Miroslav Nemec & Udo Wachtveitl: Vorweihnachtsfeier mit „Tatort“-Stars

Im zweiten Teil von „Tatort: In der Familie“ geht es nach München. Dort arbeiten Batic und Leitmayr erneut mit Faber zusammen. Wie das im echten Leben am Set funktioniert hat, verraten Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec im Doppelinterview.

Mafia, Blut und familiäre Abgründe: Der zweite Teil des Jubiläums-Crossovers „Tatort: In der Familie“ (6.12., 20:15 Uhr, das Erste) hat es in sich. Schauplatz der Fortsetzung ist München, wo Luca (Beniamino Brogi), seine Tochter Sofia (Emma Preisendanz) und Pippo (Emiliano de Martino) untergetaucht sind. Nicht nur die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec, 66, „Eine Weihnachtsgeschichte“) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, 62) nehmen erneut ihre Spur auf. Auch der Dortmunder Kommissar Peter Farber (Jörg Hartmann, 51) begibt sich in die bayerische Landeshauptstadt.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verraten die Schauspieler Nemec und Wachtveitl, wie die Zusammenarbeit mit dem Dortmund-Team im echten Leben geklappt hat und wie die Dreharbeiten nach der Corona-Zwangspause weitergingen. Ausserdem erzählen sie von einer geheimen Weihnachtsfeier der „Tatort“-Kommissare.

Haben Sie sich sehr darüber gefreut, dass Sie im Jubiläums-„Tatort“ dabei sind?

Miroslav Nemec: Auf alle Fälle. Oder sagen wir es mal so: Natürlich ist es mir lieber, wir machen einen Jubiläums-„Tatort“ als jemand anderes.

Udo Wachtveitl: Es kommt natürlich auch immer auf die Qualität an. Ich hätte nichts davon, wenn ich in einem Jubiläums-„Tatort“ dabei wäre, der nichts taugt. Aber das ist zum Glück nicht so gewesen. Der Fall erzählt eine spannende und interessante Geschichte aus dem Milieu der organisierten Kriminalität. Und das wollte ich schon immer mal machen.

Nemec: Dass wir den „Tatort“ mit den Dortmundern zusammen machen, war allerdings eine redaktionelle Entscheidung. Dass es so kam, fanden wir gelungen und hat uns sehr gefreut.

Wie war es, in „Tatort: In der Familie“ mit dem Dortmund-Team zusammenzuarbeiten?

Wachtveitl: Das war gut. Man muss aber unterscheiden, wie Wachtveitl und Nemec mit den Kollegen Schudt und Hartmann zusammenarbeiten und wie Leitmayr und Batic mit Faber und Bönisch agieren. Konflikt ist die Basis für Drama, und das sollte vor der Kamera stattfinden, nicht dahinter. Wir Schauspieler hatten untereinander keine Probleme. Obwohl es nicht so ist, wie es sich manche Leute vielleicht vorstellen, dass sich alle „Tatort“-Kommissare regelmässig in Kneipen treffen. Ich habe inzwischen auch den Überblick verloren, wer gerade wo ermittelt. Die meisten kennen wir gerade mal vom Sehen, aber nicht näher.

Nemec: Lustig war, dass während unserer Dreharbeiten in Köln im Dezember 2019 fast alle WDR-„Tatort“-Darsteller im gleichen Hotel gewohnt und auch noch in den gleichen Studios gedreht haben. Also die Münsteraner, die Kölner, die Dortmunder und eben wir. Dietmar Bär [59, Köln-„Tatort“, A.d.R.] hat spontan ein Lokal für eine Vorweihnachtsfeier organisiert. Alle Kommissare zusammen. Da waren wir wirklich mal privat.

Wachtveitl: Ja, der Dietmar Bär hat uns eine Selfie- und Interview-freie Zone versprochen. Er hat anscheinend gute Beziehungen zu dem Lokal und konnte die Versprechungen auch einhalten. Ein sehr schöner Abend, ganz spontan.

Im Krimi geht es um Strukturen der kalabrischen Mafia. Drogenschmuggel, Geldwäsche etc. Was hat Sie an der Geschichte gereizt?

Wachtveitl: Ich hatte mir das Thema organisierte Kriminalität schon lange gewünscht. Das war aber nicht ausschlaggebend dafür, dass es dieser Fall geworden ist. Es ist schwieriger, diese Verbrechensform darzustellen. Sie ist nicht so einfach nachvollziehbar, wie beispielsweise ein Verbrechen aus Eifersucht oder aus Habgier. Jemand ist eifersüchtig und erschlägt seinen Nebenbuhler – da muss man nicht viel erklären.

Hier ging es darum, eine abstrakte, aber gleichwohl reale Gefahr für die Gesellschaft, die immer noch unterschätzt wird, anhand einer nahegehenden Geschichte zu illustrieren. Aufzuzeigen, wie weit wir schon von mafiösen Strukturen unterwandert wurden. Organisierte Kriminalität ist ein komplexeres und auch schwieriger darzustellendes Verbrechen.

Haben Sie vor diesem „Tatort“ schon etwas von der ‚Ndrangheta gehört? Und davon, dass sie auch in Deutschland ihr Unwesen treibt?

