Cannabis: Steht die Legalisierung jenseits der Medizin bevor?

Vor mehr als drei Jahren wurde in Deutschland medizinisches Cannabis freigegeben, doch jenseits davon ist die Nutzung weiterhin illegal – oder mindestens sehr vage und je nach Bundesland geregelt. Das ist der aktuelle Stand in der Cannabis-Debatte.

In Deutschland bewegt sich in Sachen Cannabis derzeit relativ viel. Inzwischen äussert sogar der Chef des Bundeskriminalamts (BKA) öffentlich seine Sympathien für eine Legalisierung. Holger Münch (59), seit 2014 Präsident des BKA, stellte vor zwei Wochen gemeinsam mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Daniela Ludwig (45, CSU), den Lagebericht zur Rauschgiftkriminalität in Deutschland vor. Beide äusserten dabei ihre Sympathien für das „portugiesische Modell“, das eine Entkriminalisierung der Konsumenten vorsieht.

Portugal hat 2001 den privaten Konsum sämtlicher Rauschmittel entkriminalisiert. Weil der Staat durch den entfallenden Strafvollzug jede Menge Geld spart, investiert er es in alternative Hilfs- und Therapieprogramme. 2009 empfahlen die Vereinten Nationen daher den Regierungen der Welt, sich an der Drogenpolitik der Portugiesen zu orientieren. 2010 folgte Tschechien diesem Aufruf, dort ist Drogenkonsum jeglicher Art seither nur noch eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat. Die Politik in Deutschland agiert zurückhaltender, bundesweit ist allerdings auch hierzulande seit 2017 das medizinische Marihuana legal.

Grosse Nachfrage nach Medizinalcannabis

Seit dem 1. März 2017 dürfen Ärzte in Deutschland Cannabis als Medikament verschreiben. In der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, spezifische Vorgaben zu machen – ob die grünen Blüten als Medikament zum Einsatz kommen, hängt einzig von der „begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes“ ab. Besonders häufig findet Cannabis bei chronischen Schmerzpatienten Anwendung.

„Wir erhalten überdurchschnittlich positive Erfahrungsberichte zur Therapie mit unseren Cannabis-Produkten in der Onkologie, Palliativmedizin sowie bei der Behandlung von Spastiken bei Multipler Sklerose, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, ADHS und Epilepsie“, sagt daher auch David Henn vom Kölner Unternehmen Cannamedical, das Apotheken mit dem sogenannten Medizinalcannabis versorgt. Seit 2017 steigt entsprechend „“die Bedeutung und der Stellenwert von Medizinalcannabis in der Therapie stetig an“, bestätigt Henn.

Kommt die Legalisierung?

Ob Cannabis in Deutschland auch abseits der medizinischen Anwendung formal von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird, bleibt allerdings vorläufig offen. Wie BKA-Chef Münch betonte, sei der Konsum und Besitz kleiner Mengen in Deutschland bereits heute weitgehend entkriminalisiert: „Das muss man einfach so feststellen, dass Besitz- und Konsumdelikte zwar Straftaten sind und festgestellt werden, aber nur in sehr geringem Ausmass auch wirklich zu einer Verurteilung führen.“ In den meisten Bundesländern, mit Ausnahme Bayerns, das eine Nulltoleranz-Politik verfolgt, gelten regional unterschiedliche Geringfügigkeitsgrenzen, unter denen die Staatsanwaltschaft eine Anklage in der Regel wegen Mangel öffentlichen Interesses nicht weiterverfolgt.

Sowohl bei Patienten als auch bei Konsumenten sowie dem vertreibenden Gewerbe herrscht daher weiterhin Unsicherheit, was erlaubt ist und was nicht. Der Vertrieb von CBD-Produkten etwa, des Hanfs also, der nicht das berauschende THC als Hauptwirkstoff enthält, sondern das auch in der Medizin im Vordergrunde stehende Cannabidiol, bewegt sich rechtlich nach wie vor in einer Grauzone. Hier fordern viele Experten seit Jahren eindeutige Regelungen. Wenn allerdings der Trend der vergangenen Jahre anhält, ist von einer weiteren Liberalisierung und Professionalisierung der Branche auszugehen, nicht zuletzt wegen des wirtschaftlichen Faktors: Schätzungen zufolge könnte der Markt bis Ende der 2020er Jahre ein Volumen von 13 Milliarden Euro in Deutschland und 55 Milliarden Euro europaweit erreichen.

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