Der nächste Schritt: So klappt es mit dem Zusammenziehen

In Beziehungen gilt das Zusammenziehen als ein grosser Schritt in Richtung gemeinsame Zukunft. Doch das Thema birgt viel Streitpotenzial. Wie man merkt, ob man für ein gemeinsames Zuhause bereit ist und worauf es ankommt, erklärt Paartherapeut Wieland Stolzenburg im Interview.

Glücklich nebeneinander aufwachen, gemütlich zusammen frühstücken und abends gemeinsam kochen, bevor man sich verliebt ins Bett kuschelt. Das Zusammenleben mit dem Partner ist für viele der nächste grosse Schritt – doch damit die Beziehung daran wächst und man sich in den neuen vier Wänden geborgen fühlt, ist Arbeit angesagt. Denn häufig schwelgt man in einer idealen Vorstellung, statt die gemeinsame Zukunftsplanung rational anzugehen.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt Autor und Beziehungspsychologe Wieland Stolzenburg, wie sich Paare auf das Zusammenziehen vorbereiten sollten. Stolzenburg hat eine eigene Praxis und begleitet Menschen dabei, erfüllende Beziehungen mit sich selbst, ihren Partnern und allen anderen Menschen zu führen. In seinen Büchern, darunter „Beziehungsglücklich“ schreibt der Psychologe über Beziehungen, Trennungen und Persönlichkeitsentwicklung.

Früher oder später steht bei den meisten Paaren das Thema Zusammenziehen an. Gibt es dafür überhaupt den richtigen Zeitpunkt?

Wieland Stolzenburg: Es gibt meist keinen perfekten Zeitraum, um zusammenzuziehen. Zwar spüren viele Paare irgendwann, dass sie gerne zusammenziehen möchten, doch ob sie dann gleich die passende Wohnung finden oder beide zum gleichen Zeitpunkt bereit sind, zusammenzuziehen, steht auf einem anderen Blatt.

Woran merkt man, dass man bereit ist, mit dem Partner zusammenzuziehen?

Stolzenburg: Meist spürt man, wenn man bereit ist, diesen nächsten Schritt in der Partnerschaft zu gehen. Das passiert oft dann, wenn sich beide sicher sind, mit dem anderen langfristig eine Beziehung zu führen und sie bereits einige gemeinsame Herausforderungen gemeistert haben. Das gibt Vertrauen, dass sie auch mit Meinungsverschiedenheiten und Unstimmigkeiten umgehen können – was wichtig für einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt ist.

Doch es gibt auch Menschen, für die eine gemeinsame Wohnung etwas „Bedrohliches“ ist. Nicht, weil sie den Partner nicht lieben, sondern weil sie gerne Freiräume haben und das Zusammenleben für sie zu einengend ist. Hier gilt es dann, eine individuelle Lösung zu finden, die für beide Partner stimmig ist.

Für alle Menschen gilt in der Regel: Es macht keinen Sinn, „nur“ mit dem Partner zusammenzuziehen, um ihm einen Gefallen zu tun. Beide sollten es von sich aus wollen!

Bedeutet das im Umkehrschluss, frisch Verliebte sollten es mit der gemeinsamen Wohnung nicht gleich überstürzen?

Stolzenburg: Wenn man risikofreudig ist, kann man natürlich schon nach kurzer Zeit zusammenziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man den Partner durch die rosarote Brille noch gar nicht so erkennen kann, wie er wirklich ist, ist dabei allerdings sehr hoch. Es empfiehlt sich daher, den Partner erst einmal in Ruhe kennenzulernen und nichts zu überstürzen.

Allerdings ist frühes Zusammenziehen kein absolutes No-Go. Bei manchen Paaren, die nach wenigen Wochen diesen Schritt wagen, kann es durchaus funktionieren.

Macht es Sinn, einen Probelauf zu machen? Etwa, indem ein Partner für einige Wochen beim anderen einzieht?

