Für Trash-TV-Experte Anredo ist „Sommerhaus der Stars“ ein Highlight

Podcaster und Trash-TV-Influencer Anredo klärt im Interview über das erfolgreiche Phänomen Trash-TV auf und verrät, welche Formate neben dem „Sommerhaus der Stars“ besonders gelungen sind.

Auf Twitter kommentiert er für seine rund 57.000 Follower regelmässig TV-Highlights live mit, im Podcast zur RTL-Show „Das Sommerhaus der Stars“ diskutiert er über die prominenten Kandidaten und ihre Eskapaden: Trash-TV-Experte Anredo erklärt im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news, warum das Phänomen Trash-TV vor ein paar Jahren einen neuen Schub erhalten hat und wie er neue Formate wie „Kampf der Realitystars“ einschätzt. Zudem erklärt der Podcaster, welche Eigenschaft ein echter Trash-TV-Star mitbringen muss und was deutsche Produktionen von ausländischen Formaten noch lernen können.

Seit „Promis unter Palmen“ scheint das Trash-TV einen neuen Anschub bekommen zu haben. Wieso hat das Format so gut funktioniert?

Anredo: Ich habe den Eindruck, der neueste Anschub im Reality-TV ist schon vor ein paar Jahren gewesen und hält noch immer an. Eine grosse Rolle spielt aktuell sicher die grosse Fülle an neuen Auftraggebern, besonders im Streamingbereich. Gerade im deutschen Markt kann man sich als nationaler Player mit lokalem Trash-TV bestimmt sehr gut von Netflix und Co. abheben. Und der klassische TV-Zuschauer profitiert dann auch meistens von einer linearen Ausstrahlung. „Promis unter Palmen“ hat sehr stark von seinem Cast gelebt. Als ich vor der Ausstrahlung gelesen habe, wer dabei ist, habe ich mich auf grosses Kino eingestellt – und wurde nicht enttäuscht. Die Besetzung war meiner Meinung nach definitiv auf Nummer sicher gecastet, schliesslich hat man ein sehr polarisierendes Teilnehmerfeld zusammengebracht und Promis engagiert, die allesamt schon in ähnlichen Formaten abgeliefert haben. Dass es am Ende in einem regelrechten Mobbing-Skandal mündete, hat mir den Spass zum Schluss aber leider stark genommen. Da wurden definitiv Grenzen überschritten. Vermutlich haben aber genau diese Schlagzeilen kurioserweise auch etwas für den Erfolg des Formats getan.

Wie schätzen Sie die neuen Formate „Kampf der Realitystars“ und „Like Me – I’m Famous“ ein?

Anredo: Auch diese Sendungen positionieren sich wieder stark über ihre Teilnehmer. „Kampf der Realitystars“ scheint „Promis unter Palmen“ sehr ähnlich zu sein, nimmt aber bei den Kandidaten noch mehr Fahrt auf, da in jeder Folge direkt mehrere neue Promis hinzustossen. Der unfaire Twist, dass gerade die neuen entscheiden dürfen, wer gehen muss, sorgt für Spannungen. Auf „Like Me – I’m Famous“ habe ich mich total gefreut: Die Menge der Bewohner der Villa ist überschaubarer als beim „Kampf der Realitystars“. Ausserdem wurde das grundsätzliche Thema von Likes und digitaler Anerkennung im Konzept verankert. Ein Aspekt, den ich persönlich sehr interessant finde.

Warum funktioniert Trash-TV im Allgemeinen?

Anredo: Für viele Menschen sind vermutlich leichte Unterhaltung und vermeintlich niedere Gelüste der Einstieg ins Trash-TV. Ich denke, dass die Faszination dieses Genres aber in der Tiefe liegt: Zuschauerinnen und Zuschauer, die grundsätzlich affin sind und sich darauf einlassen, entdecken und charakterisieren Menschen neu, bekommen einen einzigartigen, intimen Einblick und sind hautnah dabei, wenn aus Kleinigkeiten ein Konflikt wächst. Der Serien-Boom bei fiktionalen Formaten beruht sicher auf ähnlichen Motiven, mit dem Unterschied, dass wir beim Reality-TV hoffen, dass kein kreativer Regisseur am Werk ist, sondern die gezeigten Personen im ständigen Kampf um Aufmerksamkeit und Sendezeit ihre eigene Geschichte schreiben. Und ich liebe es zu sehen, wie das funktioniert … oder komplett in die Hose geht.

Gibt es für Sie Grenzen, wann eine Show zu weit geht?

Anredo: Trash-TV lebt von seinem schmalen Grat und der individuellen Auslotung des eigenen guten Geschmacks. Wenn ich Sendungen bewusst nicht schaue, dann meistens, weil mich das grundsätzliche Thema nicht interessiert oder ich beim Zusehen merke, dass ich mich nicht unterhalten fühle. In etablierten Formaten wie beispielsweise dem Dschungelcamp gehe ich davon aus, dass alle Teilnehmer mittlerweile wissen, was auf sie zu kommt – da hält sich natürlich dann auch das Mitleid in Grenzen. Meiner Meinung nach haben einige Kandidaten bei „Promis unter Palmen“ aber definitiv Grenzen überschritten. Glücklicherweise habe ich aber auch den Eindruck, dass die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer die Situation richtig einordnen konnten und beispielsweise bei Twitter massiv Kritik an der Ausstrahlung geübt haben. Es hat mich in dem Moment sehr beruhigt, dass eine grosse Menge Menschen den Mund aufmacht und sich gerade bei gesellschaftlichen Themen stark engagiert.

