Angelo Kelly über die Corona-Krise: „Es erdet mich und meine Familie“

Das vierte Album von Angelo Kelly & Family erscheint am Freitag. Doch wie geht es der Familie in Corona-Zeiten und wie endgültig ist sein Kelly-Family-Aus?

Mit der Familie musiziert es sich doch am schönsten. Dieser Glaubenssatz zieht sich scheinbar durch das gesamte Leben von Angelo Kelly (38). Mit The Kelly Family („An Angel“) feierten er und seine Geschwister in den 1990er Jahren beispiellose Erfolge, in den vergangenen drei Jahren legten sie ein sensationelles Comeback hin. Seit 2014 steht der im spanischen Pamplona geborene Künstler auch mit seiner Ehefrau Kira (40) und den fünf gemeinsamen Kindern auf der Bühne. Sie führen die Kelly-Familientradition weiter – ebenfalls mit beachtlichem Erfolg.

Mit „Coming Home“ erscheint am Freitag (22. Mai) das vierte Album von Angelo Kelly & Family. Darauf ist neben der ersten Single „Stay with me“ auch der Song „Don’t Know“ aus der Feder des 18-jährigen Gabriel Kelly zu finden. Mit seinem ältesten Sohn produziert Angelo Kelly neuerdings einen eigenen Podcast namens „Father & Son“. Erste Ausschnitte daraus präsentierte der Musiker bereits auf seinem Instagram-Account.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät der 38-Jährige nun, wie er und seine Familie die Corona-Quarantäne verbringen und ob sein Ausstieg bei The Kelly Family endgültig ist.

Das neue Album „Coming Home“ erscheint fast genau zwei Jahre nach „Irish Heart“. Wie unterscheidet es sich von seinem Vorgänger?

Angelo Kelly: Es hat sich bei uns musikalisch viel getan. Die Kinder haben sich weiterentwickelt. Der Älteste, Gabriel, ist viel reifer und schreibt Songs, die das deutlich machen. „Don’t Know“ ist zum Beispiel ein Lied, das sehr rührt. Es geht darum, in einer Beziehung zu sein, in der man nicht weiss, ob man die Frau wirklich liebt. Man merkt, dass manche unserer Kinder erwachsen geworden sind. Bei den Kleinen hat sich auch viel getan. Joseph ist neun, singt deutlich mehr und spielt seine irische Trommel. William hat sich dieses Mal getraut, zwei Solos zu singen, und macht mit seinen vier Jahren einen tollen Job. Das ist total niedlich.

Welcher Song bedeutet Ihnen besonders viel?

Kelly: Kiras „Sweetest Rose“. Sie hat dieses Lied für meine Mutter geschrieben. Ich habe es nicht geschafft, einen Song in der Art für meine Mutter zu schreiben, aber ich bin sehr dankbar, dass sie es hinbekommen hat.

„Stay with me“, die Vorab-Single, ist ein direkter Dialog mit Gott. Wie wichtig ist für Sie in der aktuellen Lage Ihr Glaube?

Kelly: In der aktuellen Situation glaube ich, dass wir weltweit alle viel reflektieren. Wir als Familie denken viel über unser Leben nach: Was ist essenziell, was ist wichtig? Da rückt das Thema Glaube viel mehr in den Vordergrund. Man erinnert sich daran, dass er im Leben eigentlich eine sehr wichtige, essenzielle Rolle spielen sollte. Oft ist man so beschäftigt mit anderem, dass man das ein Stück weit vergisst. Ich denke, die momentane Zeit bietet eine Gelegenheit, sich wieder darauf zu besinnen.

Sie verbringen die Corona-Isolation mit Ihrer Familie in Irland. Wie vertreiben Sie sich die neugewonnene freie Zeit und wie gehen Ihre Kinder mit den Beschränkungen um?

Kelly: Hier in Irland sind wir ebenfalls sehr eingeschränkt. Es gibt eine Ausgangssperre und man darf nur bestimmte Sachen tun. Das ist für die Kinder ein wenig komisch, das mussten wir ihnen erklären – gerade den Kleinen. Wir haben [aber] das Glück, dass wir sehr ländlich leben und ein grosses Grundstück haben. Dort spüren wir von der ganzen Situation nichts. Erst wenn wir einkaufen gehen, merken wir, was eigentlich los ist. Wir verbringen gerne viel Zeit zusammen als Familie und die Kinder unterrichten wir sowieso schon seit über zehn Jahren zuhause. In diesen Dingen hat sich bei uns nicht viel verändert.

Welche Lehren können und sollten die Menschen aus der Pandemie ziehen – auch bezogen auf den Stellenwert der Familie?

Kelly: Ich glaube, dass solche Momente viele Menschen aufrütteln, das ist auch ein Stück weit bei uns so. Wir haben in den letzten fünf Jahren sehr viel Erfolg genossen, sowohl mit [der eigenen Musik], als auch mit The Kelly Family. Ich habe mir geschworen, dass ich nicht abhebe, wenn wieder grosser Erfolg da ist; dass ich auf dem Boden bleibe und versuche, Mensch zu bleiben. So ganz gelingt es einem dann nicht und man gewöhnt sich doch daran, dass man erfolgreich ist, dass man viel Geld verdient und so weiter. Wenn dann plötzlich eine Situation da ist, in der alles anhält, dann merkt man, dass man nicht Herr der Dinge und nur eine kleine Ameise ist.

