Collien Ulmen-Fernandes: So kämpft sie gegen überholte Rollenklischees

Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes kämpft gegen überholte Rollenklischees und für die gleichberechtigte Erziehung von Mädchen und Jungen. Im Interview spricht sie über eigene Erfahrung, Zukunftshoffnungen für ihre Tochter, und die Eltern-Diskussionen mit ihrem Mann.

Jungs spielen mit Autos, Mädchen mit Puppen – so weit, so klischeehaft. Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes (38) kämpft seit Jahren leidenschaftlich gegen gängige Rollenklischees und hat zu diesem Thema unter anderem bereits zwei Kinderbücher verfasst. Am Rande eines Fotoshootings mit der Spielzeugfirma Mattel spricht die Mutter einer Tochter über ihr Engagement. Eine aktuelle Studie des Barbie-Herstellers hat gezeigt, dass das Spiel mit Puppen positive Effekte sowohl für Mädchen als auch für Jungen hat. Das Puppenspiel fördert demnach nachweislich das Erlernen von Empathie.

Frau Ulmen-Fernandes, haben Sie eigentlich selbst früher viel mit Puppen gespielt?

Collien Ulmen-Fernandes: Ja, total. Dabei bin ich in die unterschiedlichsten Rollen geschlüpft und habe mich dementsprechend auch in die Puppen hineinversetzt – in die Mama, die mit ihrer Tochter schimpft, genauso wie in die Tochter, deren Gefühle verletzt wurden.

Würden Sie sich auch als einen Menschen bezeichnen, der sich in andere hineinversetzen kann?

Ulmen-Fernandes: Ich habe einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ein Helfersyndrom. Ich mag es nicht, wenn Menschen leiden. Ich habe mich zum Beispiel zu Schulzeiten immer mit den Aussenseitern angefreundet. Wenn es Leute gab, mit denen niemand spielen wollte, habe ich mich mit ihnen verabredet. Mein Freundesbuch bestand aus dem „Who is Who“ der Aussenseiterinnen und Nerds. (lacht)

Sie haben selbst eine Tochter. Wie wichtig ist es Ihnen, dass ihr Kind schon frühzeitig Empathie lernt?

Ulmen-Fernandes: Empathie-Fähigkeit ist verdammt wichtig für all das, was in der Zukunft auf sie zukommt. Das gesamte Leben besteht aus sozialen Interaktionen: Freundschaften, Partnerschaften, Teamwork im Berufsleben. Mein Ziel ist es, meine Tochter bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten und Fähigkeiten mitzugeben, die ihr in ihrem schulischen, emotionalen und sozialen Leben helfen. Und da gehört Empathie für mich definitiv dazu. Ein besseres Verständnis anderer Menschen und ihrer Emotionen hilft uns dabei, Konflikte zu lösen und Probleme aus der Welt zu schaffen. Deshalb finde ich es auch sehr wichtig, dass Kinder schon frühzeitig Empathie lernen. Umso besser, wenn das spielerisch klappt!

Sie beschäftigen sich auch intensiv mit der Genderthematik und Rollenklischees in der Kindererziehung. Hätten Sie einen Sohn – „dürfte“ der auch mit Puppen spielen?

Ulmen-Fernandes: Auf jeden Fall! Auch Jungs sollten mit Puppen spielen. Gerade bei Jungs wird dieser Bereich leider oft vernachlässigt. Wenn wir irgendwann mal in einer gleichberechtigten Welt leben wollen, ist es unerlässlich, die sozial-emotionalen Kompetenzen der Jungs zu stärken. In diesem Bereich haben sie oft eher Defizite, weil es leider immer noch die weitverbreitete Meinung gibt, dass Puppenspiel nichts für Jungs sei. Mir berichtete erst vor Kurzem ein Mann, dass er immer heimlich mit seinen Barbies spielte, weil er sich nicht traute offen mit diesem „Mädchenspielzeug“ zu spielen. Generell denke ich, dass wir die imaginären Geschlechterstempel von Spielsachen entfernen sollte.

Und andersherum: Spielt Ihre Tochter auch mit „typischen“ Spielsachen für Jungs?

Ulmen-Fernandes: Meine Tochter hat Puppen und Einhörner, aber auch Roboter und Autos.

