„Billig-Fleisch kann nicht aus den Regalen verbannt werden“

Die Fleischindustrie steht aktuell massiv in der Kritik. Viele fragen sich: Kann ich überhaupt noch bedenkenlos Fleisch essen? Auf was Verbraucher achten sollten, erklärt Experte Klaus Reichert.

Nach dem Corona-Ausbruch bei Tönnies wird über die Zustände in Fleischbetrieben diskutiert. Viele Verbraucher sind verunsichert. Kann man im Supermarkt noch guten Gewissens Fleisch kaufen? „Es gibt 12.000 Metzgereien in Deutschland. Die allein können die Bevölkerung nicht versorgen“, erklärt Klaus Reichert, Autor von „Fleisch ist mir nicht Wurst“ (HarperCollins, ab 28.7.) im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. „Also, haben die Verbraucher überhaupt die Wahl? Bedenken Sie bitte, dass viele Menschen auf preiswerte Lebensmittel angewiesen sind. Es macht keinen Sinn, diese Menschen durch Gewissensfragen unter Druck zu setzen.“

Reichert meint zudem: „Ich glaube nicht, dass der Preis an der Situation der Tiere und Arbeiter gross was ändern kann. Das schaffen nur Gesetze.“ Billigfleisch lasse sich seiner Meinung nach nicht aus den Regalen verbannen.

Was Kunden beim Einkaufen beachten sollten

„Wer es sich leisten kann und will, achtet auf Qualität. Wer nicht so viel Geld hat, auf den Preis“, sagt Reichert über den Fleischkauf im Supermarkt. Zudem rät er: „Schauen Sie sich an, wer hinter der Ladentheke steht und vertrauen Sie auf die Menschen, die Ihnen das Fleisch verkaufen.“ Grundsätzlich ist seine Empfehlung: beim Fachmann einzukaufen, „der weiss, wo sein Fleisch herkommt und wie der Reifestatus ist, das heisst, er weiss, wie lange und wo und unter welchen Bedingungen es gelagert wurde“, sagt der Autor.

Lässt sich am Aussehen die Qualität des Fleischs erkennen? „Achten Sie auf einen trockenen Anschnitt, die Farbe sollte nicht zu blass sein. Bei Dry-Aged-Beef sollte das Fleisch bei 0-2 Grad, 60 Tage, 50-60 % Luftfeuchtigkeit gelagert worden sein.“ Wie lange das abgepackte Fleisch im Kühlschrank hält, hänge von der Sorte und vom Reifestatus beim Kauf ab. „Man hat keine andere Chance, als dem Mindesthaltbarkeitsdatum auf dem Etikett und der eigenen Nase zu vertrauen.“

„Ihr Körper weiss, was er will und braucht“

In seinem Buch „Fleisch ist mir nicht Wurst – Über die Wertschätzung unseres Essens und die Liebe meines Vaters zu seinem Beruf“ plädiert Klaus Reichert für einen Fleischkonsum in Massen. „Mein Bruder und ich sind in unserer Familie zu Bescheidenheit erzogen worden“, sagt der Autor, der in einer Metzgerfamilie aufwuchs. „In Massen“ gelte nicht nur für das Essverhalten. „Ich bin der Meinung, dass jeder für sich herausfinden muss, was das richtige Mass ist. Wenn die Leute mehr auf ihr Körpergefühl hören würden als auf die Ratgeber, die an jeder Ecke stehen und vorgeben zu wissen, was richtig, gesund und gut für sie ist, dann würden sie sich besser fühlen.“

Er habe einen guten Tipp, so Reichert, der von seinem Bruder – der den Familienbetrieb übernommen hat – stamme: „Essen Sie, wenn Sie Hunger haben. Und hören Sie auf, wenn Sie satt sind. Ihr Körper weiss, was er will und braucht.“

Vorheriger ArtikelParis Jackson: „Ich bin nicht mal nahe dran, mich selbst zu lieben“
Nächster ArtikelNeues Filmprojekt „Bullet Train“: Brad Pitt wird zum Killer