Job-Angst in der Corona-Krise? So werden Sie damit fertig

„Wer seinen Arbeitsplatz erhalten will, muss vom eigenen Chef für wichtig gehalten werden“, sagt Martin Wehrle über die Corona-Krise. Hier erklärt der Karrierecoach, wie man richtig handelt.

„Wir schlittern gerade in den tiefsten Wirtschaftsabschwung der Nachkriegszeit. Wer seinen Arbeitsplatz erhalten will, muss vom eigenen Chef für wichtig gehalten werden“, sagt Martin Wehrle (50) über die Corona-Krise. Der Autor von „Ich könnte ihn erwürgen!“ (Mosaik) arbeitet seit 20 Jahren als Karriere- und Persönlichkeitsberater. Im Interview mit spot on news erklärt er, wie man richtig handelt.

Sie stellen in Ihrem neuen Buch „Ich könnte ihn erwürgen!“ verschiedene Persönlichkeits-Typen vor. Welche Typen kommen mit der derzeitigen Krisen-Situation am besten klar und wer steckt so etwas schlecht weg?

Martin Wehrle: Ich glaube, Machtmenschen kommen mit der Situation am besten klar. Im Moment fühlen sie sich wie der Kapitän eines Bootes in Seenot: Sie stehen am Steuerrad, kämpfen mit der Krise und kommandieren die Crew, zur Not online. Krisen fördern Macher – siehe Helmut Schmidt und die Flutkatastrophe von 1962. Dagegen haben Schwarzseher mit der aktuellen Krise ihre Probleme. Sie gehen davon aus, dass die wahre Krise erst noch kommt, dass ihr Arbeitsplatz über den Jordan geht und dass sie früher oder später auf der Intensivstation liegen – oder nein: dort keinen Platz mehr bekommen.

Was kann man tun, wenn man zur zweiten Gruppe gehört?

Wehrle: Akzeptieren Sie die eigene Angst. Es ist nicht schlimm, Angst zu haben – aber es ist schlimm, wenn die Angst Sie hat! Erst durch Selbstakzeptanz wird es Ihnen gelingen, rationaler zu denken. Prüfen Sie, was gegen Ihre Befürchtung spricht. Wie gross ist die statistische Wahrscheinlichkeit? Was macht Hoffnung? Wann sind Dinge früher gutgegangen, obwohl Sie es anders befürchtet hatten? Sehen Sie nicht nur den Schatten – sondern auch das Licht!

Für viele Menschen bedeutet die Corona-Krise Homeoffice. Der Arbeitsminister will sogar ein neues Recht auf Homeoffice schaffen. Was für Risiken und Chancen stecken im Homeoffice?

Wehrle: Die grosse Chance: Man spart viel Zeit, muss nicht mehr jeden Tag zur Arbeit fahren und gestaltet seinen Arbeitsplatz selbst. Und die Ablenkung ist geringer als in den meisten Grossraumbüros. Doch wenn das Zuhause zum Arbeitsort wird, bedeutet das: Man verlässt den Arbeitsplatz kaum noch. Also braucht es einen Damm zwischen Arbeit und Freizeit: Teilen Sie Ihrer Firma mit, bis wann Sie arbeiten. Danach keine Mails mehr abrufen und keine Telefonate annehmen. Sonst leidet das Familienleben, fehlt die Freizeit – und droht auf längere Frist der Burnout.

Nach der Homeoffice-Phase steht aber erst mal für die meisten die Rückkehr in die Büros an. Wie nutzt man diesen „Neustart“, um mit Kollegen besser klarzukommen, mit denen man vorher Schwierigkeiten hatte?

Wehrle: Das wird nicht leicht! Denn die Selbstdarsteller und Narzissten haben jetzt ein grosses Nachholbedürfnis: Sie werden sich sofort in den Mittelpunkt spielen, den Arbeitsplatz zur Bühne machen. Und die Perfektionisten werden jeden, der sich mal ins Gesicht fasst, sofort ermahnen. Eine Kernbotschaft meines Buches: Belassen Sie das Problem beim Absender. Nehmen Sie das Verhalten der anderen nicht persönlich. Betrachten Sie den schwierigen Menschen mit einer gewissen Distanz, wie ein Schauspiel im Theater. Dann bleiben Sie innerlich gelassen. Und weisen Sie einen Selbstdarsteller auch mal darauf hin: „Meine Konzentration schwindet, ich kann dir nicht mehr folgen.“ Damit holen Sie ihn typgerecht ab: Lieber schweigt er, als dass eine seiner kostbaren Worte verloren geht …

Wie schafft man es, gegen laute, extrovertierte Persönlichkeits-Typen anzukommen, wenn man nicht selbst zu dieser Sorte gehört?

Wehrle: Viele leise Menschen verfügen über eine grosse Sachkompetenz. Stellen Sie einem Selbstdarsteller Ihre Sachargumente entgegen. Zeigen Sie einem cholerischen Machtmenschen im Vier-Augen-Gespräch auf, inwiefern er seiner eigenen Sache schadet. Setzen Sie freundlich, aber deutlich Grenzen. Ein Team kann niemals nur auf einem Bein stehen: Es braucht leise und laute Menschen. Jeder kann mit seinen Stärken den jeweils anderen ergänzen.

Welche Auswirkungen wird die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen für Arbeitnehmer haben und wie geht man am besten damit um?

Wehrle: Es wird viel schwerer, den Arbeitgeber zu wechseln. Wir schlittern gerade in den tiefsten Wirtschaftsabschwung der Nachkriegszeit. Wer seinen Arbeitsplatz erhalten will, muss vom eigenen Chef für wichtig gehalten werden. Darum ist es entscheidend, dass man ihn typgerecht behandelt. Zum Beispiel schätzen es Machtmenschen, wenn man sich klar ausdrückt, schnell auf den Punkt kommt und immer wieder Zwischenstände präsentiert. Dagegen hassen Sie Langatmigkeit, ständige Rückfragen und diplomatische Floskeln. Solche Kleinigkeiten im menschlichen Umgang können in der Krise entscheiden, ob man seinen Job behält – und nebenbei noch gute Laune

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