Johann Lafer: „Ich habe sehr mit Tim Mälzer gelitten“

„Erst einmal war auch für mich alles auf Null“: Wie es Johann Lafer in der Corona-Krise ergeht und ob er den Abschied von der Stromburg bereut, verrät der Starkoch im Interview.

Fast alle Geschäftsbereiche von Johann Lafer (62, „Essen gegen Arthrose“) kamen mit dem Lockdown zum Erliegen, wie er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt: „Also erst einmal war auch für mich alles auf Null.“ Der 62-Jährige, der froh ist, dass er sich bereits 2019 von seinem Sternerestaurant auf der Stromburg getrennt hat, ist aber „kreativ“ geworden, wie er weiter sagt.

Die Gastronomie leidet unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Wie ist es Ihnen ergangen?

Johann Lafer: Ich leide mit all meinen Kollegen und Kolleginnen, die ein Restaurant zu führen haben und unter den Corona bedingten Einschränkungen – auch wenn sie für die Gesundheit Sinn machen – kaum wirtschaftlich arbeiten können. Persönlich kann ich froh sein, mich bereits letztes Jahr von meiner Stromburg getrennt zu haben. Daraufhin habe ich mein Geschäftsmodell noch mehr auf TV, Events, Kochkurse, Genussreisen und auch ein kulinarisches Bühnenprogramm ausgelegt – fast all diese Bereiche kamen jedoch mit dem Shutdown zum Erliegen. Also war erst einmal auch für mich alles auf Null.

Für viel Aufregung sorgte Tim Mälzers Tränenauftritt bei Markus Lanz: Wie nah gingen Ihnen die Worte Ihres Kollegen?

Lafer: Das war ein sehr emotionaler Auftritt und ich habe sehr mit ihm gelitten. Viele meiner Kollegen sind zurecht verzweifelt, weil selbst bei aller staatlichen Hilfe der Shutdown kaum zu überbrücken war. Tim Mälzer ist wie ich Gastronom mit absoluter Leidenschaft und die damalige Perspektivlosigkeit hat ihn und andere einfach fertig gemacht. Erst nach und nach setzte wieder das Kreative in uns ein – in Form von Online-Kochkursen, Kochen für soziale Projekte und vieles mehr. Aber davon kann ja kaum einer leben. Und wir tragen ja auch die Verantwortung für unsere Mitarbeiter, die alle in Kurzarbeit geschickt wurden. Ich kann jede Träne von jedem Unternehmer in der Gastro- oder Reisebranche verstehen, uns hat es am härtesten getroffen.

Haben Sie den Abschied von Ihrem Sternerestaurant auf der Stromburg jemals bereut?

Lafer: Gerade aus heutiger Sicht auf gar keinen Fall. Es war aber ein langer Weg bis dahin, man trennt sich ja nicht so einfach von seinem Lebenswerk. Meine Frau Silvia und ich haben die Stromburg aufgebaut und 25 Jahre lang gemeinsam geführt. Durch meine vielen auswärtigen Auftritte hatte es meine Frau noch härter getroffen als mich, denn sie hatte die Fäden auf der Stromburg in der Hand. Aber wir haben das gemeinsam entschieden, auch auf der Grundlage, dass unsere Kinder andere berufliche Wege einschlagen und so haben wir dafür gesorgt, die Nachfolge vernünftig zu regeln. Wir mussten uns dann erst einmal daran gewöhnen, an Feiertagen nicht für unsere Gäste präsent zu sein. Inzwischen geniessen wir das beide, haben uns neue Ziele gesetzt und bereuen fast nichts.

Sie betreiben derzeit eine Outdoor-Kochschule, in der Sie mit dem nötigen Sicherheitsabstand mit 14 Personen Kochkurse durchführen können. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen und wie muss man sich so einen Outdoor-Kochkurs vorstellen?

Lafer: Nun, in dieser Zeit musste auch ich kreativ werden – wenn all deine Geschäftsfelder plötzlich auf Eis liegen. In meiner bisherigen Kochschule dürfte ich nach Corona-Auflagen nur mit sechs Gästen kochen, das rechnet sich einfach nicht. Dann kam ich auf die Idee einer Outdoor-Kochschule, zumal ich dafür das Grundstück in Guldental hatte. Also haben wir eine Küchenzeile aufgestellt und mit grosszügigem Platz und Abstand eine gemütliche Lounge unter Schirmen kreiert – hier darf ich mit 14 Gästen loslegen. Und eins muss ich sagen, das Kochen und gemeinsame Geniessen unter freiem Himmel macht doch am meisten Spass.

Wie laufen Ihre anderen Geschäftsfelder, Sie verkaufen unter anderem Produkte wie Topf-Sets, Gewürze, Gin,…?

Lafer: Dazu muss man sagen, dass ich ja ein bekennender Produktjunkie bin – egal ob bei Lebensmitteln oder Geräten und Utensilien für die Küche. Da habe ich dann aus purer Begeisterung und Überzeugung mit verschiedenen Partnern schon so einiges auf den Markt gebracht, was sich auch manchmal als Flop herausstellte. Aber die aktuellen Produkte, besonders die Topf-Sets, Fonds, Grillsaucen und Römertopf laufen ganz gut.

Mit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies ist auch erneut die Diskussion um die Zustände in der Fleischindustrie entbrannt. Was raten Sie den Verbrauchern, die es gewohnt sind, Billig-Fleisch aus dem Supermarkt zu kaufen?

Lafer: Vor allem sind die Zustände für die Mitarbeiter in den Unterkünften katastrophal, ganz abgesehen vom Umgang mit den Tieren. Gute Produkte und auch Fleisch müssen ihren Preis haben, das ist bei uns in Deutschland aber nicht so akzeptiert wie in anderen Ländern. Und ich habe ja auch Verständnis dafür, dass einen die günstigen Preise leider verführen können, zumal bei schmalem Geldbeutel. Mir ist unlängst selbst ein ganz dummer Fehler beim Einkauf von Hackfleisch passiert, dafür gab es viel (berechtigte) Schelte im Netz. Ich kann nur raten – weniger ist mehr. Lieber selten ein gutes Stück Fleisch regional beim Metzger kaufen. Das ist zum einen gesünder und zum anderen schont es die Tiere und die Umwelt. Aus gesundheitlichen Gründen verzichte ich selbst zunehmend auf Fleisch und ernähre mich wegen meiner Arthrose so weit wie möglich auf pflanzlicher Basis. Und das mit genussvollen Rezepten, da muss ich auf nichts verzichten.

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