„Unhinged“: Russell Crowe brennen die Sicherungen durch

Mit „Unhinged – Ausser Kontrolle“ wird es nach der Corona-Zwangspause spannend im Kino. Darin überzeugt Russell Crowe als psychotischer Killer.

Ursprünglich sollte er erst im August in die Kinos kommen, nun geht „Unhinged – Ausser Kontrolle“ hierzulande bereits am 16. Juli an den Start. Die Macher des Psychothrillers mit Russell Crowe (56, „A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“) als Bösewicht rechnen sich offenbar aufgrund des bis dato hageren Angebots in den Kinos nach der Corona-Zwangspause grössere Chancen aus, zahlreiche ausgehungerte Kinofans in die wiedereröffneten Lichtspielhäuser zu locken. Der Plan könnte aufgehen, denn die Sehnsucht nach packender Unterhaltung dürfte gross sein – und die bietet „Unhinged“, wenn auch ohne Tiefgang.

Einmal zu viel gehupt: Darum geht es

Die junge Rachel (Caren Pistorius) steckt mitten in der Scheidung und ist wieder mal zu spät dran. Mit ihrem Sohn Kyle (Gabriel Bateman) auf der Rückbank steckt sie im täglichen Verkehrschaos auf dem Weg zur Schule, als ihr auch noch ihre wichtigste Klientin kündigt. Und dann das: Als der Autofahrer (Russell Crowe) vor ihr hartnäckig die grüne Ampel ignoriert, zieht Rachel laut hupend an ihm vorbei. So wird sie zur Zielscheibe der geballten Wut eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat.

Entschlossen heftet sich der Fremde an Rachels Fersen, um ihr eine Reihe von Lektionen zu erteilen, die sie so schnell nicht vergessen wird. Und nicht nur sie ist sein Ziel, sondern auch alle, die sie liebt. Gnadenlos und scheinbar unaufhaltsam schlägt der Fremde immer wieder auf brutalste Weise zu, bis er schliesslich Kyle und Rachel selbst ins Visier nimmt.

Katz- und Mausspiel mit einem furchterregenden Russell Crowe

Gleich zu Beginn des knapp 81 Minuten andauernden Katz- und Mausspiels erfährt der Zuschauer, dass es die vom Pech verfolgte Rachel mit einem wahren Psychopathen zu tun bekommt. Russell Crowes namenlose Figur ermordet ohne jegliche Skrupel ein Ehepaar in ihrem Haus und steckt es anschliessend in Brand. Crowes Blick ist kalt, düster und ruchlos. Als ihn die von Newcomerin Caren Pistorius (30, „Slow West“) gespielte Rachel verärgert und er sie im stockenden Verkehr einholt, lodert grenzenlose Wut in seinen Augen. „Sie wissen gar nicht, was ein schlechter Tag ist, aber sie werden es herausfinden“, droht er und sorgt damit für Gänsehaut.

Oscarpreisträger Russell Crowe ist ein Charakterdarsteller, das ist spätestens seit seiner Darstellung des genialen Mathematikers John Forbes Nash in „A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“ (2001) von Regisseur Ron Howard (66) bekannt. Dass der gebürtige Neuseeländer ausserordentliches schauspielerisches Talent besitzt, beweist er in „Unhinged“ erneut. Er schafft es mit seiner Performance sogar, dass der Zuschauer zuweilen über die offensichtlichen Schwächen des Drehbuchs hinwegsieht. Crowes überzeugende Darstellung trägt den Film und bietet seinen jungen Co-Stars Caren Pistorius und Gabriel Bateman (15) eine Plattform, um sich zu etablieren.

Drehbuch ohne Tiefgang

Doch auch ein herausragender Russell Crowe kann nicht vollends über die Schwachstellen von „Unhinged“ hinwegtrösten. Spätestens nach der Hälfte des Films fragt sich der Zuschauer unweigerlich, ob denn die Hintergründe der Hauptfigur jemals aufgedeckt werden. Wer genau ist dieser Fremde, der kaltblütig wie ein Profikiller vorgeht? Wer oder was hat ihn dazu getrieben, so ruchlos zu werden? Die spärlich von Autor Carl Ellsworth (70, „Disturbia“) im Drehbuch platzierten Andeutungen lassen herbe Enttäuschungen vermuten, auf mehr Informationen wartet das Publikum allerdings vergeblich.

Vielleicht ist die Wissenslücke beabsichtigt und es soll rein die Annahme im Vordergrund stehen, dass fehlende Empathie und rauer werdende Umgangsformen in den Vereinigten Staaten – und wohl auch anderswo – vermehrt auftreten und zu immer mehr Alltagsgewalt führen. „Niemand weiss heute mehr, wie man sich entschuldigt“, lautet die nüchterne Bestandsaufnahme von Russell Crowes Figur in etwa. Ein wenig mehr Hintergrundwissen zu der Hauptfigur hätte dennoch nicht geschadet.

Fazit

„Unhinged – Ausser Kontrolle“ liefert zwar nur einen sehr unterschwelligen Denkanstoss, bietet aber knapp eineinhalb Stunden lang spannende Unterhaltung, die einem auch mal einen Schauer über den Rücken jagt. An Russell Crowe als Bösewicht muss sich der Kinozuschauer vermutlich erst gewöhnen, seine Rolle nimmt man dem sonst so sympathischen Wahl-Australier jedoch zu 100 Prozent ab. Der Gang ins Lichtspielhaus lohnt sich nach der langen Corona-Durststrecke durchaus – eine willkommene Abwechslung ist es allemal.

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