Wellness-Trend Waldbaden: „Ein altmodischer Spaziergang reicht!“

Waldbaden verspricht viele gesundheitliche Vorteile. Aber braucht man dazu eine Anleitung oder reicht ein normaler Spaziergang?

Das Waldbaden soll unser Immunsystem stärken und es verspricht Besserung von Angstzuständen und Depressionen – aber muss man dafür den Trend mitmachen? „Natürlich reicht ein hundsgewöhnlicher altmodischer Spaziergang! Man muss nicht joggen und laufen, man muss kein Trainingslager draus machen, auch kein Survivalcamp, sondern einfach auf den Wegen bleiben mit offenen Augen, Ohren und Näschen geniessen“, sagt Bestsellerautorin Nicola Förg (57). Die Expertin für Natur- und Umweltschutzthemen bringt mit „Flüsternde Wälder“ (Pendo) gerade einen neuen Krimi auf den Markt, in dem auch Waldbadende ihren Auftritt haben. Im Interview mit spot on news verrät sie, auf was es in der Natur ankommt.

Waldbaden ist ein neuer Gesundheitstrend. Was halten Sie davon?

Nicola Förg: Waldbaden wird als neuer Weg in die naturnahe Achtsamkeit gefeiert. Es ist eine Ausprägung der Zeit, dass der moderne Mensch an die Hand genommen werden will. Er braucht den Schutz einer Gruppe und eines Guides. Für manche, das berichten solche Waldbade-Instruktoren, ist es schon eine Offenbarung, das Handy nicht mitzunehmen. Wenn das Kind, das den Namen „Waldbaden“ trägt, Menschen dazu anleitet, langsam zu gehen, auch mal innezuhalten, nur zu horchen und zu schnuppern, bin ich durchaus einverstanden. Und gut ist ja auch, dass man Waldbaden völlig ohne Aufwand und Gerätschaften kann. Man braucht nur feste Schuhe! Und primär stimmt auch die Annahme, dass man nur das lieben und schützen kann, was man kennt.

Was passiert aber mit dem Wald, wenn sich plötzlich viele, um sich etwas Gutes zu tun, im Wald tummeln?

Förg: In Zeiten von Verkehrskollaps, Feinstaub und Lichtverschmutzung nehmen Städter wahr, dass das auf die Dauer nicht guttun kann. Und sie werden zu Wochenend-Invasoren. Man spricht längst von „Overtourism“, ganze Regionen denken über Sperrungen und Kontingentierungen von Bergen und Seen nach, weil gerade diese „Vorgärten“ von Städten einfach überrannt werden. Anders gesagt: Was 10 tun, ist kompensierbar, wenn es 1.000 sind, wird es belastend, bei 10.000 zum echten Problem. Wanderparkplätze quellen über, Forstwege und Landwirtschaftsstrassen werden zugeparkt. Aber auch dort leben und wirtschaften Menschen! Denn erschwerend für die Einheimischen vor Ort ist natürlich, dass sie gar kein emotionales rosarotes Blümchenbild vom Wald haben. Der Borkenkäfer ruiniert ganze Bestände, Starkwindereignisse – gerade war Sabine in aller Wucht am Werk – nehmen zu. Das sehen beseelte Waldbader, die womöglich auch noch Warnschilder und Absperrungen ignorieren, leider nicht.

Das Waldbaden soll unser Immunsystem stärken, es verspricht Besserung von Angstzuständen und Depressionen. Reicht ein einfacher Spaziergang, um gesundheitlich zu profitieren?

Förg: „Shinrin Yoku“ – „Baden in Waldluft“ – kommt aus Japan, aus einem stark besiedelten, auch traditionellen Land, wo Entspannungstechniken eine sehr lange Geschichte haben. Auf Europa transferiert, will man sich treiben lassen und den Wald bewusst im gegenwärtigen Moment wahrnehmen. Studien aus Japan und den USA belegen, dass sich bereits nach einem 15-minütigen Spaziergang im Wald der Herzschlag normalisiert, der Blutdruck sinkt, das Immunsystem gestärkt wird. Verantwortlich dafür sind pflanzliche Duftstoffe, die sogenannten Terpene. Andere Studien beweisen, dass Menschen in Krankenhäusern, die ins Grüne blicken, schneller gesunden. Natürlich reicht ein hundsgewöhnlicher altmodischer Spaziergang! Man muss nicht joggen und laufen, man muss kein Trainingslager draus machen, auch kein Survivalcamp, sondern einfach auf den Wegen bleiben mit offenen Augen, Ohren und Näschen geniessen.

Apropos: Auf den Wegen… Bei welchen anderen Freizeit-Trends sollten Menschen in der Natur vorsichtiger sein?

Förg: Im Prinzip bei allem, was absolut unachtsam in den Lebensraum von Mitgeschöpfen eingreift. Dabei geht es nicht um Verbote, sondern um Aufklärung. Die coole Waldabfahrt fürs Bike „off beaten track“ ist vielleicht auch das Esszimmer von Rehen und Hasen. Stichwort Hunde: Unangeleinte Hunde, die stöbern und jagen, erwischen das Reh vielleicht nicht, aber es verletzt sich, rennt vor ein Auto oder stirbt Tage später, weil es immer wieder beim Wiederkäuen gestört wurde. Vögel tun so als wären sie verletzt, um von den Jungen abzulenken. Andere fliegen todesmutig Angriffe – das kostet sie viel Energie.

Nur wer auf den Wegen bleibt – im ausgehenden Winter als Skitourengeher auf Aufstiegsrouten und Schneeschuhgänger auf Tracks -, ist Naturfreund! Tiere lernen zum Beispiel schnell, dass von „kanalisierten“ Menschen keine Gefahr ausgeht. Wer aber quer durch Wald und Flur rennt, radelt, reitet, richtet gewaltigen Schaden an. Früher gab es die Goldene Regel: Vor dem Dunkelwerden zu Hause sein, nach der Morgendämmerung unterwegs. Und heute sind Nachtwanderungen beliebt. Wir haben den Lebensraum von Wildtieren massiv eingeengt, ursprünglich tagaktive Tiere in die Nacht vertrieben und jetzt johlen wir auch noch fackelschwingend durch die Nacht?

Darum geht’s in „Flüsternde Wälder“

In „Flüsternde Wälder“ schickt Förg ihre Ermittlerinnen Irmi Mangold und Kathi Reindl in einen neuen Fall. Darin bekommen sie es unter anderem mit einer toten Waldbademeisterin zu tun und einem Mann, der mit einer Buddhastatue erschlagen wurde. Bei ihren Nachforschungen treffen die Polizistinnen auf Waldbadende, E-Biker und Detox-Jünger.

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