So hart trifft die Corona-Krise das Wacken Open Air

Das Wacken Open Air findet 2020 nicht statt. Was die Corona-Pandemie für das Metal-Festival bedeutet, erklärt Wacken-Chef Thomas Jensen.

Das Wacken Open Air hätte dieses Jahr am 30. Juli starten sollen. Im April mussten die Veranstalter des grössten Heavy-Metal-Festivals der Welt das Event wegen der Coronavirus-Pandemie jedoch absagen. Mittlerweile steht immerhin der Termin fürs nächste Jahr fest: 2021 wird das W:O:A vom 29. bis 31. Juli über die Bühne gehen. Wacken-Chef Thomas Jensen hat mit der Nachrichtenagentur spot on news über das Festival-Aus gesprochen und erklärt, was die Absage für die Veranstalter bedeutet.

Wie enttäuscht sind Sie darüber, dass das Wacken Open Air dieses Jahr nicht stattfinden kann?

Thomas Jensen: Zunächst einmal hat uns die staatliche Ankündigung, dass in diesem Sommer keine Festivals stattfinden werden, tief getroffen und musste von uns erst einmal emotional verarbeitet werden. Unser gesamtes Team hat über ein Jahr hart daran gearbeitet, ein grossartiges Metal-Fest auf die Beine zu stellen und dann wird der gesamte Festivalsommer abgesagt – das schmerzt uns alle natürlich sehr. Auf der anderen Seite tragen wir die Entscheidung aber weiterhin mit, denn auch wir stehen in der Verantwortung gegenüber unseren Besuchern, Mitarbeiten und Partnern. Obendrein galt es, die Enttäuschung der Fans zu verarbeiten. Deren vielfach geäussertes Verständnis und der grosse Zuspruch haben uns aber viel Kraft gegeben.

Was bedeutet die Absage auch finanziell für Sie?

Jensen: Es blieb uns nicht viel Zeit, den Schock zu verdauen, denn wir mussten mit Hochdruck daran arbeiten, die drängendsten Fragen unserer Fans zu beantworten. Wir denken, dass es uns beispielweise beim komplexen Thema „Umgang mit den bereits gekauften Tickets“ gelungen ist, in denkbar kurzer Zeit sehr gute Lösungen zu finden.

Natürlich wird diese Absage finanzielle Einbussen nach sich ziehen. Bis wir dazu konkrete Zahlen haben, braucht es allerdings noch viel Zeit. Wir dürfen dabei aber nicht nur auf uns sehen, denn die wirtschaftlichen Folgen betreffen ja auch die Bands, unsere Partner und viele andere Firmen und Einzelpersonen wie beispielsweise Bühnentechniker, die alle Teil des Festivals sind. Auch die Fans gehören dazu, die zum Teil von anderen Kontinenten anreisen wollten. Obwohl wir diese Situation nicht zu verantworten haben, macht es uns dennoch betroffen, dass viele Menschen durch die Epidemie auch wirtschaftlich in Schwierigkeiten geraten.

Ein Termin für das Wacken Open Air 2021 steht bereits fest. Wird sich nächstes Jahr durch die Folgen der Corona-Krise etwas ändern?

Jensen: Wir hoffen natürlich darauf, das Wacken Open Air 2021 wieder wie gewohnt durchführen zu können. Sollte es staatliche Auflagen geben, werden wir diese selbstverständlich umsetzen. Derzeit ist aber nicht absehbar, ob und wann solche Auflagen kommen, denn niemand kann die Entwicklung der Pandemie und der medizinischen Möglichkeiten sicher vorhersagen.

Werden Bands und Musiker, die eigentlich dieses Jahr aufgetreten wären, auch nächstes Jahr wieder dabei sein?

Jensen: Von einigen Fans wurde der Wunsch geäussert, dass wir einfach das gleiche Festival auf die Beine stellen, da hat unser Programm für dieses Jahr offenbar überzeugt. Aber natürlich hängt das Booking nicht nur an uns. So manche Band wird bereits andere Verpflichtungen eingegangen sein oder hat zum Beispiel für den Termin im nächsten Jahr ein Studio gebucht. Wir arbeiten aber bereits mit Hochdruck am Billing des Wacken Open Air 2021. Die Fans können sich wie immer auf uns verlassen, dass wir eine attraktive Mischung zusammenstellen werden. Wir werden sobald wie möglich die ersten Bands ankündigen, bitten aber auch in dieser Frage um ein wenig Geduld.

