Wie sich mit der richtigen Ernährung Alzheimer vorbeugen lässt

Eine gesunde Ernährung wirkt sich nicht nur positiv auf den Körper aus. Sie hat auch Einfluss auf die geistige Gesundheit – und beugt Krankheiten wie Alzheimer vor. Ein Experte hat Antworten auf die brennendsten Fragen.

Am 21. September widmet sich die Welt einen Tag lang einer Krankheit, die das Leben ganzer Familien auf den Kopf stellen kann: Alzheimer. Noch immer steigt die Zahl der Menschen, die von Demenz betroffen sind, stetig an. Dr. med. Michael Nehls, Autor von „Kopfküche: Das Anti-Alzheimer-Kochbuch“ und „Die Formel gegen Alzheimer“, hat es sich zur Aufgabe gemacht, der neurodegenerativen Krankheit auf den Grund zu gehen und stellte dabei fest: Mit der richtigen Ernährung lässt sich Alzheimer vorbeugen. Wie das funktioniert, verrät er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Was passiert mit dem Körper bei einer Alzheimer-Erkrankung?

Dr. med. Michael Nehls: Alzheimer ist die häufigste Form einer Demenz und beginnt im Hippocampus von wo aus der Krankheitsprozess dann das gesamte Gehirn zerstört. Der Hippocampus ist eine etwa daumengrosse Struktur im Schläfenbereich unseres Gehirns und merkt sich, was wir wo und wann erlebt oder gedacht haben. Um dabei Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, behält er jedoch nur das in seinem Gedächtnisspeicher, was uns emotional berührt und dadurch Bedeutung erhält. Das macht ihn zu einer unseren wichtigsten Hirnstrukturen.

Um seine lebenswichtigen Aufgaben bis ins höchste Alter erfüllen zu können, ist der Hippocampus auf einzigartige Weise befähigt, lebenslang neue Nervenzellen zu bilden. Ist die adulte hippocampale Neurogenese, also die lebenslange Entstehung neuer Nervenzellen im Hippocampus, behindert, ist auch die Stressanpassung gestört und die psychische Widerstandskraft (Resilienz) sinkt. Die Folge ist eine oft zu hohe und meist zu lange Ausschüttung von Stresshormonen. Diese wiederum behindern, einem Teufelskreis gleich, das weitere hippocampale Wachstum mit der Gefahr von Depression und langfristig Alzheimer. Ein hohes Stresshormonlevel ist auf Dauer toxisch für Nervenzellen, insbesondere für die des Hippocampus.

Damit die adulte hippocampale Neurogenese lebenslang funktioniert und es nicht zur hippocampalen Neurodegeneration kommt, ist eine artgerechte Lebensweise vonnöten. Doch in unserer modernen, hochgradig artfremden Lebenswelt fehlt meist nicht nur einer, sondern in der Regel viele grundlegende Faktoren, die das Hippocampuswachstum fördern. Stattdessen überwiegen Faktoren, die sein Wachstum bremsen und sein Schrumpfen beschleunigen. Die Konsequenzen sind fatal. Anstatt zu wachsen, schrumpft der Hippocampus in der erwachsenen Bevölkerung im Durchschnitt um etwa ein Volumenprozent pro Jahr. Dadurch sinkt zunehmend die Gedächtnisleistung und es gehen immer mehr Erinnerungen verloren. Aber es kommt noch schlimmer. Denn je kleiner der Hippocampus, umso wahrscheinlicher erkrankt man an Alzheimer.

In welchem Alter machen sich erste Symptome von Alzheimer meistens bemerkbar?

Nehls: Lange Zeit galt die Faustregel, dass die Alzheimerkrankheit, bei der keine genetischen Krankheitsbeschleuniger auszumachen sind, im Alter von etwa 65 Jahren beginnt. In diesem Alter sind etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung betroffen. Danach verdoppelt sich die Erkrankungswahrscheinlichkeit alle weitere fünf Lebensjahre. Doch aufgrund des Umstandes, dass unsere heutige Lebensweise immer weniger sein Wachstum und immer mehr sein Schrumpfen fördert, erkranken auch immer häufiger jüngere Menschen an dieser hippocampalen Demenz.

Wie sehen diese Symptome aus?

Nehls: Die Symptome erklären sich durch den Ausfall der hippocampalen Funktionen. Es kommt zu Gedächtnisstörungen. Es geht dabei aber nicht darum, dass Betroffenen Namen nicht einfallen, sondern darum, dass sie sich nicht mehr an Ereignisse oder Gespräche erinnern können, obwohl diese eigentlich für sie Bedeutung haben. So fällt es mit Zunahme der hippocampalen Zerstörung immer schwerer, Gespräche zu führen. Auch das Orts- und Zeitgedächtnis leidet schon früh, sodass Erkrankte oft nicht mehr wissen, wie man den eigentlich gewohnten Weg von der Arbeit oder vom Einkauf nach Hause findet. Auch das Essen kann häufiger anbrennen, aber nicht, weil man vielleicht abgelenkt wurde, sondern weil man schlichtweg vergessen hat, dass man den Herd angestellt hat. Typisch ist auch die Angst vor Neuem, da mit dem hippocampalen Schrumpfen die psychische Resilienz abbaut.

In Ihrem Buch „Kopfküche“ beschreiben Sie, dass sich die Krankheit mit einer bestimmten Ernährung vorbeugen lässt. Wie ist das möglich?

Nehls: Bekommt das Gehirn nicht die Nährstoffe, die es benötigt, sind eine Schädigung und ein Funktionsverlust logische Folgen. Wenn man analysiert, was die Lebensbedingungen waren, an die sich der Mensch über viele Jahrtausende angepasst hat, ist der Bereich Ernährung derjenige, bei dem aufgrund seiner Komplexität am meisten falsch gemacht wird. Das ist wiederum auf unsere kulturelle Entwicklung und wirtschaftliche Interessen zurückzuführen.