Es ist gut, wenn man einfach mal lernt, nicht zu denken, man habe alles im Griff. Man hat meistens viel, viel Glück und sollte dankbar für jeden Tag sein, an dem man gesund ist und an dem die Familie gesund ist. Die aktuelle Situation erdet mich und unsere Familie. Wir geniessen die kleinen Dinge, zum Beispiel ein abendliches gemeinsames Lagerfeuer. Wir versuchen auch, diesen Sommer trotz des Lockdowns für uns schön zu gestalten.

Wie haben die Erfahrungen der vergangenen zwei Monate Sie beeinflusst und eventuell verändert?

Kelly: Sie machen mich auf jeden Fall nachdenklich. Als Musiker lebt man eigentlich von Konzerten, weniger von Alben – das war in den 1990ern vielleicht umgekehrt. Wenn das plötzlich wegfällt, dann muss man sich überlegen, wie man sich langfristig aufstellt. Ich möchte auf Tournee gehen und Konzerte geben, aber wir machen uns hier auf unserem Grundstück dennoch nun unabhängiger. Ein Stück weit waren wir es schon, aber wir haben jetzt noch Gewächshäuser dazu bekommen und Kartoffeln angebaut. Demnächst kommen auch Hühner dazu. Wir versuchen, unabhängiger zu werden, sodass wir in Zukunft zwar auf Tour gehen können, aber wenn es nicht klappt oder irgendetwas kommt dazwischen, dann sind wir trotzdem unabhängig aufgestellt.

Wegen der Pandemie mussten bereits viele Künstler ihre Tourneen und Auftritte verschieben oder absagen. Im November und Dezember gehen Sie als Familie auf grosse Weihnachtstour. Wird bereits über mögliche Änderungen diskutiert?

Kelly: Die Weihnachtstour soll aktuell stattfinden wie geplant. Hoffentlich bleibt alles so und wir können dieses Jahr noch Konzerte geben, den Leuten begegnen und das Live-Feeling geniessen. Ein ganzes Jahr, ohne auf der Bühne zu stehen, ohne den Menschen Musik zu geben, das wäre wirklich schade. Sollte sich etwas verändern, werden wir schauen, dass wir andere Möglichkeiten finden, zum Beispiel eine Verschiebung.

Die Corona-Einschränkungen sorgen in vielen Branchen für hohe Einbussen. Sollte die Politik einen Auffangschirm für Kunstschaffende, Clubs und Veranstalter bereitstellen?

Kelly: Es gibt sehr viele freischaffende Künstler, aber auch Leute drumherum: die Roadies, Tontechniker, Busfahrer, Technikfirmen, Hallen, Theater. Es gibt hunderttausende Mitarbeiter in der deutschen Entertainment-Branche. Sie haben im Moment einfach keine Arbeit. Sicherlich brauchen diese Menschen Hilfsmassnahmen, aber letztendlich bringt jeder Rettungsschirm mehr Inflation mit sich, was uns alle später in mehr Schwierigkeiten bringt.

Wie bleiben Sie trotz der Einschränkungen in Kontakt mit Ihren Fans, da der „persönliche“ Austausch, sei es auf der Bühne oder nach einer Show, erstmal wegfällt?

Kelly: Gott sei Dank gibt es heute mit den sozialen Netzwerken Plattformen, durch die man im engen Austausch mit dem Publikum steht. Das pflegen wir seit Jahren. Es ist toll, diese Möglichkeit zu haben und sie ist in der jetzigen Situation wichtiger als jemals zuvor. Ausserdem freuen wir uns, dass wir den Menschen auch in diesen Zeiten unsere Musik schenken können – wenn nicht live, dann durch unser neues Album. So haben die Menschen etwas fürs Gemüt, das sie inspiriert und berührt und was ihnen Lebensfreude gibt. Das ist momentan sehr wichtig.

Sie haben gerade Ihren Ausstieg bei The Kelly Family verkündet. Wie schwer fiel Ihnen die Entscheidung und wie haben Ihre Geschwister sie aufgenommen?

Kelly: Die Entscheidung hatte ich bereits kurz vor der letzten Tour getroffen. Ich hatte festgestellt, dass ich das auf Dauer nicht weitermachen kann. Es ist zu viel Arbeit und ein zu grosser Spagat zwischen dem Privatleben in Irland, der eigenen Musik mit der Familie und The Kelly Family. Letztlich ist meine Arbeit dort nicht rein musikalisch gewesen, ich habe da sehr viel rund herum mitgearbeitet; an den Produkten, der Showgestaltung, im Marketing. Ich schaue auf viele tolle Jahre zurück, aber ich habe mir gesagt „Da mache ich einen Strich“ – und die letzte Tour deshalb sehr genossen.

Die anderen wussten schon vor der Tour Bescheid. Dadurch wurde das letzte Konzert in München für alle sehr emotional. Eine Pause war bereits eingeplant, aber sie wussten, dass ich aussteige. Viele haben versucht, mich während der Tour zu überreden, doch nochmal darüber nachzudenken, aber letzten Endes haben sie es akzeptiert und respektiert.

Ein Grund für Ihre Entscheidung war ein „Burn-Out-Gefühl“. Wie hat es sich geäussert und worin lag es begründet?

Kelly: Wenn man mehrere Jahre hintereinander nonstop arbeitet, verspürt man irgendwann ein gewisses Gefühl der Müdigkeit. Das habe ich die letzten ein, zwei Jahre dann mit mir herumgeschleppt. Ich bin sehr ehrgeizig, deshalb bin ich da vermutlich durchgekommen, aber letztendlich braucht der Körper irgendwann mal eine Pause.

Halten Sie es für möglich, dass Sie irgendwann zu The Kelly Family zurückkehren?

Kelly: Nein.

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