Für bereits gekaufte Tickets haben Sie vier Optionen in den Raum gestellt. Man kann ein neues für das nächste Jahr kaufen, sein Geld zurückbekommen, einen Gutschein für Metaltix erhalten oder sein Ticket spenden. Warum haben Sie auf so viele Möglichkeiten Wert gelegt?

Jensen: Vonseiten der Besucher wurden viele Wünsche bezüglich der Erstattung der diesjährigen Tickets an uns herangetragen. Wie in nahezu allen Belangen standen die Bedürfnisse der Fans bei unseren Überlegungen an erster Stelle. Manche wollen unbedingt im nächsten Jahr dabei sein, andere sind vielleicht verhindert, wieder andere möchten mit einer Spende helfen. Unser Angebot, das die Möglichkeit einräumt, jedes einzelne Ticket über einer der vier Optionen erstattet zu bekommen, stellt unserer Meinung nach die optimale Umsetzung im Interesse der Fans dar – und die Reaktionen auf unsere Ankündigung fallen auch entsprechend positiv aus, was uns sehr freut.

Haben Sie noch andere Trostpflaster für die Fans, zum Beispiel digitale Angebote?

Jensen: Sinn und Zweck eines Festivals besteht in dem Gemeinschaftserlebnis vor Ort und der live gespielten Musik auf den Bühnen, was sich natürlich nicht einfach digitalisieren lässt. Wir haben aber vor der Absage bereits an digitalen Angeboten gearbeitet, um den Fans die Wartezeit auf das Festival zu verkürzen. Da sich die Wartezeit nun unfreiwillig verlängert hat, werden wir sicherlich weiter darauf aufbauen und interessante Angebote schaffen. Die können zwar nicht das Festival ersetzen, aber hoffentlich als besonders schönes Trostpflaster dienen.

Welche Reaktionen haben Sie auf die Absage von Künstlern und Fans bekommen?

Jensen: Wir berufen uns ja oft auf die Metal-Family. Und dieser starke Zusammenhalt der Szene zeigt sich gerade wieder äusserst deutlich, sowohl im Austausch mit den Künstlern als auch mit den Fans. Dennoch nehmen wir diese Loyalität nicht als gegeben hin, sondern wissen, dass man sich Vertrauen verdienen muss. Umso mehr freut es uns, wie viel Verständnis und Zustimmung uns in dieser für alle Beteiligten schwierigen Ausnahmesituation von allen Seiten entgegengebracht wird.

Der starke Zuspruch durch die Besucher ist für uns eine Riesenmotivation, jetzt unsere Zähne zusammenzubeissen und im nächsten Jahr mit einem tollen Festival dem Virus den Finger zu zeigen. Wir sind unendlich dankbar. Dass obendrein viele ihre Tickets spenden wollten, geht uns schon ans Herz. Um diese Grosszügigkeit in anständige Bahnen zu lenken, haben wir die Solidartickets zum Spenden geschaffen, welche Fans in Not zugutekommen werden.

Sollte die Politik tätig werden und einen Auffangschirm für Kunstschaffende, Clubs und Veranstalter bereitstellen?

Jensen: Wir würden es sehr begrüssen, wenn auch für die Kulturbranche ein staatlicher Rettungsschirm käme. Denn der Kulturbereich ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz, wird aber von den Folgen der Epidemie zweifellos besonders hart getroffen. Konzerte, Touren und Festivals fallen mindestens für mehrere Monate aus. Das bedeutet für viele Menschen, die hinter den Kulissen hart dafür arbeiten, dass Bands auf den Bühnen stehen und Fans ein schönes Erlebnis haben, was dem seelischen Gleichgewicht und dem psychischen Zustand der Gesellschaft nutzt, als Selbstständige nun ohne Sicherheitsnetz und ohne Einkommen dastehen. Gerade der Rock’n’Roll wird besonders hart erwischt, da schon zu normalen Zeiten kaum Subventionen fliessen.

Fühlen Sie sich von der Politik im Stich gelassen?

Jensen: Nein. Wir tragen die staatlichen Entscheidungen, sowohl der Bundesregierung als auch der Regierung des Landes Schleswig-Holstein, ausdrücklich und bewusst mit, denn auch wir stehen in der Verantwortung gegenüber unseren Besuchern, Mitarbeiten und Partnern. Die Politik steht gerade von allen Seiten massiv unter Druck und vor schweren Entscheidungen, da muss das Urteil der Experten derzeit Vorrang haben. Wir machen ein Festival und sind keine Epidemiologen.

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