Nemec: Natürlich. Ich habe dann aber trotzdem im Internet recherchiert. Es gibt viele gute Dokumentationen, auch über die neue Mafia. Zum Beispiel in Neapel, die Verbindungen nach Albanien oder ins Kosovo haben, Waffen liefern, Kokain und andere Drogen schmuggeln und Geldwäsche über Immobilien betreiben. Wir haben in Deutschland mit der Mafia Bekanntschaft gemacht durch den Film „Der Pate“, der damals von Marlon Brando gespielt wurde. Da wurde das Ganze ein bisschen glorifiziert. Diese Geschichte hat in Amerika gespielt, aber Europa ist heute genauso betroffen.

Wachtveitl: Und es ist ganz gut, dass man ein Gegenbild zu dieser Glorifizierung hat. Das ist einerseits eine sehr bunte Welt. Da kommt alles vor: Sex, Geld und Gewalt. Aber man muss auch die Schattenseiten zeigen. Man muss auch zeigen, wie unglamourös und traurig das ist, wie eklig, niederträchtig und doof, das war auch ein Anliegen unseres „Tatorts“. Es ist nichts, wofür sich ein junger Mensch entscheiden sollte, wenn er sich überlegt: Was mache ich denn aus meinem Leben?

Es gibt auch ein Vorbild dafür, einer meiner Lieblingsfilme, „Good Fellas“. Ich will den Film nicht mit unserem „Tatort“ vergleichen, aber er hat die gleiche Sicht auf diese Art von Kriminalität. Erst locken das Geld, das aufregende Leben und die Freiheit – auch von bürgerlichen Konventionen. Und wie armselig dann alles endet. Das war ein wichtiger Aspekt.

Aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Dreharbeiten zur Doppelfolge im März pausieren. Man wusste auch nicht, ob die Krimis rechtzeitig fertig werden. Wie war das für Sie?

Nemec: Die ersten zwei Wochen waren sehr beklemmend, weil man wirklich nicht wusste, wie es weitergeht. Ob die Einschränkungen noch grösser werden. Ich habe es als sehr unangenehm empfunden, dass es dazu kommen könnte, das Haus nicht mehr verlassen zu dürfen. Meine Frau, unsere Tochter und ich sind deswegen sehr viel Rad gefahren, damit man einfach ein bisschen frische Luft bekommt. Und obwohl wir einen Garten haben, hatte man ein beklemmendes Gefühl.

Nach zwei oder drei Wochen hat sich das etwas entspannt. Aber es war beunruhigend, nicht arbeiten zu können. Natürlich waren wir auch zu Hause mit dem Homeschooling usw. beschäftigt. Wir haben Spiele gespielt, Klavier geübt, aber die restliche „freie Zeit“ hat sich nicht nach Urlaub angefühlt. Es war vielmehr eine erzwungene Freizeit und ich war froh, als im Juni die Dreharbeiten weitergehen konnten.

Wachtveitl: Ich fand vor allem die Einschränkungen am Set schon störend. Wenn man ein Requisit in der Hand hatte, kam sofort jemand und hat es es desinfiziert, bevor man es weiterreichen konnte. Und es war auch lästig, ständig Masken tragen zu müssen, auch beim Proben. Nur für die ganz kurze Zeit, wenn wirklich gedreht wird, darf man sie abnehmen. Zwei- oder dreimal die Woche wurden wir getestet. Immer das Stäbchen in den Rachen und der Arzt war nicht zufrieden, bevor man nicht gewürgt hat. Das war alles nicht so angenehm. Aber es gab noch andere Probleme.

Zum Beispiel hatte sich die Vegetation in der Zwischenzeit geändert. Wir hatten im März angefangen und da sieht die Natur anders aus als im Juni, wenn alles erblüht ist und im Saft steht. Da mussten zum Teil Ecken von Getreidefeldern abgemäht werden, damit die Kontinuität gewahrt blieb. Ich persönlich kam mit dieser völlig unerwarteten freien Zeit aber sehr gut klar. Ich fand es herrlich. Ich habe meine Terrasse aufgeräumt und habe Bücher gelesen, die ich schon lange lesen wollte. Sollte mir je Arbeitslosigkeit ins Haus stehen: Ich bin bestens vorbereitet.

Sie beide haben die meisten Einsätze in der Geschichte des „Tatorts“ hinter sich. Wie leicht fällt es Ihnen, an den Figuren immer neue Facetten zu entdecken?

Wachtveitl: Wir sind aktuell dabei und es ist uns bisher immer wieder was Neues eingefallen. Wir haben immer versucht, keine Mätzchen-Kommissare darzustellen, wo sich das Augenmerk hauptsächlich auf die privaten Probleme und das Privatleben richtet. In unseren Fällen kümmern wir uns zu 80 oder 90 Prozent um das Verbrechen und nicht um uns selbst. Dadurch sind noch so einige Ecken unausgeleuchtet. Die Art und Weise allerdings, wie wir unsere Arbeit machen, da sollte schon die Persönlichkeit sichtbar werden.

Nemec: Wir haben noch ausreichend Potential und Spielfreude, um uns gegenseitig die Bälle zuzuspielen. Wir sind also noch motiviert, wie man so schön sagt.

Wachtveitl: Ein 30-Jähriger muss auch im realen Leben nicht notwendig interessanter sein als ein 60-Jähriger. Weil neue Sichtweisen dazukommen oder man vielleicht auch gewisse Albernheiten ablegt. Jedenfalls verändert sich ständig etwas – im realen Leben und bei den Figuren. Es wäre auch läppisch, wenn wir heute gewisse Sachen machen würden, die wir in unseren ersten vier oder fünf „Tatorten“ gemacht haben.

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