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Ist der Social-Media-Trend „Tradwives“ problematisch und wie entgeht man „Comparationship“? „Wie liebst du denn?“-Autorin Johanna Sophie spricht im Interview über Liebe in Zeiten von Social Media.
„Tradwives“ glorifizieren auf Instagram und TikTok das Rollenbild der 50er-Jahre. Warum das Thema „super politisch, tiefgehend und definitiv problematisch“ ist, erklärt Social-Media-Star Johanna Sophie (geb. 1997), Autorin von „Wie liebst du denn?“ (Goldmann) im Interview mit spot on news. Die TikTokerin verrät zudem, wie man „Comparationship“ entgeht und ob jüngere Menschen ihre Partnerschaften häufig zu schnell aufgeben.
Liebe Johanna Sophie, was hat Sie dazu bewogen mit „Wie liebst du denn?“ einen Beziehungsratgeber zu verfassen?
Johanna Sophie: Meine grösste Motivation war eine ehrliche, rohe und unperfekte Geschichte zu erzählen. In unserer Gesellschaft werden Beziehungen unglaublich kantenlos gezeichnet. Streit, Kompromisse, aneinander und miteinander Wachsen wird selten porträtiert. Meine Jugendliebe und damit die Geschichte hinter „Wie liebst du denn?“ hat Höhen und Tiefen, nur deshalb konnte ich überhaupt einen Ratgeber schreiben – wie soll ich Ratschläge geben ohne die Situationen selbst er- und durchlebt zu haben?
Jüngere Menschen müssen sich immer wieder Vorwürfe anhören, sie lebten „Partnerschaft im Wegwerfmodell“. Würden Sie unterschreiben, dass die Arbeit an Partnerschaft und Beziehungsproblemen heute weniger stattfindet?
Johanna Sophie: Ich glaube durch die vielen „Optionen“, die es durch Apps und Social Media gibt, neigen Menschen in frühen Datingphasen eher dazu, das nächste Date zu suchen, in dem es vielleicht noch besser passen könnte. Trotzdem glaube ich auch, dass viele junge Menschen veraltete Beziehungsmuster aufbrechen wollen, sich mehr reflektieren und miteinander sprechen. So finden längere Beziehungen teilweise auf tieferen Ebenen mit mehr Verständnis und höherem Grad an Verbundenheit statt. Menschen haben sich früher eventuell weniger schnell getrennt, aber in ungesunden Beziehungen zu bleiben, sollte ja auch nicht das Ziel sein.
Führen Datingapps wie Tinder, die eine unendliche Auswahl an möglichen neuen Partnern oder Partnerinnen suggerieren, dazu, dass Beziehungen schneller aufgegeben werden?
Johanna Sophie: Ich würde eher sagen, dass diese unendlich scheinenden Möglichkeiten dazu führen, dass der Weg zur exklusiven Beziehung ein längerer ist. Die Datingphase ist langgezogen, das „willst du mit mir gehen?“ kommt später. Wenn man diese Zeit dann wirklich zum Kennenlernen nutzt, finde ich das nicht schlecht. Erstmal wissen, auf was man sich einlässt. Ich denke aber, dass Menschen dies oft als Ausrede dafür nutzen, ohne viel Arbeit und Kommunikation eine Art offene Beziehung zu führen. Kuscheln, Date-Abende, gemeinsame Urlaube und Sex, aber immer noch das Label „nichts Ernstes“ und lockere Dates mit anderen? Wenn das beide okay finden, alles gut. Aber ich glaube, das geht bei schlechter Kommunikation meist auf Kosten von einer oder mehreren Personen und deren Gefühlen.
Auf der anderen Seite greift das Phänomen Onlinedating-Burnout um sich. Was raten Sie Menschen, die online auf der Suche nach der Liebe sind, um diesem zu entgehen?
Johanna Sophie: In meinem Buch, dass sich um meine Beziehung dreht, geht es paradoxerweise auch viel darum, dass sich im Leben eben nicht alles nur um die Beziehung drehen sollte. Die verbreitete Annahme, man müsse im Leben seine „bessere Hälfte“ finden, ist, was Druck bei Singles auslöst. Lebt man sein Leben nur zur Hälfte, wenn man keine Beziehung führt? Eben nicht. Die Beziehung sollte die Kirsche auf der Sahnetorte sein, nicht der Boden, der alles zusammenhält oder die Sahne, die sie erst richtig lecker macht. Sich ein glückliches Leben aufzubauen, das voll von Liebe ist, auch ohne Beziehung. Das kann dabei helfen, seine Zeit nicht mit der dauernden Suche nach romantischer Liebe auf Dating-Plattformen zu verbringen.
Sie schreiben, auf Social Media heisse es oft „Liebe muss einfach sein“. Woher kommt diese Einstellung und wie schadet sie Beziehungen?
