Laith Al-Deen: 2020 wird für Musiker „ein Drahtseilakt“

Laith Al-Deens neues Album „Kein Tag Umsonst“ erzählt von Neuanfängen. Im Interview verrät der Sänger, wie diese für viele Menschen nach der Corona-Pandemie aussehen könnten.

„Bilder von dir“: An den Ohrwurm aus dem Jahr 2000 dürften sich sicherlich noch viele erinnern. Auch 20 Jahre nach seinem Megahit ist Laith Al-Deen (48, „Alles an dir“) immer noch gut im Geschäft. Am Freitag (22. Mai) veröffentlicht er sein neues Studioalbum „Kein Tag Umsonst“, das nunmehr zehnte seiner Karriere. Darauf ruft der Halb-Iraker dazu auf, einen Schritt zurückzutreten, das eigene Leben wieder schätzen zu lernen und sich auf das, was zählt, zu besinnen – eine passende Botschaft in der von Einschränkungen geprägten Zeit der Corona-Pandemie.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Al-Deen, warum er sich einen Rettungsschirm für die Musikbranche wünscht, welche Veränderungen er für die Zeit nach der Pandemie erwartet und warum er sich aktuell „durch den Wildwuchs im Garten und einen Berg Post fräsen“ muss.

Sie sind seit knapp 20 Jahren im Geschäft. Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Musikindustrie in dieser Zeit verändert?

Laith Al-Deen: Streamingportale diktieren inzwischen den musikalischen Trend und die klassischen Musikmedien wie Plattenfirmen oder das Radio haben sich davon abhängig gemacht. Newcomer haben [allerdings] eine Plattform, die es vor 20 Jahren noch nicht gab. Via Internet ist eine individuelle Musikkarriere durch den eigenen Einsatz auch ohne Plattenlabel möglich geworden. Das ist grossartig, wenn auch nicht ganz so mystisch wie früher. Wenn wir jetzt zum Beispiel durch Änderung des Konsumverhaltens wieder zu einem besseren wirtschaftlichen Ertrag für Musiker im Internet kämen, dann hätten wir einen Teil alter, guter Werte wiederhergestellt.

In „Glaub an dich“ äussern Sie Kritik an dem Selbstoptimierungsdrang, der die Gesellschaft heute prägt. Menschen definieren sich zunehmend durch die Meinung anderer. Was liegt dieser Entwicklung zugrunde?

Al-Deen: Meiner Meinung nach sind wir Menschen tendenziell Herdentiere und definieren uns häufig über den Vergleich mit anderen. Wenn zum Beispiel 80 Prozent meines sozialen Umfeldes an sich „arbeitet“ und ich nicht, kann ich doch schnell auf die Idee kommen, dass ich etwas an meinem Leben ändern muss.

Sie sassen nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie acht Wochen in der Schweiz fest und haben die Quarantäne dort verbracht. Wie kam es dazu und wie haben Sie diese Zeit genutzt?

Al-Deen: Die Kinder meiner Partnerin sind normalerweise wochenendweise in der Schweiz. Wir haben in der Nacht vor der Grenzschliessung beschlossen, dass wir diesen Zustand gewährleisten wollen. Daher wurden aus geplanten eineinhalb Tagen am Ende acht Wochen. Wir haben während dieser Zeit schnell Routinen entwickelt und für mich blieb zwischen Homeoffice und Homeschooling ausreichend Zeit für kreative Dinge wie Kochen und Musik machen.

Sind Sie froh, zurück in Deutschland zu sein?

Al-Deen: Es ist schön, zuhause zu sein – auch wenn wir uns aktuell hauptsächlich durch den Wildwuchs im Garten und einen Berg Post fräsen.

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie weiterhin Ihre Arbeit – insbesondere, da Ihre Albumveröffentlichung ansteht?

Al-Deen: Der grösste Teil der Promotion-Arbeit rund um das Album passiert online und bis auf zwei Autokinokonzerte sind alle meine bisherigen Veranstaltungen bis Oktober abgesagt. Wirtschaftlich wird 2020 für viele [im Musikgeschäft] zu einem Drahtseilakt.

Der Titel „Kein Tag umsonst“ handelt davon, dass Sie ständig Neuanfänge erleben. Vielen Menschen steht nach der Corona-Krise ein solcher bevor. Welche Veränderungen erwarten Sie für die Zeit nach der Pandemie?

Al-Deen: Es werden sich sicherlich viele Menschen neu „erfinden“, ja sogar ihr Leben neu aufbauen müssen. In jedem Ende wohnt ein Neuanfang ist sicher die sinnvollste Erkenntnis, die ich auch auf mich anwenden kann. Vielleicht behalten manche das Homeoffice bei, weil es besser im Sinne der Familie funktioniert und der Arbeitgeber jetzt erst zu der Einsicht gekommen ist. Vielleicht wechselt jemand den Job, wozu ihm vorher der Mut fehlte.

Wie bleiben Sie trotz der Einschränkungen in Kontakt mit Ihren Fans?

Al-Deen: „Laith Night Show“ wurde mir als Name einer Reihe während meines ersten Live-Streams [auf Facebook und Instagram] vorgeschlagen. Seitdem ist die 30-minütige Online-Aktion zu einem festen Bestandteil meiner Woche geworden und wird in Zukunft in jedem Fall ausgebaut.

Die Einschränkungen sind mit finanziellen Einbussen verbunden. Sollte die Politik tätig werden und einen Auffangschirm für Kunstschaffende, Clubs und Veranstalter bereitstellen?

Al-Deen: Ein Rettungsschirm für die Branche ist sicherlich wünschenswert, da ein grosser Teil meines Gewerbes ausschliesslich durch Veranstaltungen überlebt. Gerade kleinere Veranstalter und zum Beispiel Technikfirmen haben keine alternative Einnahmequelle – abgesehen von Autokinokonzerten, deren Halbwertszeit sicher nicht ewig währen wird.

Fühlen Sie sich von der Politik im Stich gelassen?

Al-Deen: Nein, ich möchte gerade nicht mit unserer Landesführung tauschen und finde, dass die Massnahmen zur Eindämmung doch recht ordentlich umgesetzt worden sind.

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