Worauf kommt es bei der Ernährung an?

Nehls: Das Gehirn benötigt für seine Entwicklung und seinen Leistungserhalt Baustoffe, Schutzstoffe und Energie. Ein wesentlicher Baustoff ist die aquatische Omega-3-Fettsäure DHA. Allerdings können wir sie aus Basisstoffen, wie beispielsweise der alpha-Linolensäure, wie man sie in Leinöl oder Walnüssen in hoher Konzentration findet, so gut wie nicht selbst herstellen. Leinöl nützt gegen Alzheimer also nichts. Das ist leider ein weit verbreiteter Irrtum.

Wir sind entwicklungsgeschichtlich auf eine fischreiche Ernährung programmiert. Fisch ist mittlerweile mit zu vielen Toxinen belastet, als dass man ihn zur Deckung des Omega-3-Bedarfs empfehlen könnte. Deshalb ist Algenöl aus gezüchtetem Plankton, alternativlos, wenn wir uns hirngesund entwickeln und Alzheimer vermeiden wollen. Zu den Schutzstoffen gehören nahezu sämtliche pflanzliche Vitamine und ihre Vitalstoffe, aber auch viele Minerale, wie beispielsweise Selen oder Lithium, wie man es in manchem Heilwasser findet.

Die besten Nährstoffe zur Energieversorgung des Gehirns und insbesondere für die des Hippocampus sind sogenannte Ketonkörper. Das sind Umbauprodukte aus Fettsäuren, die entweder direkt aus unserer Nahrung stammen oder aus unseren Fettdepots. Zudem stimulieren sie, wie Hormone, das Hippocampuswachstum und die Regeneration älterer Hirnzellen. Ketonkörper sind die Erklärung dafür, weshalb Fasten wie ein Jungbrunnen wirkt.

Ist es bewiesen, dass Menschen seltener an Alzheimer erkranken, wenn sie entsprechend auf ihre Ernährung achten?

Nehls: Ja, das ist unbestritten. Dazu gibt es mittlerweile unzählige Studien. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass bei einer „artgerechten“ Lebensweise die Ernährung nur einen Bereich darstellt. Insgesamt habe ich fünf Bereiche definiert. Neben der Ernährung sollte man sozial und körperlich aktiv sein, einen Lebenssinn haben, Ziele verfolgen sowie ausreichend Regeneration und Schlaf haben.

Alle sind von gleicher Bedeutung. Denn entsprechend dem Gesetz des Minimums, nach dem es bei sämtlichen Wachstumsvorgängen in der Natur von keinem essentiellen Faktor zu wenig geben darf, kann also nicht nur ein Bereich der Formel gegen Alzheimer Beachtung finden. Das bedeutet, dass ich mich noch so artgerecht ernähren kann, wenn ich keine sozialen Kontakte pflege, keinen Sinn im Leben mehr verspüre oder mich so gut wie nicht bewege, kann der Hippocampus nicht so gut wachsen, wie er es müsste, um vor Depression und langfristig Alzheimer vollen Schutz zu haben.

Wie wirkt sich eine ungesunde Ernährung auf das Gehirn aus?

Nehls: Unter Mängeln in der Ernährung leidet das Hippocampuswachstum und damit auch die Psyche. Aber auch ein Zuviel an bestimmten Nährstoffen kann Schäden anrichten. Durch zu viel Zucker können hohe Blutwerte dafür sorgen, dass im Gehirn Entzündungen entstehen und die hormonellen Wirkstoffe, die dabei freigesetzt werden, blockieren die Bildung neuer Nervenzellen und wirken sogar neurodegenerativ. Auch Alkohol hemmt das Hippocampuswachstum.

Ab welchem Alter sollte man sich intensiver mit dem Vorbeugen von Alzheimer auseinandersetzen?

Nehls: Lebenslanges Wachstum des Hippocampus schützt vor Alzheimer. Dieser Wachstumsprozess kann jederzeit gestartet werden. Selbst in der Frühphase von Alzheimer (wenn nur der Hippocampus Symptome verursacht, aber das restliche Gehirn noch weitgehend intakt ist), ist aufgrund seines Regenerationspotentials sogar noch eine Gesundung möglich. Da ein funktionsfähiger Hippocampus für Planung und Umsetzung von Zielen entscheidend ist, wird es jedoch mit seiner fortschreitenden Degeneration immer schwieriger, die lebensverändernden Massnahmen umzusetzen, deshalb ist Prävention leichter und sinnvoller als Therapie.

Aber es gibt noch einen weiteren Grund, früh damit zu beginnen. Da das Wachstum des Hippocampus unser Erinnerungsvermögen steigert, ebenso unsere psychische Widerstandkraft, unser Selbstwertgefühl und unsere Kreativität, geht es bei einem artgerechten Leben mehr als nur um Alzheimerprävention. Ein wachsender, kapazitätsstarker Hippocampus verbessert die Lebensqualität!

Dr. med. Michael Nehls ist Arzt und habilitierter Molekulargenetiker. Für seine bahnbrechenden Erkenntnisse zur Alzheimerentstehung, -prävention und -therapie wurde er 2015 von der Universitätsklinik Rostock mit dem Hanse-Preis für Psychiatrie ausgezeichnet. Drei seiner Bücher wurden zu Spiegelbestsellern: „Die Alzheimer-Lüge“, „Alzheimer ist heilbar“ und „Die Formel gegen Alzheimer“.

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