Johanna Sophie: Ich sage immer gerne, Liebe ist vielleicht einfach, Menschen sind es jedoch eigentlich fast nie. Den Anspruch an sich und die Beziehung zu haben, „einfach“ zu sein, führt meiner Meinung nach nicht dazu, dass Probleme verschwinden. Es führt dazu, dass sie nicht bearbeitet werden. Fehler zu ignorieren, Streitthemen nicht anzusprechen oder Selbstreflektion zu unterlassen vor Angst, was man da sehen könnte – macht es das wirklich „einfacher“ oder sieht es von aussen nur einfacher aus? Ich glaube, genau darum geht es vielen, wie die Beziehung nach aussen wirkt. Viele Menschen denken, die unangenehmen und ehrlichen Gespräche sind das, was eine Beziehung „schwieriger“ macht. Aber ist es nicht viel schwieriger, den Schein zu wahren und immer und immer wieder dieselben Reibungspunkte zu haben? Sei es die unausgeräumte Spülmaschine oder das schlechte Verhältnis zu den Schwiegereltern. Daran zu arbeiten, mag anstrengend sein, aber es lohnt sich auf lange Sicht. Das wollen viele Paare nicht sehen.
Ein Trend bei TikTok und Instagram ist es offenbar auch, dass sich Frauen als „Tradwives“ inszenieren. Halten Sie das für problematisch?
Johanna Sophie: Das lässt uns in total veraltete Muster fallen. Ausgeschrieben und übersetzt bedeutet „Tradwife“ ja „Traditionelle Hausfrau“ und meint das Frauenbild in den 50er Jahren. Die damaligen Rollenbilder werden in den Videos stark glorifiziert und damit eine Zeit, die für Frauen wirklich nicht so glorreich war. Tatsache ist, dass Frauen früher keine Wahl hatten. Sie durften nur mit Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten und mussten dementsprechend die Carearbeit leisten. Carearbeit ist Arbeit, wird überall unterschätzt und erhält wenig Wertschätzung.
Tradwives wollen diese Wertschätzung und meinen, dass durch die „Wahl“, die man hat, auch eine Art Gleichstellung von Mann und Frau erfolgt. Hausarbeit wird sozusagen nicht mehr aus Zwang, sondern freiwillig gemacht. Ist das nicht feministisch? Ist es aber wirklich eine Wahl, wenn diese Rollenbilder seit Jahrzehnten tief im System verankert sind, nicht entlohnt werden und dadurch in finanzieller Abhängigkeit münden? Dieses Thema ist super politisch, tiefgehend und definitiv problematisch.
Durch die idealisierte Darstellung von Beziehungen in den sozialen Netzwerken fühlen sich viele Paare unter Druck gesetzt, weil sie ihre eigenen Beziehungen damit vergleichen. Wie entgeht man „Comparationship“?
Johanna Sophie: Genau deshalb mache ich, was ich mache. Ich möchte online und auch in meinem Buch zeigen, dass Beziehungen nicht perfekt sein müssen, um gesund und glücklich zu sein. Einem gewissen Mass an Vergleichen können wir wahrscheinlich nicht entgehen, aber wir sollten aufpassen, mit was und wem wir uns vergleichen. Genau wie bei anderen Dingen auf Social Media – der „idealen“ Ernährung, dem „idealen“ Aussehen, der „idealen“ Morgenroutine. Social Media bildet nie die wirkliche Realität ab. Am besten entfolgt man Accounts, die einem nicht guttun, folgt dafür Menschen, die versuchen, so authentisch wie möglich zu sein und legt das Handy auch hin und wieder einfach mal weg.
War das in Ihrer eigenen langjährigen Beziehung je ein Problem?
Johanna Sophie: Ich würde mich schon als Menschen bezeichnen, der sich viel vergleicht. Vielleicht mache ich gerade deshalb das, was ich tue – die Videos posten, die mir geholfen hätten, mich weniger zu vergleichen und das Buch schreiben, welches mir beim Lesen gezeigt hätte, dass ich nicht alleine mit meinen Beziehungsproblemen bin.
Wie beeinflussen Instagram, TikTok und Co. generell das Beziehungsleben?
Johanna Sophie: Als Nutzerin oder Creatorin? Ich würde sagen bei beidem ist wichtig, das Handy hin und wieder und am besten immer öfter in der Tasche oder auf dem Nachttisch zu lassen und sich tief in die Augen zu schauen.
Beziehungen scheinen immer schnelllebiger zu werden. Fühlen Sie sich mit Ihrer langjährigen Partnerschaft manchmal wie aus der Zeit gefallen?
Johanna Sophie: Als Jugendliche wurde meinem Partner und mir oft vorgeworfen, uns nicht richtig ausprobiert zu haben. Die Zwanziger seien dafür da, sich auszutoben, Erfahrungen zu sammeln und „wild“ zu sein. Manchmal hat uns das in unseren Gedanken beeinflusst. Also machten wir es, wie immer – wir redeten ehrlich über unsere Gedanken und Gefühle. Mittlerweile, Jahre später, ist für uns klar: Das, was wir haben, ist genau das, was wir wollen. Und das ist doch alles, was zählt.