Telemedizin: Chancen und Risiken bei der Beratung auf Distanz

Während des Corona-Lockdowns hat die Telemedizin, also medizinische Beratung ohne Arztbesuch, an Beliebtheit gewonnen. Aber kann die Online-Sprechstunde einen Arztbesuch auch in Zukunft ersetzen?

Eine Diagnose erhalten – und das, ohne zum Arzt zu gehen. Bei der Telemedizin holen sich Patienten ärztlichen Rat telefonisch oder via Videochat. Vor allem in Zeiten der Corona-Krise setzte sich die Beratung aus der Distanz durch und wurde gut angenommen, wie aus einer aktuellen forsa-Umfrage im Auftrag der BKK Mobil Oil hervorgeht. Konkret: Rund ein Viertel der Befragten hat in den vergangenen 12 Monaten ärztlichen Rat per Telefon, Video oder Chat eingeholt. Seit Beginn der Pandemie nutzen diese Menschen den Dienst häufiger (20%) oder sehr viel häufiger (5%) als zuvor.

Fragen zu chronischen Erkrankungen stehen dabei oben auf der Liste, 27% kontaktierten die telemedizinische Beratung deshalb. Sich auch weiterhin online oder telefonisch von ihrem Arzt beraten zu lassen, wünschen sich 64 Prozent derjenigen, die den Service bereits nutzen. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie mehr als 2.000 Menschen befragt.

Diese Chancen bietet die Telemedizin

Prof. Dr. Gerd Glaeske, Wissenschaftlicher Leiter des SOCIUM von der Universität Bremen, ist überzeugt davon, dass die Telemedizin nicht nur für Patienten eine gute Alternative zum Arztbesuch ist, sondern auch für Ärzte und Kliniken. „Ich sehe das als grosses Potenzial“, sagt er der BBK Mobil Oil und führt ein Beispiel an: „In schwierigen Fällen, wenn es zum Beispiel um Herzoperationen geht, können telemedizinisch Daten an ein Beratungszentrum übersendet werden. Der Patient stellt sich jeden Morgen auf die Waage und Gewicht, Herzschlag und Pulsfrequenz werden digital übertragen.“ Kompetente Fachärzte, die in Beratungszentren tätig seien, könnten den Patienten dann auf Basis der digitalen Auswertung Ratschläge geben.

Besonders in ländlichen Regionen stelle Telemedizin eine Chance dar, sich medizinisch betreuen zu lassen, erklärt der Experte: „Fernmündlich kann entschieden werden, ob Patienten in die Praxis kommen müssen oder ob die medizinische Fachkraft vor Ort die Behandlung einleiten kann.“ Ein weiterer Vorteil von telemedizinischer Begleitungen sei, „dass sie auch über eine Entfernung hinaus Fachleute bestimmter medizinischer Sparten zusammenbringen können“.

Jedoch sollten Patienten ein Online-Beratungsgespräch auch nur als solches sehen. Glaeske stellt klar: „Die Telemedizin ist dort überfordert, wo psychosomatische Probleme bei einer Diagnose berücksichtigt werden müssen – und das ist bei vielen Krankheiten der Fall.“ Grundsätzlich aber sei er der Meinung, dass die hausärztliche Versorgung sehr von der telemedizinischen Unterstützung profitieren könne. Man müsse sie allerdings als unterstützende Massnahme sehen – und nicht als Ersatz für eine ganzheitliche Diagnose.

Fragen an „Dr. Google“: Eine positive Entwicklung?

Ein weiteres Ergebnis der forsa-Umfrage für die BKK Mobil Oil zeigt: Viele recherchieren im Internet zu Gesundheitsfragen. Die Hälfte der mehr als 2.000 Befragten gab an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate ein- bis fünfmal Krankheitssymptome und -therapien nachgelesen zu haben – jeder Fünfte sogar öfter. „Oft steht Neugier dahinter, sich auf Internetseiten zu informieren, die dem eigenen Bauchgefühl entsprechen“, erklärt Glaeske. „Dr. Google“ spielt mittlerweile im Praxisalltag eine grosse Rolle. Vor allem Frauen nutzen das Internet als Informationsquelle: In der Umfrage gaben 77 Prozent an, sich online informiert zu haben; bei den Männern waren es 63 Prozent.

Diese Entwicklung deute „ohne Zweifel auf den Informationsbedarf hin, den viele Menschen im medizinischen Bereich haben“, sagt Glaeske, aber warnt: „Es werden viel zu selten Seiten aufgerufen, die evidenzbasiert sind, also gesicherte medizinische Aufklärung bieten.“

Der Experte erklärt: „Wir merken das immer wieder, etwa bei schweren Erkrankungen wie Krebs, dass viele Seiten Informationen zur sogenannten alternativen Therapie liefern, die schlicht falsch, oft sogar gefährlich, sind.“ Deshalb empfiehlt er, bei der Eigenrecherche nur Seiten mit einer Health-on-the-Net-Zertifizierung Glauben zu schenken.

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