Stolzenburg: Das ist an sich eine gute Möglichkeit. Paare sollten dabei jedoch auf folgende Dynamik achten: Wenn einer probeweise zum anderen zieht, ist dieser dort ja „nur“ ein Gast. Es ist und bleibt die Wohnung, die Einrichtung und die Entscheidung des anderen und das wissen beide. So entsteht eine andere Dynamik im Vergleich zu einer gemeinsam eingerichteten Wohnung, die beide bezahlen und die beide gleichberechtigt bewohnen. Es kann also durchaus Sinn machen, zunächst einige Wochen gemeinsam in der einen und dann in der anderen diesen Probelauf zu machen. Manchmal bekommt man damit eine realistische Vorstellung davon, wie ein Zusammenleben aussehen kann. Manchmal wird es in der gemeinsamen Wohnung nochmal ganz anders kommen.

Wenn man sich schliesslich dazu entschlossen hat, gemeinsam zu leben, worauf kommt es bei der Planung an?

Stolzenburg: Wichtig ist es, sich im Vorhinein über die Erwartungen auszutauschen, welche man an sich und an den Partner hat. Wer soll welche Rollen und Aufgaben übernehmen und sind beide damit einverstanden? Manche haben noch die klassischen Rollenbilder im Kopf: So könnte es also passieren, dass der Mann von Beginn an davon ausgeht, die Frau werde sich zum Beispiel um die Wäsche und das Putzen kümmern. Doch die Frau geht vielleicht davon aus, dass diese Arbeit aufgeteilt wird.

Wenn diese Rollen nicht geklärt sind, führt das häufig zu Konflikten. Meiner Erfahrung nach sprechen Paare manchmal jahrelang nicht über die Aufgabenverteilung. Wenn man mit falschen oder zu hohen Erwartungen zusammenzieht, kann es schnell zu Unzufriedenheit führen, weil es eben nicht so läuft wie in der eigenen Vorstellung. Aber nicht nur die Aufteilung des Haushalts, sondern auch die Finanzen sollten Paare vor dem Zusammenziehen besprechen und gegebenenfalls Regeln vereinbaren. Beispielsweise ein gemeinsames Budget für Miete, Versicherungen und Essen und zudem ein individuelles Budget für jeden.

Möglicherweise stellen Paare sogar bei dem Gespräch über die Erwartungen und Rollen fest, dass sie konträre Vorstellungen des Zusammenlebens haben und überdenken ihren Entschluss noch einmal. Grundsätzlich sollte jedem klar sein: Den perfekten Partner gibt es nicht. Deshalb sollte man sich immer überlegen, welche Kompromisse man bereit ist einzugehen und was man bereit ist, dem Partner zu geben. Denn häufig fokussieren wir uns sehr einseitig darauf, was wir von unserem Partner haben möchten, anstatt zu schauen, was wir bereit sind, unserem Partner zu geben und selbst in die Beziehung zu investieren.

Paare, die diese Fragen geklärt haben und zusammenziehen, müssen dann in einen gemeinsamen Alltag finden. Wie schafft man es, sich ein Wohlfühl-Zuhause aufzubauen?

Stolzenburg: Jeder sollte sich fragen: „Wie sieht mein perfektes Zuhause aus? Welche Einrichtung gefällt mir?“ Das sollte man sich als Paar gegenseitig präsentieren. Passt es zusammen? Perfekt. Wenn nicht, sollte man eine gemeinsame Lösung finden, etwa dass der eine das Wohnzimmer gestalten darf und der andere das Schlafzimmer. Hier sollte keiner auf der Strecke bleiben.

Auch beim Thema Sauberkeit rumpeln Paare aneinander, da sie oft unterschiedliche Vorstellungen und Vorlieben haben, wie die Hygiene zu handhaben ist. Um Konflikte zu vermeiden, könnte man klare Aufgaben verteilen. Während der eine für das Bad verantwortlich ist, könnte der andere sich um die Küche kümmern. Wichtig ist auch hierbei: Jeder muss lernen, dass nicht alles nach seiner Nase läuft, wenn man gemeinsam lebt.

Vorheriger ArtikelFarbenfrohe Zahnpasta für ein strahlendes Lachen
Nächster ArtikelHerzogin Meghan hält Rede für Frauenrechtsinitiative