Digital Detox: „Denken Sie, anstatt zu googeln“

Immer online und erreichbar sein, ist für viele Menschen eine Belastung. „Digital Detox“ kann Abhilfe schaffen. Wie das genau funktioniert, erklärt Autorin Dr. Daniela Otto.

Kurz nach dem Aufwachen greifen viele als Erstes zum Smartphone. Während des Frühstücks scrollen sie durch Instagram, checken auf dem Weg zur Arbeit E-Mails und beantworten zwischendurch Messenger-Nachrichten. „Wir verbringen inzwischen bis zu acht Stunden täglich online“, erklärt Dr. Daniela Otto, Autorin von „Digital Detox. Wie Sie entspannt mit Handy & Co. leben“. Viele Menschen sehnen sich allerdings nach Ruhe und wollen der dauerhaften Erreichbarkeit entkommen. Dann ist „Digital Detox“, für eine bestimmte Zeit offline sein, genau das Richtige. Wie das funktioniert und welche Auswirkungen der Online-Verzicht auf Körper und Geist hat, verrät Dr. Daniela Otto im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Der dauerhafte Reiz durch Instagram, Facebook und Co. macht vielen zu schaffen. Können Smartphone und Co. wirklich krank machen?

Dr. Daniela Otto: Die Dosis macht das Gift. Seit Covid-19 schnellt die Bildschirmzeit nach oben, wir verbringen inzwischen bis zu acht Stunden täglich online. Das tut niemandem gut und die gesundheitlichen Folgeschäden sind extrem. Immer mehr Studien belegen den Zusammenhang zwischen psychischen Krankheiten und der Nutzung des Smartphones. Smartphones verändern unser Gehirn grundlegend. Wir aktivieren Stressneuronen, die neuronalen Netzwerke aber, die für Ruhe, Glück und Empathie zuständig sind, bilden sich zurück. Die Depressionsraten steigen, sogar die Suizidalität nimmt zu. Wir werden einsamer und unglücklicher. Gerade in sozialen Netzwerken befinden wir uns im permanenten narzisstischen Konkurrenzkampf.

Digital Detox liegt deshalb im Trend. Was genau ist damit gemeint?

Otto: Digital Detox ist ein achtsamer Lebensstil, der den Bedürfnissen einer digitalisierten Gesellschaft gerecht wird. Denn natürlich gehören Smartphones zum modernen Leben dazu. Und hier kommt die gute Nachricht: Digital Detox – auf Deutsch: digitale Entgiftung – heisst nicht, dass Sie nicht mehr online sein dürfen. Digital Detox bedeutet, dass Sie alle Ihre digitalen Geräte (Smartphone, Computer, Tablet, etc.) für einen selbstbestimmten Zeitraum abschalten und sich damit gezielt den negativen, giftigen Einflüssen des Internets entziehen. Digital Detox ist ein Akt der liebevollen Selbstfürsorge, denn Sie reduzieren dadurch Stress.

Indem Sie digital entgiften, setzen Sie der ständigen Erreichbarkeit eine neue Innerlichkeit entgegen: Sie treten wieder in eine wesentliche Verbindung mit sich selbst, mit anderen, mit dem echten Leben. Digital Detox heisst: Seien Sie bewusst online, das ist die zentrale Botschaft. Wann immer Sie Ihre digitalen Geräte benutzen, tun Sie es achtsam.

Wie läuft ein solcher Detox genau ab?

Otto: Im klassischen Sinne bleibt man für mindestens 24 Stunden offline. Das ist aber für viele ein kalter Entzug, daher empfehle ich zunächst kleine Schritte, die sich mühelos in den Alltag integrieren lassen und die sofort für Entspannung sorgen. Wichtig ist, den Tag ohne Handy zu beginnen. Wer morgens gleich zum Smartphone greift und all die negativen News konsumiert, lädt den ganzen Stress der Welt zu sich ein. Genauso gilt: Wer das Handy abends eine Stunde vorm Zubettgehen ausschaltet, kommt leichter zur Ruhe und schläft nachweislich besser.

Wichtig sind zudem regelmässige Pausen: Ein Spaziergang in der Mittagspause erfrischt den Geist. Multitasking ist nicht nur uneffektiv, sondern besonders stressig. Daher gilt: Ein Screen ist mehr als genug. Es ist besser, die Dinge persönlich oder im Telefonat zu klären als per Chat. Fest eingestellte Zeitlimits für Social Media – täglich 20 Minuten sind ausreichend – helfen bei der Selbstkontrolle. Denken Sie, anstatt zu googeln, deaktivieren Sie Eilmeldungen und Push-Nachrichten. Ganz allgemein gilt: Nutzen Sie das Smartphone selbstbestimmt und lassen Sie sich nicht von ihm benutzen.

Welche Tipps haben Sie, damit man ihn auch wirklich durchzieht?

Otto: Gute Vorbereitung ist wichtig. Denn wenn man nicht mehr online ist, hat man plötzlich ganz schön viel Zeit. Planen Sie daher Ihren handyfreien Tag gut, er ist ein Geschenk an Sie selbst. Was wollten Sie schon immer einmal machen? Zudem ist es ratsam, wenn Sie sich bei Ihren Freunden und bei der Familie abmelden. Legen Sie sich eine normale Uhr, einen analogen Wecker, ein Tagebuch und eine Kamera zu. Es ist normal, wenn es Ihnen zwischendurch schwerfällt. Freuen Sie sich auf die Ruhe, die Begegnung mit sich selbst: Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen, nicht im Handy.

Wie viel Zeit sollte man Ihrer Meinung nach am Smartphone, Laptop oder Fernseher verbringen?

Otto: So wenig wie möglich, so viel wie nötig und ausschliesslich so lange, wie es Ihnen guttut. Es gibt Durchschnittswerte, zum Beispiel drei Stunden täglich. Aber ich würde diese nicht als Orientierung empfehlen. Es kommt vor allem auf die Nutzungsweise an: Wer drei Stunden per App meditiert, wird danach sicher entspannt sein. Wer drei Stunden lang nur negativen, stressigen Inhalt konsumiert, wird sich schlecht fühlen. Wir sind nicht auf der Welt, um unser Leben am Handy zu verbringen. Das müssen wir erkennen.

Welche Auswirkungen hat ein solcher Detox auf den Körper oder Geist?

Otto: Digital Detox ist heilsam. Der Gegentrend zur wahllosen, unbewussten und unachtsamen Vernetzung. Wir spüren dadurch wieder wahre Verbundenheit, finden den Bezug zum echten Leben. Wir werden wieder fokussierter, denn derzeit fliesst ein Grossteil unserer Aufmerksamkeit in unser Smartphone. Stellen Sie sich vor, wie viel Energie Sie für sich selbst und das Wesentliche haben, wenn Sie diese nicht stundenlang am Handy verschwenden.

Sie werden glücklicher und selbstbewusster, wenn Sie sich den ewigen Vergleichen auf Social Media entziehen und erkennen, dass Sie gewollt und geliebt sind – egal wie viele Likes oder Follower Sie haben. Sie lassen sich wieder von der Schönheit der Natur ergreifen, denn die Welt wurde nicht als Selfie-Hintergrund erschaffen. Sie treten wieder mit sich selbst in Kontakt und folgen nicht Influencern, sondern Ihrer eigenen Intuition. Kurz: Digital Detox ist gut für die Seele.

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