Tipps für mehr Gelassenheit in schwierigen Situationen

Im Alltag kommt es häufig zu Konflikten. Autorin Katrin Klewitz verrät im Interview ihre Tricks für einen kühlen Kopf in schwierigen Situationen.

Der Chef nörgelt, der Partner nervt oder im Supermarkt drängelt sich jemand vor: Im Alltag kommt es häufig zu Konflikten. Damit aus einer Kleinigkeit kein riesiger Streit entsteht, bedarf es eines kühlen Kopfes. Doch gerade daran scheitern viele. Katrin Klewitz (39), Kampfchoreografin und Autorin des Ratgebers „So sehen Siegerinnen aus: Konflikte meistern durch Balance, Haltung und Selbstvertrauen“, erklärt im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news, wie man in schwierigen Situationen gelassen bleibt und verrät ihr wirksames Antistressmittel.

Was passiert in unserem Kopf bei Konfliktsituationen?

Katrin Klewitz: Unser Gehirn verarbeitet Konfliktimpulse und ruft im limbischen System Emotionen dazu ab. Gleichzeitig werden Stresshormone ausgeschüttet, die durch unsere Blutbahn in den Muskel gelangen – und für das persönlich typische Reaktionsmuster sorgen. Der angespannte Muskelapparat sendet wiederum an das Gehirn zurück, dass wir uns in einer als schlimm empfundenen Situation befinden. Es ist also ein Kreislauf.

Wie wird man gelassener in schwierigen Situationen?

Klewitz: Indem man den Muskel des Aus- und Standhaltens trainiert. Das beginnt damit, in solchen Situationen erstmal nichts zu tun. Zuerst sollte man in sich selbst hinein hören und nicht gleich eine Reaktionsmöglichkeit suchen. Es kommt natürlich auch darauf an, was die schwierige Situation ist: Ist es ungerechtfertigte Kritik vom Chef? Oder ist es ein Schock, wie zum Beispiel der plötzliche Tod eines geliebten Menschen? Nach einem solchen Todesfall hat es mir geholfen, mich hinzulegen und die Gefühle zu spüren, sie kommen und gehen zu lassen. Auch wenn ich dachte, ich halte es nicht aus.

Was sollte man tun, wenn man angespannt ist?

Klewitz: Wir haben die Möglichkeit zu reagieren, sobald wir eine Anspannung feststellen. Es hilft schon, die Pose von Wonder Woman einzunehmen. Sich gerade hinstellen, Hände in die Hüften stützen, Schulter zurück, Füsse hüftbreit und den Blick geradeaus richten. Hört sich vielleicht ein bisschen schräg an, aber die Wonder-Woman-Pose sorgt bei regelmässiger Übung dafür, dass der Organismus binnen zwei Minuten 25 Prozent mehr Testosteron ausschüttet und das Stresshormon Cortisol um 30 Prozent reduziert. Einfach formuliert: Dadurch, dass mein Körper eine starke Haltung einnimmt, wird dem Gehirn suggeriert, es ist nicht schlimm und es fährt die Stresshormone herunter.

Gibt es weitere Tricks, die man einfach in den Alltag integrieren kann?

Klewitz: Wenn einem sonst nichts einfällt, erst einmal stehen bleiben. Man sollte aufmerksam beobachten, was vom Gegenüber wirklich kommt. Aber auch gehen kann helfen – es genügt oft ein einziger Schritt. Sich diesen Schritt bewusst zu machen, hilft dabei, ruhiger zu werden. Gehe ich einen Schritt auf den anderen zu, zeige ich bereits Haltung und das ganz ohne Worte. Dasselbe gilt, wenn ich zurück, an dem anderen vorbei oder zur Seite gehe.

Es gibt auch einen mikromuskulären Trick, den ich persönlich sehr mag. Oft erstarren wir in schwierigen Situationen. Unsere Augen sind geweitet, der Atem angehalten – ich nenne diese Haltung gerne „Das erschreckte Karnickel“. Wenn ich mich in dieser Position wiederfinde, hilft es, das Kinn leicht zur Brust zu nehmen, bewusst auszuatmen, währenddessen die Augen leicht zu schliessen und einen Schritt zu gehen. Diese Haltung nenne ich die „Leopardin“. Sie hilft, aus der festgefahrenen Haltung herauszukommen und in eine Handlung überzugehen.

Oft heisst es, man soll in Konfliktsituationen bis zehn zählen. Bringt das wirklich was?

Klewitz: Bis zehn zählen oder ausatmen. Es geht darum, sich eine innere Distanz zu schaffen und bei sich anzukommen. Es ist hilfreich, in sich zu fühlen und auf seine eigenen Antworten zu vertrauen. Wie man das macht, ist erst einmal zweitrangig.

Viele Menschen sprechen in der Partnerschaft Dinge nicht an, um einen Konflikt zu vermeiden. Ist das die richtige Haltung?

Klewitz: Ob sie richtig oder falsch ist, wage ich nicht zu beurteilen. Es hängt immer von der Kraft ab, die derjenige in diesem Moment hat, einen eventuellen Konflikt durchzustehen. Das ist eine Entscheidung, die jeder für sich treffen muss. Womit er letzten Endes leben will, leben kann und was er sonst noch von sich und vom Leben erwartet. Und manchmal kostet die Vermeidung weniger Kraft, als es anzusprechen. Manches regelt auch die Zeit. Wenn allerdings die Konfliktvermeidung mehr Kraft kostet als das Ansprechen, ist natürlich Handlungsbedarf.

Wie behalte ich die Nerven bei einem Konflikt in der Partnerschaft?

Klewitz: Mir hilft, es als etwas zu sehen, was nicht nur mir, sondern auch meinem Partner gerade passiert. Einen Schritt zurück zu treten und die Situation von aussen zu betrachten. Beide sind gerade an einer Grenze angekommen, an der wir den anderen nicht verstehen können. An dieser Grenze sollte man erstmal stehen bleiben und abwarten, bis der andere aus der Deckung kommt und sich dann in Ruhe zusammen damit auseinandersetzen.

Gibt es ein Antistressmittel, das in akuten Situationen sofort für mehr Gelassenheit und Ruhe sorgt?

Klewitz: Atmen. Im Rhythmus des normalen Einatmens kurz die Augen schliessen und beim Ausatmen wieder öffnen. Mit dem Einatmen die Füsse anspannen und beim Ausatmen festen Kontakt mit den Fusssohlen zum Boden herstellen. Mir hilft das ungemein.

Vorheriger ArtikelEuropäischer Filmpreis: „Undine“ und „Berlin Alexanderplatz“ nominiert
Nächster ArtikelPrinz Charles wird am Volkstrauertag eine Rede im Bundestag halten