Iris Berben: „Wir sollten uns alle regelmässig hinterfragen“

„Das Unwort“ ist eine Komödie über Antisemitismus. Hauptdarstellerin Iris Berben erklärt im Interview, warum sie mit ihrem Engagement nicht nachlässt.

„Das Unwort“ (9.11., 20:15 Uhr, ZDF) ist eine höchst amüsante, grandios besetzte, kammerspielartige Komödie über ein bitterernstes Thema: antisemitisches Mobbing an Schulen. Nachdem der 15-jährige Max Berlinger (Samuel Benito) seinem Mitschüler Karim Ansari (Oskar Redfern) das Ohrläppchen abgebissen und einem anderen, Reza Marschner (Victor Kadam), die Nase gebrochen hat, droht Max der Schulverweis.

Das Krisengespräch am Berliner Westendgymnasium zwischen den überforderten Eltern (u.a. Thomas Sarbacher, Neda Rahmanian), Schulleiter Stege (Devid Striesow), Klassenlehrerin Annika Ritter (Anna Brüggemann), Hausmeister Eichmann (Florian Martens) und der Vertreterin der Schulaufsichtsbehörde, Dr. Gisela Nüssen-Winkelmann (Iris Berben), eskaliert. Denn wie sich bald herausstellt, hat der Vorfall eine Vorgeschichte.

Dass der Film über alltägliche Gewalt, Vorurteile, Ausgrenzung und die Herausforderung, damit umzugehen, ausgerechnet am 9. November – einem der Gedenktage für die Opfer des Nationalsozialismus – ausgestrahlt wird, nennt Schauspielerin Iris Berben (70) „ein Statement“. Im Interview mit spot on news erklärt die 70-Jährige unter anderem, warum sie mit ihrem Engagement gegen Antisemitismus nicht aufhört.

Warum haben Sie für den Film „Das Unwort“ zugesagt?

Iris Berben: Ich habe das Drehbuch gelesen und war sofort fasziniert davon, mit welcher Leichtigkeit und mit wieviel Humor Regisseur und Drehbuchautor Leo Khasin eine so tiefe, schwere, ernstzunehmende und ernsthaft Thematik erzählt. Er zeigt die Kämpfe und Beweggründe der Protagonisten und lässt sie doch alle ins Fettnäpfchen treten. Ich habe mir den fertigen Film auch schon angesehen und bin wirklich extrem zufrieden damit.

Welches ist das titelgebende Unwort?

Berben: Jude.

Der Film basiert auf einem wahren Fall. Wie häufig kommt antisemitisches Mobbing an Schulen vor?

Berben: Der Film entstand nach sehr genauen Recherchen des Regisseurs, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Es gibt ein Buch über antisemitisches Mobbing an Schulen und alle Fälle darin sind nachvollziehbar und leider Gottes eben auch passiert.

Im ersten Moment wirkt der Konflikt zwischen zwei Schülern, der im Rahmen eines Elternabends besprochen wird, komplett anders, als es sich dann herausstellt. Ist der Film ein Plädoyer dafür, im Konfliktfall immer unbedingt erst beide Seiten anzuhören?

Berben: Ja, genau. Und das ist auch das Spannende an dieser ganzen Thematik: Es gibt nicht die eine einzige grosse Antwort. Und wenn doch, dann wäre sie vielleicht, dass wir akzeptieren müssen, dass es Unterschiedlichkeit nun mal gibt und dass diese Vielfalt und Bereicherung bedeuten kann. Es ist doch wunderbar, dass wir in verschiedenen Welten, Religionen und Kulturen leben können. Natürlich erfordert es Verständnis füreinander. Das wiederum kann nur entstehen, wenn wir uns für die anderen interessieren. Auf seinem Standpunkt zu beharren, bringt nichts.

Was finden Sie an Ihrer Rolle, Dr. Gisela Nüssen-Winkelmann, besonders spannend?

Berben: Sie ist eine stereotype Frau, die sich hinter Verhaltensmassnahmen und Regelungen verschanzt. Als Dr. Gisela Nüssen-Winkelmann dann aber auch mal die Kontrolle verliert, passiert ihr genau das, was allen anderen im Film auch passiert: Sie tritt ins Fettnäpfchen. An dieser Stelle wird mit einem gewissen Humor gezeigt, dass wir alle in diese Situation kommen können, auch wenn wir liberal und weltoffen sind. Insofern sollten wir uns alle regelmässig hinterfragen: Wo grenze ich aus? Wo habe ich Vorurteile?

Die Klassenlehrerin verkörpert einen sogenannten „Gutmenschen“. Was halten Sie von dem Begriff?

Berben: Für manche ist das ein negatives Wort, für mich ist es nach wie vor ein gutes Wort. Denn was kann an dem Wort „Gutmensch“ schon schlecht sein?

Der Film wird am 9. November ausgestrahlt. Was halten Sie davon?

Berben: Dass der Film am 9. November ausgestrahlt wird, ist ein Statement vom ZDF. Am 9. November denkt man natürlich über den Holocaust nach, was diese Menschen damals erlitten haben und erdulden mussten. Und trotzdem müssen wir auch eine Brücke zu heute finden, denn der Antisemitismus ist wieder spürbarer, wahrnehmbarer und lauter geworden.

Macht es Sinn, in diesem Zusammenhang über die aktuellen Geschehnisse in Israel nachzudenken?

Berben: Das denke ich nicht. Man sollte die Israel-Politik und den Antisemitismus hierzulande nicht vermischen.

Sie engagieren sich schon seit Jahrzehnten gegen Antisemitismus. Wie schaffen Sie es, sich immer weiter zu motivieren, obwohl man manchmal das Gefühl haben könnte, dass es sich einfach nicht ändert?

Berben: Sie haben recht, natürlich gibt es auch bei mir diese Momente, in denen ich mich frage: Was erreiche ich damit eigentlich? Dann erinnere ich mich daran, dass wir in einer kraftvollen Gesellschaft mit Haltung leben. Die anderen sind der wesentlich kleinere Teil, aber halt besonders laut. Die Alternative zum Engagement wäre nichts zu machen. Doch damit überlässt man den anderen das Terrain. Das darf nicht sein. Der Grossteil der Gesellschaft denkt anders. Wir müssen nur auch lauter werden und die guten Beispiele zeigen, damit die anderen die mediale Welt nicht so dominieren.

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