Sie twittern erfolgreich über die verschiedensten Formate. Verfolgen Sie dabei eine bestimmte Strategie?

Anredo: Ich mag es, beim Fernsehen nicht allein zu sein. Also setze ich mich auf meine virtuelle Twitter-Couch und schaue mit Tausenden anderen zusammen. Ich versuche einerseits natürlich, das Gesehene kreativ zu verarbeiten, selbst unterhaltsame Inhalte zu kreieren und meiner eigenen Meinung Ausdruck zu verleihen. Mindestens genauso wichtig ist es mir aber auch, die Meinung von anderen zum Gezeigten zu erfahren und ein Gefühl für die Rezeption der Zuschauerinnen und Zuschauer zu bekommen. Ein Twitter-TV-Abend erweitert für mich eine Show noch mal um eine ganz neue Ebene, die ich nicht mehr missen möchte.

Wie wichtig ist die virtuelle Kommunikation zwischen Trash-TV-Zuschauern für den Erfolg der Show?

Anredo: Einige Formate bekommen sicher durch den Social Buzz im Internet eine zusätzliche Aufmerksamkeit und somit vielleicht ein paar mehr Zuschauer. Wirklich spannend wird es für mich aber erst, wenn Social Media fest im Konzept einer Sendung verankert ist und sich gegenseitig ergänzt. Leider beschränken sich die meisten interaktiven Shows auch heute noch auf klassische (kostenpflichtige) Telefonvotings. Die Möglichkeiten, als User übers Netz intensiv ins Format einzugreifen, sind immer noch sehr beschränkt. Da würde ich mir mehr Experimentierfreude wünschen, besonders bei Live-Shows.

Für „Das Sommerhaus der Stars“ gibt es einen Podcast mit Ihnen. Was sagen Sie zu den diesjährigen Kandidaten?

Anredo: Das „Sommerhaus“ wird dieses Jahr wieder ein absolutes Highlight! Für den Podcast habe ich schon mit einigen Promi-Paaren gesprochen und erwarte Grossartiges. Die Kandidaten-Liste liest sich wieder wunderbar und ist eine tolle Mischung aus etablierten Reality-Gesichtern wie beispielsweise Georgina, und Personen, die ich niemals in dem Format erwartet hätte, so wie Annemarie Eilfeld.

Welche Trash-TV-Show ist für Sie besonders gelungen und warum?

Anredo: Neben den bekannten Dauerbrennern wie „Sommerhaus“, „Promi Big Brother“, Dschungelcamp oder „Germany’s next Topmodel“ habe ich in diesem Jahr auch einige Streaming-Inhalte lieben gelernt. Besonders „The Circle“ von Netflix fand ich sehr gut gelungen. Ich habe diese Show regelrecht weg gebinged, weil sie es – wie fast alle Netflix-Originals – perfekt versteht, den User so sehr in den Bann zu ziehen, dass man direkt weiterschauen möchte. Leider ist bei nonlinearen Inhalten aber die Social-Media-Kommunikation unfassbar schwierig, schliesslich schauen alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Welche Eigenschaften muss ein Trash-Star für Sie mitbringen und wer schafft das am besten?

Anredo: Authentizität. Ein Trash-Star wird nur zum Trash-Star, wenn er authentisch ist, wenn seine Geschichte spannend ist, wenn er etwas zu erzählen hat. Und genauso wichtig wie sympathische Charaktere sind auch die unsympathischen. Polarisierend zu sein, ist da sicher hilfreich. Ich denke ausserdem, dass nicht jeder Trash-Star in jeder Sendung gut aufgehoben ist. Gerade bei Promi-Formaten spielt neben dem Konzept auch die Gruppendynamik eine extrem grosse Rolle. So gab es zum Beispiel einige Kandidaten, die im Dschungel abgeliefert haben und bei „Promi Big Brother“ total öde waren – und andersrum.

Können deutsche Trash-TV-Shows von ausländischen Formaten noch etwas lernen?

Anredo: Mir kommt in deutschen Formaten oft der strategische Aspekt in Reality-Sendungen zu kurz. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagen hierzulande, dass sie nicht mit einer Strategie an einer Show teilnehmen. Strategen kommen bei uns nicht gut an. Vielleicht hat deshalb auch der grosse Welterfolg „Survivor“ letztes Jahr hierzulande nicht das Publikum gefunden, das es verdient hätte. Wenn ich mich mit internationalen Reality-Formaten beschäftige, fällt mir immer wieder auf, wie viel spannender Konflikte und Spiele werden, wenn Kandidaten im Rahmen der Regeln alle Register ziehen. Ich habe den Eindruck, Zuschauer in Deutschland verachten Kandidaten, die „das Spiel“ so richtig spielen, die strategisch nominieren und offen zugeben, dass sie gewinnen wollen und dafür kämpfen.

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