Diese Frage zeigt, dass diese Klischees noch sehr präsent sind. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Ulmen-Fernandes: In dem Spielzeugladen meiner Kindheit war alles wild gemischt. Dort lagen Puppen neben Robotern und Autos, daher habe ich zu all dem gegriffen und hatte all das zu Hause. Inzwischen gibt es Jungenabteilungen und Mädchenabteilungen. In der Mädchenabteilung sieht man dann grosse Regale mit der Aufschrift: „Kochen und Putzen“, während man bei den Jungs an gleicher Stelle „Elektronisches Lernen“ findet. Wenn man in den Spielwarenkatalogen immer nur Mädchen in der Kinderküche sieht, muss man sich nicht wundern, dass die Geschlechterbilder der nachfolgenden Generationen wieder konservativer werden.

Welche Veränderungen konnten Sie durch Ihr Engagement schon bewirken?

Ulmen-Fernandes: In meiner Sendung „No more Boys and Girls“ haben wir Kinder gebeten, eine Person zu malen, die ein Flugzeug steuert. Ein Grossteil der Kinder malte einen Mann. Dann ging die Tür auf und eine Pilotin kam herein. Die Kinder waren total erstaunt und sagten Sätze wie: „Wir wussten gar nicht, dass auch Frauen Flugzeuge fliegen können.“ Für uns Erwachsene ist das erstaunlich, aber woher sollen Kinder das wissen, wenn sie noch nie eine Pilotin gesehen haben? Die Sichtbarkeit ist wichtig. Wenn man sich Kinderbücher, -filme und -serien ansieht, hat man das Gefühl, dass es für Mädchen genau eine Berufsoption gibt: Prinzessin. Das war’s! Ich habe meiner Tochter daher die Pilotin- und die Astronautin-Barbie geschenkt. Vielleicht fliegt sie ja irgendwann mal ins All.

Warum engagieren Sie sich so stark gegen Geschlechterklischees und Rollenbilder?

Ulmen-Fernandes: Dieses Geschlechterdenken benachteiligt Kinder. Zu diesem Thema gibt es eine sehr spannende Studie. Sie wurde in einem Kindergarten durchgeführt, in der es einen Bereich für Mädchen gab, mit Puppen, und einen Bereich für Jungen, mit Bauklötzen. Im Rahmen dieser Studie wurden alle Spielsachen in einem geschlechtsneutralen Bereich zusammengelegt, infolgedessen griffen auch die Jungs mal zu Puppen und die Mädchen zu Bauklötzen, was dafür sorgte, dass sich die sozial-emotionalen Kompetenzen der Jungen und das räumliche Denken der Mädchen verbesserten. Es ist wichtig, dass alle Kinder vielfältige Spielsachen besitzen. Das Geschlechterdenken steht dem leider oft im Weg.

Welche Rollenklischees stören Sie besonders?

Ulmen-Fernandes: Viele Frauen hören oft: „Ach, das ist aber nett, dass dein Mann dir im Haushalt und mit den Kindern hilft.“ Diese Formulierung zeigt schon, dass all das als Aufgabe der Frau angesehen wird und wenn der Mann superlieb und freundlich ist, dann hilft er ihr. Aber er hilft ihr nicht. Denn all das ist nun mal auch seine Aufgabe. Nur fühlen viele Männer sich nicht verantwortlich, weil sie es nicht gelernt haben, daher ist es so wichtig, dass auch Jungs mit Puppen spielen. Fürsorglichkeit, Empathie-Fähigkeit, all das wird Mädchen von klein auf eingeimpft, sie werden zu lieben, fürsorglichen Puppenmamas erzogen, während viele meinen, dass prosoziales Verhalten, sprich „sich kümmern“ für Jungen nicht so wichtig sei. Dabei stärken wir auch unsere Jungs, wenn wir ihnen Hilfsbereitschaft und Umsichtigkeit beibringen.

Sind Sie sich in Erziehungsfragen immer mit Ihrem Mann Christian Ulmen einig?

Ulmen-Fernandes: Nein, absolut nicht. (lacht) Aber ich kann meine Dokumentationen nutzen, um ihn ganz subtil umzuerziehen. Er tendiert zum Beispiel zum Helikoptervater, also habe ich die Dokumentation „Generation Helikoptereltern?“ gedreht. Die musste er sich natürlich anschauen und als ich ihn hinterher fragte, ob er sich bei dem ein oder anderen Thema wiedererkannt hat, musste er ganz kleinlaut zugegeben „Ja, schon – sogar bei einem Grossteil!“ Insofern hat mir diese Dokumentation auch privat sehr geholfen.

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