Hilfreich finde ich es zu wissen, dass wir alle die Welt und jede Situation immer nur von unserem eigenen Standpunkt aus sehen können. Den Standpunkt einer anderen Person hingegen kann ich nicht erraten. Wenn wir jetzt noch mal zurück zum Beispiel mit der Beförderung gehen: Bevor ich mich lange ärgere und rätsele, weshalb meine Vorgesetzte mich vielleicht übergangen hat, ist es besser einfach nachzufragen. Nur dann kann ich erfahren, weshalb sie sich so entschieden hat. Das ist auch so ein Klassiker in allen Beziehungen, egal ob im Job, in der Partnerschaft oder in Freundschaften. Wir meinen oft zu wissen, was die andere Person in einer Situation denkt oder fühlt, weil wir das aus unserer eigenen Erfahrung ableiten. Daraus entstehen sehr viele Missverständnisse, die wir nur in einem gemeinsamen Gespräch auflösen können. Das ist ja ganz oft der Fall, dass unser Gegenüber uns auf Nachfrage in seine Welt einlädt. So haben wir die Chance, die Sichtweise des anderen besser zu verstehen.

Wie gelingt es uns, nicht mehr eifersüchtig zu sein?

Desai: Gar nicht. Das wäre genauso, als würden wir uns vornehmen, nie mehr ängstlich oder traurig zu sein oder einfach nur noch glücklich. So funktioniert das nicht. Es geht eben genau nicht darum, Gefühle zu vermeiden, sondern sie zu entstigmatisieren. Ich mache mal ein anderes Beispiel, um das noch besser zu veranschaulichen: Nur weil ich meditiere, bin ich ja nicht immer ausgeglichen. Ich empfinde weiterhin Gefühle wie Stress oder innere Unruhe, aber ich identifiziere mich eben nicht mehr mit ihnen und leide deshalb weniger darunter. Oft ist es ja so, dass wir uns noch mehr Stress machen, weil wir denken, dass wir ab sofort nur noch entspannt sein dürfen. Aber das ist totaler Quatsch. Genauso ist es mit der Eifersucht. Wenn wir sie das nächste Mal spüren, sind wir nicht gescheitert und müssen uns schämen, ganz im Gegenteil. Ich kann die Situation nutzen und mich noch besser kennenlernen. Was war dieses Mal der Auslöser? Wo darf ich vielleicht noch mal hinschauen? Letztendlich sind das alles nur Gefühle, die entweder angenehm oder unangenehm sind, aber der Leidensdruck entsteht durch die Idee, dass irgendetwas mit uns nicht stimmt. Wir können aber davon ausgehen, dass mit uns alles in Ordnung ist, wir uns aber in einer Situation befinden, die für uns nicht optimal ist. Also im Zweifelsfall nicht weg mit dem unangenehmen Gefühl, sondern eher raus aus der Situation.

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